19.23.56

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Der Sicherheitsbericht 2016 wurde bekanntlich lange nicht veröffentlicht. Es wurde sogar vermutet, dass er wegen des Wahlkampfs zurückgehalten wurde. Das können wir natürlich nicht verifizieren. Wenn man sich aber die Zahlen anschaut – vor allem die rückläufigen Zahlen –, kann das schon vermutet werden.

Die Zahlen bei den strafrechtlichen Verurteilungen sind – das werden Sie wissen – laut Bericht eben rückläufig, es gibt ein Minus von 5,2 Prozent gegenüber dem Jahr 2015. Die Kriminalität ist zu 85,7 Prozent männlich. 33,8 Prozent der Verurteilungen erfolgten wegen Vermögensdelikten, 17,7 Prozent wegen Delikten gegen Leib und Leben, 15,4 Prozent wegen Suchtmitteldelikten und 2,4 Prozent wegen solchen gegen die sexuelle Integrität. Auch da gab es kaum Unterschiede zum Vorjahr. Anzeigen gab es dagegen mehr, und zwar um 3,8 Prozent. Es gab auch mehr ausländische Tatver­dächtige. Cyberkriminalität bleibt wenig überraschend die Herausforderung Nummer eins.

Mittlerweile haben wir ja Zahlen aus dem Jahr 2017. Es ist nicht uninteressant, dass der ehemalige Herr Innenminister Sobotka bei der Präsentation des Berichts 2016 noch betont hat, dass sich Österreich aufgrund dieser Zahlen zu einem der sichersten Länder weltweit zählen kann. Wie wir wissen arbeitet die Exekutive gut, die Aufklä­rungsquote liegt bei rund 85 Prozent. Alles in allem könnte man meinen, dass es keinen Grund zur Sorge und keinen Grund zur Panik gibt.

Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass die Regierung trotz dieser Zahlen im Justiz- und Innenausschuss ein Unsicherheitspaket durchgepeitscht hat. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um darauf einzugehen, weil es durchaus Zusammenhänge gibt, denn es ist dafür keinerlei Grundlage gegeben.

Sowohl der Inhalt des Überwachungspakets als auch die Vorgangsweise der Regie­rung beim Versuch, es durchzupeitschen, sind aus unserer Sicht inakzeptabel – Sie wissen, das ist nicht nur unsere Sicht –, und sie entsprechen auch in keinerlei Hinsicht den parlamentarischen Standards.

Obwohl das Ganze nicht nur sehr überbordend ist (Bundesrat Schuster: Zur Sache bitte!) – ich erinnere Sie daran, dass das das größte Überwachungspaket in der Zweiten Republik ist (Bundesrat Schuster: Das ist der Sicherheitsbericht, den wir diskutieren!) und daher sehr wohl auch damit zu tun hat –, sondern sogar auch – und da bin ich beim Sicherheitsbericht –, Gefahren schaffen kann, weil Sicherheitslücken gleich mitgeliefert werden.

Alleine die Einführung des Bundestrojaners schafft Unsicherheit und Lücken. Diese Software – das werden Sie vielleicht wissen – ist am sogenannten grauen und am Schwarzmarkt erhältlich. Aufgrund des Einsatzes dieser Software sind zum Beispiel in Großbritannien in mehr als zehn Krankenhäusern die Computer ausgefallen und die Menschen gefährdet gewesen. Nicht umsonst wurde der Bundestrojaner auch schon in den letzten Jahren sehr kritisch diskutiert. Auch von Ihnen, liebe FPÖ, gibt es Aus­sendungen dazu. Deswegen würde ich mich da ein wenig zurückhalten, weil Sie sich noch bis vor Kurzem gegen diese Überwachung ausgesprochen haben.

Videoüberwachung im gesamten öffentlichen Raum, und zwar in Echtzeit und auch abgespeichert, bedeutet, dass die Menschen ihr Recht auf Privatheit im öffentlichen Raum verlieren.

Aushöhlung des Briefgeheimnisses: Ich glaube, auch das ist keine irrelevante Sache, genauso wie die von den verschiedenen Höchstgerichten als grundrechtswidrig aner­kannte Vorratsdatenspeicherung, die über Umwege wieder eingeführt wird. Erwäh­nenswert sind auch noch die Berichtspflichten der Nachrichtendienste an Bundes- und Vizekanzler, die ich für sehr problematisch halte.

Wenn Sie nun glauben, das alles kommt nur von den Grünen, von der Lügenpresse und von den linkslinken Organisationen, kann ich Sie beruhigen, denn auch der frühere ÖVP-Justizsprecher Ikrath warnt davor, dass Österreich damit einen dramatischen Schritt vom liberalen Rechtsstaat zu einem polizeilichen Überwachungsstaat macht. Er hat an alle Abgeordnete entsprechende Mails geschickt. Ich glaube nicht, dass er übertreibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, tun wir nicht übertreiben!)

Es gab 9 000 Stellungnahmen, es gab diverseste Artikel von Experten und Expertinnen (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind immer dieselben Leute!) und es gab in fast allen Bundesländern Demonstrationen – erst gestern eine in Graz mit knapp 1 000 Leuten. Ich glaube nicht, dass all diese Leute unter Wahnvorstellungen leiden, sondern da sind auch viele dabei, die sich in den Materien auskennen, die sich das genau angeschaut haben und wissen, welche Konsequenzen das mit sich bringt.

Bedenken äußern nicht nur Experten und Expertinnen, sondern auch Provider oder Amnesty. Die Rechtsanwaltskammer beispielsweise meint, dass sich Österreich damit wirklich auf das Niveau von Polen und Ungarn begibt – ich glaube nicht, dass diese als linkes Kollektiv abgestempelt werden kann. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben die Stellungnahmen ignoriert. Das Hearing beziehungsweise ein öffentliches Hearing hat nicht stattgefunden. Heute gab es eines von den Oppositionsparteien im Nationalrat, und zwar in einem Kaffeehaus. Der Justiz- und Innenausschuss tagte bereits.

Wenn wir uns anschauen, was für gravierende und weitreichende Auswirkungen die­ses Überwachungspaket hat, dann hängt das schon mit Sicherheit zusammen, weil nämlich die Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl von jedem Einzelnen in diesem Land betroffen sind. Jeder, der ein Handy hat, jeder, der sich im öffentlichen Raum bewegt, wird in Zukunft überwacht werden können. (Bundesrätin Mühlwerth: Das werden wir doch jetzt schon ...!)

Das bedeutet für die Leute aber nicht, dass wir in Zukunft mit mehr Aufklärung rechnen können, sondern dass Sie eine Stimmung in diesem Land schaffen und sozusagen dafür sorgen, dass viele überhaupt erst ein Unsicherheitsgefühl entwickeln. (Bundes­rätin Mühlwerth: Dann lassen wir doch lieber die Terroristen werkeln ...!) – Sie können sich dann selber noch zu Wort melden.

Ich möchte mit der Feststellung schließen, dass die Sicherheitsberichte, die uns vor­liegen, sicherlich keine Grundlage für diese überbordende Überwachung gewesen sind – aber Sie peitschen das trotzdem durch!

Und nochmals in Richtung FPÖ: Sie haben sich früher dagegen ausgesprochen. Ich ersuche Sie, das nachzulesen, falls Sie sich nicht mehr daran erinnern. (Bundesrat Stögmüller: Ein Rückgrat wie ein Gummibärchen!)

Für uns ist das ein sehr autoritäres Verhalten, wie da vorgegangen worden ist. Das ist tatsächlich eine Orbánisierung, die in diesem Land stattfindet. Es gibt keinerlei Grund­lage für dieses wirklich überbordende Überwachungspaket. Ich hoffe nicht, dass sich das auswirken wird, weder auf das subjektive noch auf das faktische Sicherheitsgefühl der Leute in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

19.32

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Edgar Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.