14.09.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Danke für Ihre Anfragebeantwortung. Ich möchte zu­nächst auf Ihre Einleitung zu sprechen kommen. Ich möchte nicht respektlos sein, dennoch war die Einleitung eine Themenverfehlung, denn der Titel der Dringlichen Anfrage lautet „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“. Das wäre also schon einmal eine Themenverfehlung.

Zum Zweiten: Sie haben in Ihrer Einleitung über die Notwendigkeit und Wichtigkeit gesprochen, mit der Welt Handel zu treiben. Ich kenne niemanden – ich glaube, auch nicht die FPÖ –, der gegen den Handel wäre. Handel, Warenaustausch ist die Grund­lage für Wohlstand, ist die Grundlage für Entwicklung, für all das, was Sie zu Beginn Ihrer Rede so breit ausgeführt haben. Ich kenne niemanden, der eine andere Meinung hat – wenn jemand eine andere Meinung hat, soll er aufzeigen. Das waren also meiner Meinung nach viele umsonst gesprochene Sätze, denn das ist einfach etwas völlig Unbestrittenes.

Die dahinterstehende Frage ist eine ganz andere: Es geht dabei auch darum, die Wahrheit innerhalb der Regierungskoalition zu erkunden. Sie werden sich wahrschein­lich wundern, was ich jetzt sage: Ja, es ist das modernste Freihandelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat – das haben wir auch immer wieder gesagt –, weil es einfach ein modernes Abkommen ist. Dass Moderne daran sind die Nachhaltig­keits­aspekte, die also sehr wohl zu einem Gegenstand in Handelsverträgen werden kön­nen. Handel sollte insgesamt nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erfolgen, in dem Sinne, dass man Parameter anlegt. Zum Beispiel wurde das ILO-Übereinkommen, also das Arbeitsübereinkommen mit unterzeichnet. Soziale, ökologische und gesund­heit­liche Standards müssen in den jeweiligen Erzeugerländern eingehalten werden. Da muss man einfach sagen: Das ist etwas sehr Modernes, etwas sehr Spannendes.

Ein Abkommen, das auch in der Pipeline ist – ich befürchte, Sie sagen dazu Ja – ist das Mercosur-Abkommen, bei dem wir all diese Nachhaltigkeitsgrundsätze versäumen und verfehlen. Das ist aber ein anderes Thema, und wir werden sicherlich Gelegenheit haben, über Mercosur, über die Mexiko-Nachbesserung und anderes hier ganz aus­führ­lich zu sprechen.

Kehren wir jetzt zu diesem Abkommen zurück! Seitens der FPÖ wurde ja erklärt – vom Herrn Klubobmann, von Herrn Hofer, vom Herrn Parteivorsitzenden und Vizekanzler –, die FPÖ hätte diesem Abkommen die Giftzähne gezogen, seit sie in der Regierung ist. Sie aber sagen: Seit dem 30.10.2016 hat sich an diesem Abkommen nichts mehr ge­ändert. – Frau Bundesministerin, Sie haben völlig recht! Ich kann das auch noch unter­streichen, denn Herr Professor Obwexer, der Europarechtsexperte von der Universität Innsbruck, den auch die Regierung befragt, sagt, seit 2016 hat sich am Ceta-Abkom­men nichts mehr geändert. 2017 aber hat die FPÖ noch gesagt, dieses Abkommen muss einer Volksabstimmung unterzogen werden. Das entsprechende Plakat, die ent­sprechende Ankündigung haben wir vorhin gesehen.

Also Giftzähne hat hier keiner mehr gezogen, außer dass es eine Initiative der öster­reichischen Bundesregierung und des damaligen Bundeskanzlers gegeben hat, die­sem Abkommen bei der Unterzeichnung im Oktober 2016 eine Art Beipackzettel bei­zufügen. Und darin ging es eben genau darum, diese Konzernklagen, die damals noch Schiedsgerichte hießen, zu verhindern. (Bundesrat Steiner: Falsch!)

Ihr müsstet überhaupt ein bissel leiser sein, denn eure Giftzähneziehgeschichte ist mittlerweile schon irgendwo als Luftballon an der Decke zerplatzt. Ich würde da jetzt nicht laut: Falsch!, schreien, wenn ich in Wahrheit gar nicht mehr in den Spiegel schauen könnte. (Bundesrat Samt: Sparen Sie sich Ihre Belehrungen!)

Gut, kehren wir zum Hauptthema zurück! – Was hier jetzt passiert, ist ja, dass mit die­ser Zustimmung, die nicht einmal das EuGH-Erkenntnis im Verfahren, das bereits eingeleitet ist, abwartet, genau dieser Bereich der sogenannten Sondergerichte be­schlossen wird. – Sie haben gesagt, Sie wollen das nicht Konzerntribunale nennen, es sind Sondergerichte. Sie selbst haben gesagt, wie hervorragend das industrialisierte Kanada zu Europa passt. Ich kann das nur bestätigen, auch ich kenne Kanada und Europa. Da kommen zwei hochindustrialisierte Regionen zusammen und treiben Han­del, mit Rechtssicherheit im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und so weiter. Diese Gerichte wären also nicht nötig, aber man folgt offenbar einem Trieb, Konzernför­de­rung zu betreiben. Sie haben ja auch in erster Linie Konzerne als Beispiele gebracht.

Übrigens nur so nebenbei: Die Chlorhuhndebatte wurde zu Ceta nie verwendet; die kenne ich nur aus der TTIP-Diskussion. Aufgrund der Standards, die mit Kanada vereinbart wurden, war das nie Gegenstand irgendeiner Diskussion. Man soll einfach nicht irgendwelche Dinge miteinander vermischen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Sie rufen immer so heraus, wobei das Interessante ist - - (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, ich sage, ist ja gut. Rufen wir heraus! Die Debatte soll ja lebendig sein. Darf ich noch einmal kurz an etwas erinnern? – Im Herbst letzten Jahres gab es im Nationalrat einen interessanten gemeinsamen Beschluss von SPÖ und FPÖ, und der hat genau das zum Inhalt gehabt, wovon wir jetzt reden, nämlich keine Sonder­gerichtsbarkeit, und genau das haben Sie damals mitgetragen: keine Sondergerichts­barkeit von außerhalb, keine Konzernklagerechte. (Bundesrat Mayer: Das ist schon weg!) Das ist eben nicht weg!

Ich brauche keine Handelsgerichte. Das sind Märchen, die hier erzählt werden, und das sagen euch alle Experten und Expertinnen des Europarechts. (Bundesrat Steiner: Eure Experten!) Eure! Das sind nicht unsere Experten. All diese Konzernrechte sind für Klagen außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit drin. Man meldet sich nicht bei einem Handelsgericht, man meldet sich nicht bei einem Bezirksgericht, man meldet sich nicht bei einem Landesgericht, sondern es wird ein Spezialgericht angerufen.

Und schauen Sie sich einmal die Kosten an, die in einem solchen Fall schlagend werden! Für solche Klagen gibt es bereits hoch spezialisierte Anwaltskanzleien. Wir wissen das von einem Fall, bei dem pro Jahr Kosten von über 500 000 Euro anfallen. – Ob ich gewinne oder nicht, ich muss mich ja als Land verteidigen! Und Sie können es nicht leugnen: Es ist und bleibt eine Sonderform von Gerichtsbarkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, ich weiß, ihr habt politisch einen Bauchfleck gemacht, ihr habt eure Versprechen gebrochen. Ich weiß, das tut weh, aber ich will jetzt einmal ein bissel mehr.

Eure Bauchfleckgeschichte ist eure Geschichte. Entsprechend finde ich es ja immer interessant, was ihr alles auf euren Homepages macht: Wir haben seit Regierungs­antritt das Ceta-Abkommen qualitativ verändert!, Es gibt keine Giftzähne mehr!, wir aber hören die ganze Zeit, dass nichts geschehen ist. Es stammt alles vom Oktober letzten Jahres, und ihr habt inzwischen auf Basis dessen, was vorliegt, mit uns die Forderung abgestimmt, die wir erhoben haben. Nichts anderes liegt heute vor, und ihr beschließt es.

Philip Morris klagt Australien jetzt wegen der Raucherbestimmungen. Da habt ihr euch wohl gedacht, wir stimmen jetzt zu, aber gleichzeitig können wir ein bissel rauchen, damit wir keine solche Klage bekommen, weil Philip Morris dann nicht klagen wird. Es werden vielleicht andere klagen. Das ist die höhere Mathematik, die höhere Logik. Ich wünsche euch mit dieser Form der Regierungszusammenarbeit viel Glück.

Nun aber noch einmal zu Ihren Ausführungen, Frau Bundesministerin! Was Sie am Anfang gesagt haben, ist ja alles richtig. Ich danke für Ihre Offenheit; man erlebt ja nicht immer so viel Offenheit vonseiten der Regierungsbank. All die Firmen, die Sie genannt haben, treiben bereits derzeit mit Österreich Handel, und österreichische Fir­men mit Kanada: Was hindert uns denn daran, weiterhin diesen Handel zu treiben? Stand Bombardier vor dem Abzug aus Österreich? Standen unsere österreichischen Firmen - - (Bundesrat Mayer: Abbau von Zöllen, Kollege Schennach!) Aha, also Abbau von Zöllen, aber muss man deshalb gleich Sondergesetze erlassen?

Wir haben ja gerade gehört, dass sich der Handel und die Zusammenarbeit zwischen Kanada und Österreich in einer Weise entwickelt haben, dass Kanada am achten Platz liegt. Es steht also überhaupt nicht diese Dramatik im Raum, dass man jetzt huschi-pfuschi in etwas hineinrennen muss, was vielleicht der Europäische Gerichtshof in kürzester Zeit völlig anders sieht.

Nun kommen wir zu einem Bereich, den auch Edgar Mayer angesprochen hat. Ich weiß ihn da immer auf meiner Seite. Es ist ja auch von der Frau Bundesministerin gesagt worden: Na, in diesem Bereich haben wir auch das Elektrizitätswesen und das Sanitätswesen drinnen. Wir kommen hier also schon tief in die Daseinsvorsorge hinein. Im Oktober 2016 – das kann man ja hier auch sagen – haben wir schon gewarnt, wir haben das diskutiert, wir haben unsere Kritik an Ceta und den Druck, der auf der Daseinsvorsorge lastet, formuliert.

Im Oktober 2016 war einer der großen Erfolge des Bundesrates, dass zum Beispiel die Sanitätsdienste ausgenommen wurden; die Spitäler wurden aber nicht ausgenommen. Über das Wasser brauchen wir sowieso gar nicht zu reden, das ist hier nicht Ge­gen­stand. Gegenstand ist aber sehr wohl, dass durch das Kippen in diesem Ab­kom­men in Zukunft ein unglaublicher Druck auf alle kommunalen Dienstleistungen entstehen wird, denn kommunale Dienstleistungen sind in Kanada in erster Linie private Dienstleis­tungen.

Kollege Mayer, ich weiß nicht, ob du damals mit dabei warst, als wir einmal in einem Aufzug gesteckt sind. Da haben wir gemerkt, was es heißt, wenn es in einem Land keine kommunalen Dienstleistungen gibt, nach eineinhalb Stunden und in schon etwas angespannter Stimmung zwischen den Eingesperrten im Aufzug. Es gab eine private Firma, aber die private Firma war nicht vorhanden, es gab eine Feuerwehr, die in dem Fall ebenfalls privat war, sie hatte keinen Vertrag mit diesem Haus, in dem die österreichische Delegation fast zwei Stunden in einem überhitzten Lift ohne Getränke gesteckt ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Ohne Rauchen!) Das sind genau diese Dinge, die man nicht anders kennt, die wir als den Segen kommunaler Dienstleistungen betrachten, und genau auf diese wird jetzt Druck ausgeübt, und das ermöglicht ihr heute mit eurer Zustimmung. (Bundesrat Schuster: Jetzt sind wir schuld, dass der Aufzug stecken geblieben ist! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Das heißt, unsere Gemeinden, unsere Städte geraten da unter einen massiven Druck! Ihr könnt Nebelgranaten werfen oder auch nicht – das ist eine Tatsache!

Die zweite Tatsache ist, dass es keine Giftzähne gibt, die die FPÖ gezogen hat, weil sich das Abkommen seit 2016 nicht verändert hat. Hört mit euren Märchen auf, ihr könnt hier niemandem mehr Sand in die Augen streuen! Die Volksabstimmung, die ihr versprochen habt, die ihr plakatiert habt, findet nie statt, denn wenn überhaupt jemals, dann wird die direkte Demokratie am Ende dieser Regierungszusammenarbeit in irgendeinem Stück ausgebaut. Ich glaube es nicht. Es tut mir leid, dass heute diese Zustimmung - - (Ruf bei der FPÖ: Heute passiert gar nichts!) – Heute nicht, aber wir hoffen, dass diese Debatte dazu beiträgt, dass man vielleicht noch im Nationalrat darüber nachdenkt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

14.23

Präsident Reinhard Todt: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Bundesrat Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.