13.08.06

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien)|: Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Tatsächlich stand ich nicht auf der Red­nerliste, habe mich jetzt aber gemeldet, weil die Debatte unerträglich ist. (Bundesrätin Mühlwerth: So ging’s mir auch! – Ruf bei der FPÖ: Es wir auch nicht besser!) Ich glaube, ich bin die einzige Person hier im Raum, die tatsächlich die deutsche Sprache als Zweitsprache gelernt hat, nämlich erst mit zehn Jahren, und die einen sogenannten Migrationshintergrund hat.

Da die Stimmen der Betroffenen genauso wie entsprechende Studien hier ignoriert werden, möchte ich auf ein paar Punkte eingehen. Zum einen wissen wir alle, dass Bil­dung vererbt wird – das ist nach wie vor so – und nicht unbedingt von der geogra­fischen, sondern viel mehr von der sozialen Herkunft abhängt. Es ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, dass wir uns darüber einig sind. Wenn Sie mir nicht glauben, empfehle ich, beispielsweise „Elitesoziologie“ von Michael Hartmann zu lesen.

Zweitens: Erst eine richtige Inklusion, gerade bei Kindern, führt zu Integration, eine Selektion führt zu Segregation – so einfach, so simpel, so wahr.

Drittens: Die Kinder mit einem sogenannten Migrationshintergrund werden, liebe FPÖ und Frau Mühlwerth, nicht weniger, wenn man sie in Extraklassen setzt. Das heißt, das angesprochene Problem, dass sie untereinander ihre eigene Erstsprache verwenden, vor allem in den Pausen – habe ich auch gemacht, um nachzufragen, was da eigent­lich los ist –, kann auch dazu beitragen, dass die Kinder dem Regelunterricht über­haupt erst folgen können. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.) Die Herausforderung, dass es in vielen Klassen tatsächlich viele migrantische Kinder gibt, werden Sie nicht dadurch lösen, dass Sie sie unsichtbar machen.

Der nächste Punkt betrifft die Förderung: Natürlich, selbstverständlich sind wir alle dafür, dass Kinder besonders gefördert werden, dass sie auch eine Förderung erhal­ten, gerade wenn es um den Spracherwerb geht. Ich kann Ihnen aus meiner per­sönlichen Erfahrung sagen, wir wurden damals nicht aus dem Regelunterricht heraus­genommen und nur im Musik- und Turnunterricht gemeinsam unterrichtet, sondern genau umgekehrt: Ich erhielt zwei bis vier Stunden in der Woche, während die anderen Musik oder Turnen hatten, eine spezielle Förderung in der deutschen Sprache in einer Kleingruppe, konnte aber im Regelunterricht gemeinsam mit den anderen – auch durchaus herausfordernd – dem, was die Lehrerin von sich gab, zu folgen versuchen.

Es ist ganz wichtig, dass es damals das Stundenausmaß betreffend genau umgekehrt geregelt worden ist. Das ist leider damals mit der Zeit auch ausgelaufen, wurde abgeschafft. Hier haben wir eine Maßnahme, die genau diese Stunden jetzt verkehrt. (Bundesrat Seeber: Die Gesellschaft hat eine andere geopolitische Entwicklung genommen!) – Nein, da würde ich Ihnen jetzt nicht recht geben. Ich war in einer Wiener Schule, auch damals gab es sehr viele ausländische Kinder. Wenn Sie glauben, das hat sich hier jetzt wirklich so extrem verstärkt, dann würde ich Sie bitten, dass Sie sich die Statistik ansehen, denn das ist schlicht und einfach nicht wahr, gerade in der Hauptstadt Wien.

Fünftens: Ich kann nur noch einmal betonen, dass gerade der permanente Austausch, der wirklich permanente Austausch in der Gruppe mit den anderen die Sprachkennt­nisse von Kindern überhaupt fördert. Sie wissen auch, was es für Kinder bedeutet, wenn sie das Gefühl haben, von den anderen getrennt zu sein. Wenn sie nicht per­manent dem Regelunterricht folgen, entwickeln sie erst recht das Gefühl, dass sie nicht dazugehören. Auch das ist aus sozialer Sicht sicherlich nicht förderlich.

Sechstens oder siebtens – ich weiß nicht mehr, bei welcher Zahl ich mittlerweile angelangt bin – haben wir schon gehört: Es ist teuer, es ist aufwendig, man braucht Extraräume, die Direktoren und Direktorinnen sprechen sich dagegen aus, der Städte­bund sagt, die Schulautonomie sei gefährdet. – Also auch abseits der sozialpolitischen Komponente gibt es sehr viele infrastrukturelle Probleme, die noch nicht geklärt worden sind und betreffend die wir auf eine Antwort warten.

Worüber ich mich sehr freue, weil ich die Debatte als ehemals selbst Betroffene genau verfolgt habe, sind die Nachjustierungen und kleinen Änderungen, die Sie aufge­nommen haben. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie hier gesprächsbereit gewesen sind.

Schlussendlich möchte ich festhalten, dass wir die aktuell geltenden Sprachförderun­gen, nämlich jene seit 2016/2017, nicht einmal evaluiert haben, um hier eine wirklich überbordend populistische Maßnahme zu setzen, von der wir nicht einmal wissen, ob sie für die Kinder wirklich förderlich sein wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Also wissen Sie es doch nicht! Könnte doch sein!)

Ich glaube, ich bin selber ein Beispiel dafür, dass eine punktuelle Sprachförderung, eine Unterstützung von Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, ganz wichtig ist, aber auch dafür, dass es noch wichtiger ist, diese Kinder nicht zu segre­gieren, sondern sie im Regelunterricht zu lassen, dem sie schwer, aber mit der Zeit immer besser folgen, und ihnen nicht damit zu drohen, dass sie infolge eines negativen Tests die Klasse wiederholen müssen. (Bundesrätin Mühlwerth: ... in der Fünften nicht lesen!)

In diesem Sinne hoffe ich, dass die Debatte noch nicht beendet ist und dass es sich vielleicht auch in der Praxis zeigen wird, dass man hie und da noch Verbesserungen vornehmen muss. – Vielen Dank. (Beifall der BundesrätInnen Reiter und Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

13.14

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.

Ich begrüße in der Zwischenzeit Frau Bundesministerin Dr.in Margarete Schramböck. (Allgemeiner Beifall.)