10.42.26

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Seeber ist ent­waffnend ehrlich, wenn er hier zu uns sagt, man werde da noch Novellierungen vor­neh­men müssen, es werde noch Veränderungen geben. Ich erinnere mich an die letzte Sitzung, Herr Minister, in der wir auch genau dieses Thema hatten, und ich denke, dass uns die Herausforderungen in diesem Zusammenhang noch sehr, sehr lange beschäftigen werden.

Wir besprechen das 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz, also den zweiten Teil der Änderungen aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung. Am Beginn meiner Rede muss ich natürlich festhalten, dass ich von der Vorgehensweise der Regierung etwas enttäuscht bin. Wir sind es ja schon gewohnt, dass in verschiedenen Angele­genheiten das Parlament missachtet beziehungsweise nicht entsprechend respektiert wird; etwa von Ministern, die, wenn es um Auskünfte geht oder in der Aktuellen Stun­de, das Parlament nicht ordnungsgemäß behandeln, zumindest nicht so, wie wir es uns wünschen würden.

Man nimmt das Parlament aber auch insofern nicht ernst, als an diesen Materien­ge­setzen, die hier verpackt sind, nicht die Verwaltung, die Beamtinnen und Beamten mit­gearbeitet haben, sondern – und das weiß man – externe Rechtsanwaltskanzleien – auf deren Arbeit stützt man sich –, die nicht nur ein gutes Geschäft damit machen, sondern in den vergangenen Wochen und Monaten auch ein sehr, sehr gutes Geschäft damit gemacht haben, Unternehmungen, vor allem Klein- und Mittelbetrieben, Herr Kollege Seeber, da mehr Angst zu machen, als aufgrund dieses Gesetzes gerecht­fertigt ist.

Mich hat gewundert, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass im Ausschuss die Kollegin­nen und Kollegen der Freiheitlichen Partei da etwas zögerlich waren und eigentlich gar nichts dazu gesagt haben. Wenn man schon versucht, eine solch schwierige Materie anzupassen, dann ist die Vorgehensweise, das Vertrauen hier zu untergraben, absolut falsch.

Ich frage mich, was uns bei den Deregulierungsgesetzen, im Rahmen derer wir 5 000 Gesetze abschaffen und 4 500 davon wieder einführen, noch alles passiert ist, was wir vielleicht noch gar nicht wissen oder was wir noch gar nicht im Detail mitbekommen haben, weil mit diesem Sammelsurium viele Dinge geändert werden. Wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert.

Ich habe im Ausschuss schon gesagt, dass hier Beraten statt Strafen anscheinend die Überschrift ist, was einen Kniefall vor großen Konzernen und internationalen Unter­nehmungen bedeutet, indem man da nicht die Strafe in den Vordergrund stellt, sondern Beratung. Wenn ich jetzt beispielsweise – Herr Kollege Seeber hat auch dieses Bei­spiel gebracht – Facebook oder Google hernehme, stelle ich es mir spannend vor, wie der Herr Justizminister dann mit Facebook Kontakt aufnimmt und Facebook berät und, wenn dort 10 000 Datensätze verschwunden sind, sagt, dass das in Zukunft nicht mehr vorkommen darf.

Das heißt in Wirklichkeit, dass Sie die Großen genau mit dieser Anpassung auch schüt­­zen. Ich weiß nicht, warum man sich nicht ambitioniert auf das Verbandsklage­recht geeinigt und dieses eingeführt hat, damit man politisch die Möglichkeit gehabt hätte, diese Giganten – Facebook, Google und wie sie alle heißen – in die Knie zu zwingen; denn was im Datenschutzbereich passiert, lieber Herr Minister – wir haben es letztes Mal schon diskutiert –, erfahren wir tagtäglich: Probleme, Problemstellungen im Zu­sam­menhang mit Veränderungen, mit Daten, die quer über den Globus versendet oder natürlich auch gekauft oder auch verschachert werden.

Wir haben im Ausschuss von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ministeriums sehr, sehr ausführliche und sehr, sehr umfangreiche Antworten bekommen. Aus meiner Sicht wurde aber nicht alles hundertprozentig geklärt, und meine Kollegin Sissi Grossmann hat schon gesagt: Ausschließen können wir da gar nichts! Rechts­sicher­heit haben wir mit diesem Gesetz nicht, es ist möglich, dass ein Vertragsverletzungs­verfahren der Europäischen Union auf uns zukommen wird, sodass wir dann mehr Probleme haben als derzeit mit der Verordnung.

Wenn es Novellierungen gibt – und Sie haben letztes Mal auch gesagt, dass uns bereits im Zusammenhang mit dem ersten Gesetzesbeschluss Novellierungen ins Haus stehen werden –, dann darf man schon auch sagen, dass das auch mit der Speed-kills-Variante zusammenhängt: Wir setzen einfach schnell etwas um, der Herr Bundeskanzler gibt etwas in Auftrag. Gott sei Dank gibt es aber auch noch MinisterIn­nen und vor allem auch Ausschüsse im Parlament, die sich das genauer anschauen – nicht nur die Allmachtsfantasien einiger weniger. (Bundesrat Mayer: ... wir hätten das schon längst beschließen sollen!)

Im Zusammenhang mit Datenschutz aber auch folgender Punkt: Auf der einen Seite sind ganze Bereiche oder Staatsapparate betroffen, wie beispielsweise das BVT, wo noch nicht ganz geklärt oder noch nicht klar ist, was dort alles passiert. Man musste nach einem Monat wieder zurückrudern, es hat sich herausgestellt, dass nur persön­liche Befindlichkeiten in den Vordergrund gestellt wurden, Personen abgesetzt wurden, die man dann sofort in den Dienst zurückstellen musste. Und jetzt sagt man mit sanfter Stimme – so, als hätte man Kreide gegessen –, man werde alles gemeinsam bear­beiten. Zuerst der Staatsfeind und dann wieder der beste Freund! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird noch spannend, wir werden sehen, was da noch passiert!

Ich habe im Zusammenhang mit dem Datenschutz ein bisschen ein Problem, wenn es, ob im Gesundheitsbereich oder im Verkehrsbereich, pseudonymisierte Daten gibt. Es hat schon jeder von uns, die wir hier sitzen, das eine oder andere Verkehrsdelikt be­gan­gen, ob das jetzt eine Strafe aufgrund Schnellfahrens oder eines anderen Verge­hens war. Es sollte dann jedenfalls nicht möglich sein, diese pseudonymisierten Daten zurückzuverfolgen. Viele Österreicherinnen und Österreicher werden sich freuen, wenn sie dann in Listen und in diversen Statistiken nicht mehr anonymisiert aufscheinen, wenn sie durch den Einsatz relativ einfacher Mittel, die diese elektronische Verar­bei­tung zulässt, dann wieder aufscheinen. Das geht also zulasten der Bürgerinnen und Bür­ger, das geht zulasten der Österreicherinnen und Österreicher, die nicht die Mög­lichkeit haben, diesen umfassenden Rechtsschutz zu genießen oder diese Rechts­mittel einzusetzen, begünstigt jedoch die Unternehmerinnen und Unternehmer, vor allem die großen Konzerne, die dieses Spielfeld nützen.

Ein kleines Beispiel im Zusammenhang mit dem Datenschutz, den Datenschutzrechten und vor allem auch den Überwachungstendenzen, die in der Bundesregierung vorherr­schen – ich darf da Anleihe bei den Ausführungen einer Kollegin nehmen, die das in etwas abgewandelter Form schon gesagt hat –: Mit der Datenschutz-Grundverordnung ist das ungefähr so – so ähnlich muss man sich das vorstellen –, als würde man jeder Österreicherin und jedem Österreicher, unterstützt von privaten Rechtsanwalts­kanz­leien, sagen: Kauft euch die beste Sicherheitstür, kauft euch die Sicherheitstür mit dem höchsten Einbruchsschutz!, aber gleichzeitig dann im Innenministerium und im Justiz­ministerium den Generalschlüssel für diese Sicherheitstüren hinterlegen. Und wenn dann irgendetwas passiert, kommt der Herr Justizminister und sagt: Ich muss Sie beraten – strafen wird nicht funktionieren –, Ihnen sagen, dass Sie diesen Univer­sal­schlüssel nicht verwenden dürfen! (Bundesrat Mayer: Das ist jetzt schon eine schwere Konstruktion!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen Anpassungen, in denen wir einen Kniefall vor der Wirtschaft und vor allem vor den Großkonzernen sehen, können wir nicht mit­gehen. Das werden wir auch nicht unterstützen, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

10.50

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.