12.26.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, die heutige Bundesratssitzung steht vonseiten der Opposition unter dem Motto Märchen­stunde und Unterstellungen. (Bundesrat Stögmüller: Da müssen Sie nur wissen­schaftliche Zeitschriften lesen, nicht nur die FPÖ-„Aula“!)

Herr Kollege Stögmüller, alles, was Sie von sich gegeben haben, stimmt hinten und vorne nicht. (Bundesrat Stögmüller: Dann dürfen Sie nicht nur die „Aula“ lesen!) Wenn man das Sitzung für Sitzung wiederholt, wird es nicht besser und es wird auch nicht richtiger. So manches, das Sie sagen, klingt ja wirklich nett, nur, wenn man hinschaut, erkennt man, es ist unbrauchbar, wie zum Beispiel das Erlernen einer Sprache mit Freunden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Da gebe ich Ihnen grundsätzlich schon recht, aber um die Sprache erlernen zu können, braucht man Freunde, die Deutsch sprechen.

Die Situation in Wien ist völlig anders. Die Regierung bildet keine Ghettoklassen oder sperrt Ausländer ins Ghetto. Ich kann Ihnen sagen, die in Wien machen das selber. (Bundesrätin Grimling: Das stimmt ja nicht!) In Wien sagt Ihnen jeder Zuwanderer, der heute um eine Gemeindewohnung ansucht, dass er nur in einen bestimmten Bezirk will. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ein Problem!) Warum? – Weil er dort schon seine türkische oder sonstige Infrastruktur hat. Da hat er den Bäcker, da hat er den Friseur, da hat er seine Geschäfte, alle sprechen türkisch, und er muss überhaupt nicht mehr wirklich Deutsch lernen. Das sind dann die Kinder der zweiten, aber leider auch der dritten Generation, die eben keine Freunde hatten, mit denen sie eine Sprache erler­nen konnten, sondern sich in ihrer Community in ihrer Sprache unterhalten haben. (Bun­desrat Stögmüller: Jetzt stecken Sie noch alle in Klassen zusammen! Super!) Die finden wir dann in der ersten Volksschulklasse wieder.

Man muss also etwas tun, damit diese Kinder nicht zurückgelassen werden und nicht auf der Strecke bleiben, sondern dem Unterricht folgen können, damit sie – das wollen wir ja alle – etwas lernen. Ihr System, das Sie so preisen, haben wir jetzt wirklich lange genug ausprobiert. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Stögmüller.)

Seit zehn Jahren gibt es sozialistische Bildungsminister, alle haben versucht, in etwa das umzusetzen, was Sie wollen. (Bundesrat Stögmüller: Nein! Wir haben die SPÖ und die ÖVP genug kritisiert!) Der Erfolg ist, dass ein Fünftel der Schüler nach neun Schuljahren nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. Das ist das, was Sie fortsetzen wollen? (Bundesrätin Grimling: Da habe ich schon viel gehört ...! – Zwischenrufe der Bundesräte Beer und Novak.) Das wollen Sie den Kindern wirklich antun, eine verlorene Generation, eine bildungsmäßig verlorene Generation? – Nein danke, das brauchen wir wirklich nicht mehr! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich untermauere das auch ganz gerne – am Land mag es anders sein, in den Bal­lungszentren ist es oft durchaus ähnlich –: In Wien werden 15 000 Schüler getestet, die Hälfte davon besteht nicht, 67 Prozent davon haben Migrationshintergrund. Sie können es nicht, weil sie die Sprache nicht können. Bei den Pisa-Studien von 2003 bis 2012 ist das Ergebnis, obwohl wir – Sie – mehr ausgegeben haben, gleich null. (Bundesrätin Grimling: 2003 haben wir keine Unterrichtsministerin gestellt!)

Liechtenstein ist für einen Vergleich ein gutes Beispiel, weil es in Europa liegt; ich könnte auch Japan, Korea, Singapur oder was auch immer als Vergleich hernehmen. Dort unterscheiden sich die leistungsstarken von den leistungsschwachen Kindern signifikant. In Rechnen und Lesen zum Beispiel ist der Anteil der Leistungsstarken un­gleich höher. Liechtenstein hat 24,8 Prozent leistungsstarke Schüler, aber nur 14 Pro­zent leistungsschwache.

In Finnland – das von Ihnen viel geliebte, viel gelobte Finnland (Bundesrat Stögmüller: Nein!) – ist es ziemlich ausgeglichen, Finnland hat ein bisschen einen größeren Anteil leistungsstarker Schüler. Die Finnen sind aber auch nicht bekannt dafür, dass sie leistungsstarke Schüler wirklich fördern. Man muss wissen, dass das finnische System eines ist, das mehr Mittelmaß hat – wenn auch auf hohem Niveau – und überhaupt kein Interesse daran hat, dass es so etwas wie eine Elite gibt. Das haben Sie übrigens auch nicht, das wollen Sie ja auch nicht. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ein Blödsinn!)

In Österreich haben wir 18 Prozent leistungsschwache Schüler, aber nur 14 Prozent leistungsstarke Schüler. Jetzt kann man sagen, das ist eh nicht so schlecht, aber mir gefallen halt Liechtenstein und andere Staaten, in denen es doppelt so viele leistungs­starke wie leistungsschwache Schüler gibt, doch um einiges besser. Schweden übri­gens, das das finnische System hat, aber auch einen sehr hohen Migrantenanteil, hat 27 Prozent leistungsschwache Schüler und nur 8 Prozent leistungsstarke Schüler. Allein das zeigt ja schon, dass dieses System so nicht funktioniert.

Es geht nicht darum, diese Schüler im Hinterhof zu unterrichten oder in irgendeinem Klassenraum nahe dem Hinterhof – übrigens wird so eine Klasse ab acht Schülern eröffnet –, es geht darum, diesen Schülern die Möglichkeit zu geben, möglichst rasch Deutsch zu lernen, damit sie dem Unterricht folgen können, damit sie in eine Regel­klasse gehen können. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Damit das funktio­nieren kann, ist ja auch vorgesehen, die Kinder in Musik, in Werkerziehung und in Turnen miteinander kommunizieren zu lassen. Das sind ja zwei Dinge, die da pas­sieren.

In Wien gibt es Klassen mit sehr wenigen deutschsprachigen Schülern, in manchen Brennpunktschulen mit gar keinen; aber dort, wo es sie gibt, gibt es für die Schüler ja die Möglichkeit des Kommunizierens, um die Sprache zu üben. Wenn jemand sehr flink, sehr fleißig und vielleicht auch sprachtalentiert ist – es gibt ja unterschiedliche Ta­lente –, kann er das früher machen, und wenn nicht, dann braucht er halt ein bisschen länger.

Es geht doch darum, dass er oder sie, Schüler oder Schülerin, dem Unterricht folgen kann, um eine gute Schulbildung zu erhalten und sich nachher einen Beruf aussuchen zu können, den er oder sie sich wünscht – man möchte nicht den haben, den man halt nehmen muss, weil man mit gebrochenem Deutsch nur in gewissen Bereichen arbeiten kann. Wenn Sie auch für diese Dinge sind, müssten Sie eigentlich zustimmen (Bun­desrat Stögmüller: Wir wollen ein anderes Modell!), aber ich stelle fest, entgegen allen vollmundigen Erklärungen sind Ihnen die Schüler offensichtlich wurscht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling, Hahn und Stögmüller.) – Ja, es schaut so aus. Ich sage ja nicht, dass es so ist, aber es schaut so aus, weil die Schüler offensichtlich nicht im Fokus Ihres Interesses stehen, sondern Ihre Ideologie überwiegt. Sie können diese linke Ideologie der Gleichmacherei nicht ablegen – wie ein viel geliebtes Hemd oder ein viel geliebtes Sakko –, und dann bleibt das halt so. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir haben natürlich auch noch einiges vor, die Präzisierung der Schulreifekriterien zum Beispiel. Ja, wir wollen einen einheitlichen Standard; es soll von Bundesland zu Bun­desland überprüft werden, anhand welcher Kriterien festgestellt wird, ob man Deutsch kann oder nicht. Und ja, wir wollen ein zweites Kindergartenjahr – das wollten Sie ja auch immer –, damit wir eben nicht in diese Situation kommen, dass man erst in der Schule beginnt, Deutsch zu lernen, sondern möglichst schon vorher. Das soll all jenen Schülern zugutekommen, die eben von zu Hause aus nicht Deutsch lernen können.

So, ich sage Ihnen, das alles sind gute, sinnvolle und wirksame Maßnahmen. Ihr System hat eindeutig versagt, und daher werden wir – so, wie wir das immer schon gefordert haben – etwas anderes tun. Ich sage Ihnen, das wird erfolgversprechender sein als das, was Sie die ganze Zeit gemacht haben. (Bundesrat Stögmüller: Deren System, nicht unser System!) – Ja, aber die Grünen haben ja die Roten da immer unterstützt und haben immer gesagt, wie super das nicht alles ist. Gebracht hat das, wie gesagt, gar nichts. (Bundesrat Stögmüller: Die ÖVP war genauso dabei!) Jetzt ist es an der Zeit, eine Kehrtwende zu machen, Nägel mit Köpfen zum Wohle der Schüle­rinnen und der Schüler zu machen. (Beifall FPÖ und ÖVP.)

12.34

Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.