13.36.50

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten)|: Werter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Dringliche Anfrage betreffend die „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“ einleiten und auch begründen.

Jetzt ist Frau Kollegin Mühlwerth nicht da. – Ich hoffe, dass das keine Märchenstunde wird, sondern eher harte Realität, denn die schwarz-blaue Bundesregierung plant, Ceta völlig überhastet und ohne Grund noch vor dem Sommer durch das Parlament zu peitschen. Wir wissen das aufgrund der Einleitung durch den Regierungsbeschluss, und das soll in weiterer Folge, nachdem die Frist gesetzt worden ist, am 14. Juni passieren. Durch diese überstürzte Vorgangsweise sorgen ÖVP und FPÖ dafür, dass die in Ceta enthaltenen Konzernklagerechte erstmals in Kraft treten, denn bislang waren diese Konzernklagerechte nicht in Kraft. Erst der geplante Beschluss durch die Koalitionspartner ermöglicht, dass Konzerne gegen unsere hohen Standards klagen.

Meine Damen und Herren, die Landeshauptleutekonferenz hat im Mai 2016 eine einheitliche Länderstellungnahme an den Bund gerichtet – und die Landeshaupt­leute­konferenz ist ja nicht irgendwer: 

„Die Verhandlungen sind transparent zu führen und die Bundesländer von Beginn an umfassend zu informieren.“ – Das ist nicht passiert.

„Die bestehenden hohen Qualitätsstandards (etwa für Produktsicherheit, Daten-, Ver­braucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz) müssen aufrecht erhalten bleiben.“

„Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen.“

„Freihandelsabkommen sind als gemischte Abkommen abzuschließen und bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit auch der Genehmigung durch die nationalen Parla­men­te.“ –

Die Länder „erstrecken ihre Forderungen [...] auch auf CETA.“

Die Landeshauptleutekonferenz bittet darum, „im Rat nicht zuzustimmen, solange nicht die Forderungen dieses Beschlusses, der gleichzeitig als einheitliche Stellungnahme gemäß Art 23d Abs 2 B-VG gilt, erfüllt sind“.

Das war die Bitte beziehungsweise die Aufforderung der Landeshauptleute. – Ent­schuldi­gung, dass ich die Frauen nicht mitnehme, aber damals waren es Landes­hauptmänner.

Wenn ich das jetzt als Ländervertreter betrachte, zitiere ich Herrn Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser, der zu diesem Durchpeitschen eines solchen Beschlusses Folgendes festgestellt hat: Mit diesem Beschluss „verraten Kurz und Strache unsere Bevöl­kerung“, und es ist die „Gefahr, dass Schiedsgerichte Interessen von Konzernmultis gegen Interessen Österreichs durchsetzen“. (Der Redner macht eine Pause und blättert in seinen Unterlagen. – Bundesrat Steiner: Das hast du auch am Redner­pult!) – Ja, warte ein bisschen! (Ruf bei der FPÖ: Da ist das Taferl drauf!) – Ja, das ist unterm Taferl drinnen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Na ja, ich habe relativ viel zu reden, deswegen muss ich mir die Sachen raussuchen. (Bundesrat Krusche: Es sind 20 Minuten Zeit!)  Habe ich 20 Minuten Zeit? Danke, Herr Krusche!

Der bekannt gewordene Plan der ÖVP-und-FPÖ-Bundesregierung – das wissen wir jetzt ja genau –, dem umstrittenen Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada so plötzlich zuzustimmen, ist verantwortungslos; quasi über Nacht und ohne die noch ausständigen Ergebnisse – das muss man, glaube ich, auch sagen – der von Christian Kern damals als Bundeskanzler durchgesetzten Nachverhandlungen, insbe­sondere die problematischen Schiedsgerichte betreffend, abzuwarten.

Wenn wir uns das anschauen – ich glaube, da sind wir einer Meinung, Sie wahr­schein­lich nicht –: Es wurde in Brüssel sehr hart darum gekämpft, dieses Abkommen mit Kanada einer Verbesserung zuzuführen. Es war der damalige Bundeskanzler Kern, der in diesem schwierigen Ringen mit den 28 Staaten, Nationen mit völlig unterschied­lichen Ausgangslagen und Interessenlagen, schlussendlich verschiedene Punkte erreicht hat. Es wurde einiges erreicht. Das Wichtigste, das dabei erreicht wurde, war die Trennung dieses Abkommens in einen nationalen Teil und in einen europäischen Teil. Er hat auch ganz klar und deutlich festgestellt, dass der europäische Teil, also der handelspolitische Teil, der im Europäischen Rat beschlossen worden ist, seine Zustim­mung bekommen hat und er auch heute davon überzeugt ist, dass es richtig ist, diese handelspolitische Vereinbarung über die Kontinente hinweg zu verbessern und auf neue Beine zu stellen.

Er hat aber auch festgestellt, dass der zweite Teil aus seiner Sicht noch viel wichtiger ist, da nämlich in Österreich die österreichische Bundesregierung und das österreichi­sche Parlament, sonst niemand, sicher entscheiden kann, ob wir Sonderrechte und Privilegien für Großinvestoren und internationale Konzerne haben sollen. Das war ein entscheidender Fortschritt. Er hat erreicht, dass man in Österreich entscheiden kann, ob es eine Sonderbehandlung für einige wenige Konzerne gibt. Er hat auch erreicht, dass es ohne Beschluss des Nationalrates und der Bundesregierung keine Zustim­mung zu Ceta geben kann.

Wir haben auch gesagt: Solange wir in der Verantwortung stehen, wird dieses Abkom­men in der Form, wie es heute vorliegt, in Österreich nicht ratifiziert werden. Dafür wurde von allen, die damals in der Regierung waren, gekämpft; aber Sie haben diese Möglichkeit, eine österreichische Entscheidung zu treffen, heute, so wie Sie da sitzen, beziehungsweise der Nationalrat, im Grunde genommen leichtfertig vergeben.

Die plötzliche Eile von Kurz und Strache, also vom Herrn Bundeskanzler und vom Vize­kanzler, und der Versuch, diese Ratifizierung an der Bevölkerung vorbei diskus­sionslos durchzupeitschen (Bundesrat Längle: Stimmt ja gar nicht!), ist der Beleg dafür (Bundesrat Längle: Das Parlament ist öffentlich für jeden Bürger, oder?), dass die ÖVP den Interessen ihrer Großspender und von Konzernmultis den Vorzug gegenüber den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher gibt. Soll ich es noch einmal wiederholen? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: ... jetzt KTM! – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Habe ich jetzt etwas von KTM und von Pierer ge­sagt? – Davon habe ich nichts gesagt. Herr Kollege, ich habe nichts von Pierer gesagt. Das habe ich ohnehin schon oft genug getan.

Unser Landeshauptmann Kaiser verweist darauf, dass auf EU-Ebene noch ganz ent­scheidende Verhandlungen bevorstehen. Tatsächlich sollen aufgrund eines verein­barten Zusatzprotokolls weitere Verbesserungen in das Ceta-Abkommen aufgenom­men werden. Auch wegweisende Entscheidungen – ich glaube, das ist auch sehr wichtig – des EuGH zu Ceta sind noch ausständig.

Für die SPE ist das Ceta-Regelwerk in seiner jetzigen Form jedenfalls inakzeptabel. Soziale Rechte und Regelungen betreffend den Umweltschutz könnten so ganz ein­fach unterwandert werden. Auch Deregulierungen und Privatisierungen, etwa bei der Wasserversorgung – denken wir einmal nach, was los wäre, wenn die Wasserversor­gung privatisiert wird! –, könnten erzwungen werden. (Bundesrat Rösch: Das ist jetzt aber Angstmache!) Das erinnert daran, dass der damalige - - (Zwischenruf der Bun­desrätin Posch-Gruska.) – Bitte? (Bundesrätin Posch-Gruska: ... kennt sich nicht gut aus! – Weitere Zwischenrufe.)

Das erinnert daran, dass der damalige Bundeskanzler, wie ich schon erwähnt habe, Christian Kern gemeinsam mit der Regierung doch einiges herausverhandelt hat. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Da brauchen Sie gar nicht zu lachen, das ist so. (Bundesrat Steiner: ... war der Beipackzettel!) – Ja, zum Beipackzettel komme ich noch, warte ein bisschen! – Diese Zusatzvereinbarungen will die nunmehrige Bundesregierung nicht mehr abwarten. Sie hat das Drüberfahren und Überrumpeln zu ihrem System gemacht.

Jetzt komme ich zum Beipackzettel – Herr Kollege, hast du meine Rede vorher ge­le­sen? –: Ihr Vorgehen ist so, als würde man die Zulassung eines Medikaments be­schließen, ohne die Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel zu kennen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Du musst eine Runde im Schwimmbad machen ...! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber jetzt noch einmal kurz zur FPÖ, weil uns heute diese Märchenstunde angedichtet wurde: Ich möchte da Dr. Tassilo Wallentin erwähnen, der in den vergangenen Zeiten in der „Krone Bunt“ am Sonntag immer gescheite Artikel schreibt, öfters natürlich gegen die Sozialdemokratie, aber diesmal hat es die FPÖ erwischt. Der Titel hat gelautet: „Die verratenen Wähler“.

Er hat ja nicht ganz unrecht, wenn er sagt: „Regieren ist ein Kompromiss – keine Frage“, darüber brauchen wir gar nicht zu reden. „Aber Wähler-Verrat ist eine ganz andere Kategorie. 80% der Österreicher lehnen das Freihandelsabkommen CETA ab. Die Menschen fürchten zu Recht, dass durch dieses Freihandelsabkommen“ unsere Umweltstandards abhandenkommen. – Das habe ich ja schon vorgelesen, bis hin zum Wasser.

Ich möchte mich da jetzt ganz speziell auf die FPÖ konzentrieren; jetzt kommt ja die Frau Vorsitzende auch wieder. „Im Zuge“ – das sollte man nicht vergessen, und das sollte man den Menschen draußen auch sagen – „der Bundespräsidentenwahl verlaut­barte der FPÖ-Chef: ‚Wer [...] CETA wirklich verhindern will, sollte Van der Bellen nicht vertrauen. Nur Norbert Hofer will und wird die Abkommen ohne Volksabstimmung nicht unterschreiben!‘“ (Bundesrat Steiner: Österreich hat anders entschieden!) Auch das FPÖ- - (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Wenn ihr dann fertig seid, sagt es mir, dann rede ich weiter. Wunderbar!

„Auch FPÖ-TV ließ die Zuschauer wissen: ‚Damit das Abkommen komplett in Kraft treten kann, müssen die nationalen Parlamente‘“ damit befasst werden. Die FPÖ ist natürlich dagegen. „Die ‚Partei des kleinen Mannes‘“ – das ist bekannt, wird von euch auch immer so propagiert – „brachte noch drei Tage vor der Nationalratswahl 2017 medienwirksam einen Antrag im Parlament ein, mit dem sie eine verbindliche Volks­abstimmung über CETA forderte. FP-Chef Strache sagte wörtlich: ‚Eine Volksabstim­mung über CETA ist Koalitionsbedingung.‘“ – „Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung“!

Diese Dreistigkeit – das muss man sich vorstellen – ist in der Zweiten Republik noch nie dagewesen: „Die FPÖ erklärte im Regierungsprogramm, CETA jetzt bedingungslos ‚umzusetzen‘“. – Das ist wirklich eine saubere Leistung gegenüber den Wählern, dazu kann man euch nur gratulieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht erinnern Sie sich noch daran – ich war nicht mit dabei, es ist nur überliefert, steht aber auch in dem Artikel; Kollege Mayer war, glaube ich, auch nicht mehr anwesend –: „Die FPÖ stimmte gemeinsam mit der ÖVP im Bundesrat dafür, dass unsere Regierung Konzern-Schiedsgerichte in allen derzeitigen und künftigen EU-Frei­handelsabkommen unterstützen darf.“ – Jetzt höre ich nichts mehr, okay. „Die bei der Abstimmung anwesenden Sozialdemokraten“ – das wird wohl so gewesen sein wie jetzt – „waren fassungslos.“ – Auch das steht da drin.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende: Ich wollte eigentlich nur aufzeigen – wie Frau Mühlwerth gesagt hat –, dass wir keine „Märchenstunde“ haben, sondern das ist halt alles Realität. Ich habe da übrigens noch eine Tafel mit einem Satz mit­ge­bracht – wie Herr Strache jetzt in den letzten Inseraten festgestellt hat: Wir kümmern uns um Österreich! (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP“ und mit einem Bild von Vizekanzler Strache in die Höhe. – Bundesrat Rösch: Fesch schaut er aus!) – Da schaut er fesch aus, ja, da haben Sie recht.

Ich weiß ja nicht, was die ÖVP-Regierung dazu sagt: Ceta wurde uns von der SPÖ-ÖVP-Regierung mit Christian Kern aufs Aug gedrückt. – Na super! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ja, das ist euer Koalitionspartner. Es ist euer Koalitionspartner.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss – viele werden sagen, Gott sei Dank; wie auch immer –: Für unseren Landeshauptmann jedenfalls – und ich glaube, wir alle hier vertreten ja die Länderinteressen –, also für Peter Kaiser, ist diese Form der FPÖ-Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?-Politik – das passt jetzt ganz genau dazu – schon beinahe beängstigend moralbefreit. Kurz spannt die FPÖ zur Befriedung von Konzerninteressen vor seinen Karren und wedelt mit der Zigarette. Strache wirft dafür sämtliche Prinzipien und Versprechungen über Bord. Österreich kommt dabei unter die Räder. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51

Präsident Reinhard Todt: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Beantwortung der Anfrage hat sich die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu Wort gemeldet. – Bitte.