18.14.42

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorlage, die unter diesem Tagesord­nungspunkt heute zur Beschlussfassung vorliegt, geht es darum, dass die Einkom­mensstaffeln für die Leistung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung angehoben werden.

Wenn man das aus sozialpolitischer Sicht betrachtet, dann sieht das beim ersten Hinschauen natürlich durchaus positiv aus. Wenn man aber in die Tiefe geht und die Maßnahmen näher betrachtet und ein bisschen hinterfragt, dann kommt man auf einige Punkte drauf, die man vielleicht vorher nicht so im Detail berücksichtigt hat bezie­hungsweise die wir nicht sehr begrüßen.

Erstens: Genau mit dieser Anhebung kommt es auch dazu, dass unserem Arbeitsmarkt 140 Millionen Euro entzogen werden. Das heißt, Mittel, die wir für aktive Arbeits­marktpolitik brauchen, werden da nicht generiert. Diesbezüglich waren wir natürlich bereit, in Gespräche einzutreten, und in der Vergangenheit war das auch üblich, dass man alle Parteien eingeladen und auch entsprechende Refinanzierungen bezie­hungs­weise Ausfallhaftungen vorbereitet hat.

Das Zweite, das wir kritisieren, ist, dass nicht nur die 140 Millionen Euro an Einnahmen entgehen, sondern dass der Herr Finanzminister über die Hintertür, über Umwege, durch die Lohnsteuer, die dann auch fällig wird, wieder 50 Millionen Euro zurückholt. Man muss ganz klar sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ihr schadet hier eurer eigenen Ministerin. Der Finanzminister holt sich das Geld, nämlich genau 50 Millionen Euro in der Berechnung, die hier liegt, wieder zurück, und das ist jenes Geld, das der Sozialministerin abhandenkommt und das sie nicht zur Verfügung hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Mach dir einfach um uns keine Sorgen!)

Das – ich habe es auch schon im Ausschuss gesagt – schwächt auch das Ministerium und vor allem eure Ministerin massiv, und sie hat dort keinen Handlungsspielraum und keine Möglichkeiten. Wenn wir uns die Nettoentlastung dabei anschauen, dann sieht man, dass das sage und schreibe 10,42 Euro monatlich sind, das sind im Jahr 122 Euro. Das, liebe Frau Ministerin, wird die Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in die rosige Zukunft, die da fabriziert wird, katapultieren, das wird die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen natürlich auch wenig bis gar nicht ändern.

Aus unserer Sicht und vor allem aus meiner Sicht ist die Entlastung, wie Sie sie da formulieren, korrekt. Man muss aber auch aus dem Budget Gegenfinanzierungen vor­nehmen, die gibt es aber einfach nicht. Was kommt dabei heraus? – Dass jene Men­schen, die dringend Hilfe brauchen, nämlich jene, die arbeitslos sind, die krank sind, die Schwierigkeiten haben, aus der Arbeitslosigkeit rauszukommen, keine Chance haben.

Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, Gott sei Dank, aufgrund der guten Konjunktur, die nicht die türkis-blaue Bundesregierung zu verantworten hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Roten aber auch nicht!) Die positive Konjunktur spielt Ihnen da nachweislich in die Hände, das wissen Sie. Die Arbeitslosigkeit ist Gott sei Dank zu­rück­gegangen. Allerdings lohnt es sich auch da, sehr genau hinzuschauen. Bei behinderten Menschen, bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, bei Langzeitarbeitslosen über 50, Stichwort Streichung der Aktion 20 000 (Bundesrat Rösch: Gott sei Dank!), hat es keine Verbesserung gegeben – genau bei dieser Personengruppe, und das ist, meiner Meinung nach, unwürdig. Es ist wichtig, dass man Langzeitarbeitslosen eine Perspektive gibt. Es ist unwürdig, wenn Arbeitslose nicht wissen, wie es weitergeht, und es ist auch unwürdig, wenn man Arbeitslosen erklärt, länger arbeiten zu müssen.

Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung in ihrem Regierungs­übereinkom­men angekündigten und mittlerweile bereits in Teilen bekannt gewordenen Einspa­rungspolitik befürchte ich in der Folge deutliche Kürzungen im Budget für Arbeits­markt­politik und damit einhergehend Einschnitte entweder im Leistungsrecht der Arbeitslo­sen­versicherung oder bei den finanziellen Grundlagen für die Arbeitsmarktförderungs­maßnahmen inklusive Aus- und Weiterbildung, die wir bei Arbeitsuchenden unbedingt brauchen – darauf weise ich auch die Unternehmer hin, die daran auch ein Interesse haben, weil immer wieder die Diskussion geführt wird, dass man den großen Fach­kräftemangel beklagt.

Ich glaube, dass wir in Zeiten wie diesen auch die Möglichkeit haben, in Aus- und Weiterbildung zu investieren. Wenn ich höre, dass es Projekte gibt, die der Infra­strukturminister auf den Weg bringt, dass es die Konjunktur gibt, die positiv wirkt, dann sollten wir genau da auch schauen, dass wir mit diesem Zug, mit diesem Dampfer mitfahren können.

Insgesamt, wenn man alles zusammenzählt, werden laut den Berechnungen dem Bund dadurch Einnahmen von rund 500 Millionen Euro entzogen; durch die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge sind es – ich habe es Ihnen schon gesagt – 140 Millionen Euro. Die monatliche Nettoentlastung reicht von 10 Euro bis – im obersten Einkommensbereich – 26,94, also knapp 27 Euro.

Liebe Frau Ministerin, ich warne Sie auch vor dem, was die Umsetzung dessen be­deutet, was Sie im Regierungsübereinkommen auf Seite 144 geschrieben haben, nämlich dass man den Entfall und die Streichung der Valorisierung der Arbeits­losen­versicherung andenkt. Das steht auf Seite 144. Auch dazu gibt es bereits errechnete Zahlen. Wenn diese Valorisierung nicht stattfindet, dann bedeutet das nämlich für den unteren Einkommensbereich bereits nach zwei Jahren, dass das Ganze, was Sie als Wahlzuckerl versprochen haben oder jetzt verteilen, über die Hintertür den Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern wieder aus der Tasche gezogen wird. (Bundesrätin Mühlwerth: So wie das die SPÖ immer gemacht hat!) Das ist, glaube ich, nicht das, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdient haben.

Mit einer Beibehaltung dieses § 2 im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wäre wenigstens die durch den Bund vorzunehmende Abdeckung der Einnahmenausfälle bei der Arbeitslosenversicherung aufgrund gänzlicher beziehungsweise teilweiser Beitragsbefreiung außer Streit gestellt.

Liebe Frau Ministerin! Wenn man sich heute die Medien anschaut, dann kommt man, glaube ich, zu dem Schluss, dass meine Befürchtungen, was diesen Bereich betrifft, sehr, sehr begründet sind, weil Sie zuerst antreten und die AUVA auffordern, bis Ende 2018 ein Konzept vorzulegen, wie man dort Einsparungen oder Effektivität bewirken wird, und ihr dann bereits am 5. April erklären, dass Sie sie sowieso auflösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem von der Wirtschaft! Wie geht es euch damit, dass die Sozialministerin sich zuerst hinstellt und ankündigt, wir warten zwölf Monate oder wir geben ihnen die Chance, etwas vorzulegen, und dann nach drei Monaten kommt und beinhart sagt: Dann bleibt mir nur noch die Auflösung!?

Liebe Frau Ministerin! Es gibt Unternehmen, die unter 50 Personen beschäftigen, und es wird von Ihnen nirgends kommuniziert, was das am Ende des Tages für sie be­deutet, wenn es um die Unterstützung bei der Prävention und um die Sicherheit geht. Steigt dann die Zahl der Arbeitsunfälle wieder? Gibt es dann wieder mehr Verletzte? Wer trägt diese Kosten?

Liebe Frau Ministerin, ich warne Sie wirklich davor, hier Schnellschüsse zu machen, wenn es um 3,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, die damit wirklich vor den Kopf gestoßen werden. Daher wundert es mich – nicht nur den Ärztekam­merpräsidenten –, dass hier alle sitzen, nicht nur in den Reihen der ÖVP, sondern auch in den Reihen der FPÖ, und dazu noch applaudieren; dass die Interes­senver­treter der Arbeitnehmer, wie sie alle hier sitzen – Bernhard Rösch, Edgar Mayer –, auch mitapplaudieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es euch dabei, wenn man dort einfach bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Sparstift ansetzt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in den Spiegel schauen (Bundesrat Rösch: Der Spiegel der Medusa!) und ich weiß auch, wenn ich mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun habe, worum es da geht; nicht nur, wenn ich in einem kleinen Betrieb mit unter 50 Beschäftigten bin, sondern auch wenn ich in Großbe­trieben bin: Um präventiv gegen psychische und physische Belastung am Arbeitsplatz vorzugehen, dafür hat die AUVA die Experten! Die Frau Ministerin aber streicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann ja nicht sein, dass das die Politik ist, die die türkis-blaue Bundesregierung versprochen hat. Dieses Gesetz, die Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, und in weiterer Folge auch die Vorgangs­weise hinsichtlich AUVA ist nicht das, was Sie den Menschen versprochen haben, liebe Frau Ministerin und liebe Bundesregierung, denn Sie haben den Arbeit­neh­merin­nen und Arbeitnehmern eine umfassende Entlastung der unteren Einkom­mensbezieher und vor allem auch eine Kaufkraftstärkung versprochen. Das ist mit diesen Dingen, wenn man es sich genau anschaut und nicht nur die Überschriften liest, nicht gegeben, und daher werden wir das nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm das Wort.