14.30.55

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, ich glaube, wir zwei haben auch noch ein paar Dinge im Detail auszudisku­tieren! Ich glaube, dass wir heute hier ein Gesetzespaket vorliegen haben – und wir ha­ben auch schon im Ausschuss darüber diskutiert –, zu dem wir sehr, sehr unterschied­liche Ansichten haben.

Ich nehme einleitend zu Punkt 15, Telekommunikationsgesetz, Stellung: Ja, Sicherheit ist natürlich wichtig, dazu stehen wir auch, aber wenn es dann darum geht – und das war auch der Grund, warum es letztes Jahr im Herbst nicht zu dieser Beschlusslage gekommen ist –, auch ganz explizit Überwachungssoftware zu installieren, die nicht in der Obhut des Bundes ist, von der wir heute wissen, dass wir das selbst gar nicht ent­wickeln können, sondern dafür auf private oder internationale Unternehmungen ange­wiesen sind, dann stimmt mich das sehr bedenklich; vor allem, wenn man dann auch weiß, dass Horden von Hackern oder IT-Technikern damit die Möglichkeit haben, ganze Staaten lahmzulegen, und wir, wenn wir diese Software auf Geräten installieren, keine Möglichkeit haben, das auch selbst zu überprüfen.

Wir haben in unserem Staat überhaupt keine technischen Voraussetzungen, das selbst zu entwickeln und zu überprüfen. Und am Ende des Tages stellt sich auch die Frage: Wer prüft die Prüfer? Wer prüft das Ganze nicht nur – so wie es im Gesetz steht – auf die Verhältnismäßigkeit? Verhältnismäßigkeit ist für Rechtsanwältinnen und Rechtsan­wälte natürlich ein gefundenes Fressen, die haben da alle möglichen Interpretations­spielräume. Es ist natürlich sicher auch gewünscht, dass es da einen Zweig gibt, der damit sehr, sehr viel Geld macht: Zwischen Recht haben und Recht bekommen – das wissen Sie genau – besteht ein sehr, sehr großer Unterschied.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, führen wir es uns nur vor Augen: Es ist noch gar nicht so lange her, es war im Jahr 2017, als es in England einen Test mit einem Trojaner gab, mit dem ganze Krankenstationen auf einen Knopfdruck lahmgelegt wer­den können. Das stimmt mich sehr nachdenklich und es erfüllt mich vor allem auch ein bisschen mit Angst, wenn wir genau diese Dinge andenken und im Rahmen einer to­talen Überwachung Software auf Endgeräten, auf Handys, auf Computern oder sonsti­gen elektronischen Geräten installieren möchten. Dabei haben wir – womit ich wieder zum Ausgangspunkt komme – gar nicht die Möglichkeit, das selbst zu tun, sondern sind auf private, nicht einmal inländische Unternehmungen angewiesen und müssen das auf dem freien Markt zukaufen.

Da gibt es auch einen tollen Vergleich betreffend Richterinnen und Richter, dass man sich lieber ein paar Pferderln ersparen sollte und dann ausreichend Personal hätte, um diese Dinge zu verfolgen und aufzuarbeiten. Ich glaube, ein paar Pferderln weniger wä­ren auch vernünftiger, wenn Sie stattdessen den Kolleginnen und Kollegen mehr Per­sonal zur Verfügung stellen, damit man das genauer aufarbeiten kann und wir uns nicht darauf verlassen müssen, dass von Unternehmungen oder Institutionen, die so etwas anbieten, die Fernsteuerung bedient wird, nicht von Österreich beziehungsweise der Gesetzgebung, sondern per x-beliebigem Knopfdruck quer über den Globus.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet schon auch einen ganz massiven Ein­schnitt in die Privatsphäre, denn, so wie es auch ausgeführt wird, muss man nur auf der Adressliste oder im Telefonbuch einer zu observierenden Person vorhanden sein oder mit ihr vielleicht vor zehn oder 15 Jahren irgendwie in Kontakt gewesen sein, um in die Überwachung zu kommen. Es ist heute auch so, dass jeder mit seinem Handy oder Laptop ein Foto macht, das abgespeichert wird. Diese Fotos bleiben in der Cloud liegen, die ebenfalls herumschwebt. Wenn wir nur auf Löschen drücken, ist ja gar nicht immer sicher, ob das dann auch wirklich gelöscht und weg ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese totale Überwachung durch den Überwachungs­staat – das sage nicht nur ich – wird auch von verschiedenen Institutionen und Organi­sationen kritisch angemerkt, und diese Einsprüche wurden in keinster Weise zur Kennt­nis genommen.

Ich bringe daher den Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates ein, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben. Dieser Antrag wird im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung von mir auch noch erläutert:

Die Kritik daran betrifft nicht nur den Bundestrojaner, sondern auch die totale Überwa­chung. Ich zitiere aus den Stellungnahmen jener, die nicht unmittelbar verdächtig und vielleicht zuordenbar sind, dass man nicht sagen kann, ich habe mir nur bestimmte Gruppierungen herausgesucht.

Ich darf hier den Rechtsanwaltskammertag zitieren: „Viel eher würde es der ÖRAK be­grüßen, wenn der Nationalrat“ – und der Bundesrat – „echte Sicherheitsmaßnahmen anstelle des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Überwachungspaketes verab­schieden würde.“ Der Gemeindebund macht eine kritische Stellungnahme zum Thema Videoüberwachung: Was bedeutet das mit der Speicherung? Wie funktioniert die Speicherung? „Der ÖAMTC hegt Zweifel, dass der mit der geplanten Maßnahme be­absichtigte Eingriff in das Recht auf Datenschutz gerechtfertigt ist.“ Kritik kommt von der Asfinag oder der Wirtschaftskammer Österreich: „So ist es insbesondere beim Zu­griff der Behörden auf Video- und Tondaten und dem Ausbau der Kennzeichenerken­nungssysteme (betrifft alle Autobesitzer in Österreich) fraglich“ - - Und, und, und.

Diese verschiedenen Stellungnahmen haben uns natürlich auch dazu bewogen, hier Einspruch zu erheben, da wir am Ende des Tages keinen Überwachungsstaat wollen.

Ich komme wieder zurück auf meine anfängliche Frage: Wer prüft die Prüfer und wer überprüft das am Ende? Auch in der Diskussion – Sie haben es heute schon kurz an­geführt – um den BVT-Skandal werden wir bis heute im Dunkeln gelassen, was da passiert ist und was dort jetzt in weiterer Folge passiert. Und was passiert dann mit den Daten, wenn in Zukunft unbehelligte Bürgerinnen und Bürger aufgrund dieses Geset­zes überwacht werden? Ich möchte es mir nicht ausmalen, wenn wir dann von Institu­tionen, die Software zur Verfügung stellen, die wir selbst leider nicht haben oder nicht zustande bringen, vielleicht auch aufgrund der fehlenden Ressourcen nicht zustande bringen, abhängig sind und uns jemand anderer ganz bewusst fernsteuert. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

14.39

Präsident Reinhard Todt: Herr Bundesrat Pfister, gilt der Antrag für beide Tagesord­nungspunkte? – Das ist der Fall.

Der von den Bundesräten René Pfister, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates betreffend Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018 mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten vom Antragsteller mündlich erläutert wurde, ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Zu Tagesordnungspunkt 17: Der von den Bundesräten René Pfister, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunika­tionsgesetz 2003 geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, wobei dieser im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten vom Antragsteller mündlich erläutert wurde, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. – Bitte.