10.07.31

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! In der Aktuellen Stunde möchte ich eine aktuelle Bemerkung loswerden: Die türkis-blaue Regierung baut, wie wir gehört haben, ja nicht nur den Rechtsstaat um und den Sozialstaat ab (Bundesrätin Mühlwerth: Geh, geh, geh!), sondern beschwört hier, und das passt gut zum Thema, diverseste Bedrohungsszenarien sowohl innerstaatlich als auch an Europas Grenzen herauf. (Bundesrätin Mühlwerth: Alte Hüte, die nicht einmal stimmen!)

Wir leben in einer Zeit, in der die genderängstlichen Burschen, die ehemals in den Wäl­dern in Tarnanzügen herumgehüpft sind, jetzt an den Schalthebeln der Republik sitzen und Krieg spielen – gegen die Geringverdiener, die Arbeitslosen, die Flüchtlinge, die Vielfalt oder aber auch die Emanzipation. Statt für den sozialen Frieden in einem friedlichen Land zu sorgen, spalten sie, selektieren und bereiten den Boden für weitere Kriminalität, indem sie zum Beispiel Bedürftigen die Mindestsicherung wegnehmen.

Da man jetzt also vor Flüchtlingen und Feministinnen Angst hat, starten Sie als wei­terer Minister eine Bundesheerreform – Sie sind nicht der erste, wie wir gehört haben, wollen aber natürlich der strengste sein. (Bundesrat Samt – erheitert –: Das ist einfach nur lächerlich!) So nehmen Sie große Teile der von Ihrem Vorgängerminister Doskozil initiierten – auch das haben wir schon gehört – Umstrukturierung wieder zurück. Aus den vier Kommanden werden wieder zwei, und man wird tatsächlich den Eindruck nicht los, als würde es sich hier um parteipolitische Machtspiele und nicht um eine konkrete Reform handeln. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn man sich nicht auskennt, dann kann man das glauben, ja!) – Sie waren schon dran, Frau Mühlwerth! (Ruf bei der FPÖ: Deswegen hat sie ja dazwischengerufen!)

Die Milizverbände werden weiterhin an präsente Verbände, auch das ist klar, ange­gliedert sein. Und ja, gerade bei Katastropheneinsätzen bleibt vorerst trotz aller Ankün­digungen alles gleich (Bundesrat Spanring: Wenn es kein Bundesheer geben soll, ... Grünen, dann gibt es auch keinen Katastropheneinsatz!), nur ist das Marketing ein an­de­res geworden, außer vielleicht – das wäre eine Neuerung –, dass jetzt jedes Militär­kommando, wie wir gehört haben, eine Pionierkompanie, eben für den Katastrophen­einsatz, erhalten soll. Ich sage deshalb soll, weil wir wissen, dass diese rund 1 500 Spe­zialisten und Spezialistinnen Kosten in Millionenhöhe verursachen würden, Sie uns aber vorher nicht sagen konnten, wie das budgetiert werden soll.

Die von Ihnen propagierte Einsparung bei der Struktur steht also in einem groben Widerspruch zu der Notwendigkeit der Sanierung – die ich gar nicht infrage stelle, da gibt es tatsächlich grobe Mängel.

Weiters reden Sie über eine Attraktivierung des Grundwehrdienstes und wollen schlicht und einfach nicht wahrhaben, dass die Pflicht an der Waffe für die jungen Menschen hier im Land nicht attraktiv ist und wahrscheinlich auch nicht durch ein bisschen mehr Verdienst attraktiver werden wird.

Sie reden von mehr Sicherheit und argumentieren mit Katastrophen, wogegen wo­möglich eine konkrete Klimastrategie mehr helfen würde als die genannten Maßnah­men. (Bundesrätin Mühlwerth: ... diese selbsternannten Experten!)

Die Rekruten, das wissen Sie, klagen über grobe Organisationsmängel in der Aus­bildung, die geringe Wertschätzung, Kollektivstrafen oder auch Mängel bei den Unter­künften. Die Sonderkommission, die nach dem tragischen Tod – Sie werden sich erin­nern – eines Rekruten nach einem Fußmarsch eingesetzt worden ist, stellte fest, dass – Zitat – „eine adäquate und rechtskonforme Ausbildung von Grundwehrdienern [...] nur unzureichend“ möglich ist. Ich bezweifle, dass die von Ihnen genannten Maß­nahmen zu einem Kulturwandel führen werden, weil es sich hier um einen aus meiner Sicht groben Systemfehler handelt.

Kurz: kein Zeitplan, keine Planungssicherheit und kein Budget. Wie die Umsetzung dieser Maßnahmen gelingen soll, bleibt weiterhin fraglich. Vielleicht werden Sie in der zweiten Runde dann doch darauf eingehen, wie es möglich sein soll, dass die, wie Sie meinen, jahrzehntelang verabsäumte und seit Jahrzehnten notwendige Umstruktu­rie­rung finanziert werden soll, wenn sie weder im Regelbudget vorgesehen ist noch uns bislang bekannt ist, wie ein Sonderbudget ausschauen könnte.

Alles in allem: Der große Stil, von dem Sie reden, das große Paket, das hier diskutiert wird, bleibt vorerst aus meiner Sicht ein Gag, der lediglich die Handlungsfähigkeit des Verteidigungsministers demonstrieren soll, der aber sicherlich nicht die Menschen, vor allem die jungen Menschen in diesem Land davon überzeugen wird, dass sie – abseits der Katastropheneinsätze – wirklich auf das Bundesheer vertrauen können, und der auch die Unsicherheit – oder die Unsicherheiten, in der Mehrzahl – hier in diesem Land, vor allem wenn es um prekäre Arbeitsverhältnisse, um Arbeitslosigkeit oder um die Absicherung von sozialer Unterstützung geht, nicht beseitigen wird.

In diesem Sinne: Wir sind gespannt, wie Sie da konkret an die Umsetzung gehen wer­den, und ich würde mich freuen, wenn es zumindest gelänge, von Ihnen zu erfahren, wie und wann und von wem dieses Sonderbudget abgesegnet werden kann. (Ruf bei der FPÖ: Von euch nicht!) – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.13

Präsident Reinhard Todt: Ich begrüße Herrn Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser hier bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundes­minister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. (Bundesrätin Mühlwerth und Bundesrat Krusche: Aber nur nach Möglichkeit!)