12.40.27

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause! Wenn nicht zwischendurch Herr Buchmann gesprochen hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich bis jetzt schon zu Tode gefürchtet und könnte gar nicht mehr da stehen. Da kriegt man ja schon fast Angst vor dem Rechtsstaat, wenn man diese Panikmache vor den Schiedsgerichten hört. Es wird auch immer wieder betont, dass das völlig neu ist, dass es erstmals diese Schiedsgerichte gibt. – Ja, in dieser Form ist es erstmalig.

Die Erläuterungen der Beamtin vorgestern im Ausschuss, die wirklich sehr klar, leicht verständlich und gut waren, scheinen spurlos an manchen in diesem Hause vorüber­gegangen zu sein. Wir haben nämlich dort auch gehört, dass wir bereits seit Langem über 60 solcher Schiedsgerichte haben, bilateral oder indirekt über die EU, nur mit einem großen Unterschied: Bei diesen werden die Richter von den Streitparteien be­stimmt. Und in diesem Fall wird erstmals ein Modell umgesetzt, nach dem diese Inves­titionsgerichte unabhängig, unparteiisch und ständig eingesetzt sind und die Verfahren nach den Grundsätzen internationaler Gerichtshöfe wie beispielsweise des Europä­ischen Gerichtshofes für Menschenrechte – ich glaube nicht, dass Sie den anzweifeln wollen – abgehandelt werden. (Bundesrätin Dziedzic: Es gibt noch keine entsprechen­den Entscheidungen, die kommen erst Ende des Jahres! Das wissen Sie!) Die Qua­lifikation der dortigen Richter muss der entsprechen, die auch die anderen Richter haben. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass im Rechtsmittelverfahren noch Fehler berichtigt werden. Es gibt auch eine zweite Instanz.

Nicht umsonst sagt die EU: Das soll ein Modellfall für alle zukünftigen Freihandels­abkom­men werden. Wir haben, wie gesagt, bereits seit Langem zahlreiche Schieds­gerichtsregelungen, die, wenn man es sich in der Praxis anschaut, auch nicht so fürchterlich sein können, obwohl sie wesentlich schlechter sind als das hier. Bisher gibt es, wurde uns gesagt, zwei Verfahren, in die Österreich involviert ist, diese sind aber nicht abgeschlossen, sondern laufen noch. In den Medien liest man eigentlich nichts darüber, also so grauenhaft kann das Ganze wohl nicht sein. (Bundesrätin Dziedzic: Der EuGH hat erste Zweifel angedeutet! Das wissen Sie!) Und so wird hier Panik, werden Ängste geschürt vor Konstrukten, die real so überhaupt nicht existieren.

Es ist auch die Frage aufgetaucht: Warum machen wir das mit Kanada? Kanada hat ja einen hohen Rechtsstandard. – Erstens einmal gibt es natürlich Materien, die bei natio­nalen Gerichten gar nicht durchsetzbar und klagbar sind, weil die Vereinbarungen, die da getroffen werden, von den nationalen Gesetzen nicht geregelt sind, sondern Teil des Abkommens sind; daher könnte man da gar nicht aktiv werden. Zweitens ist es so, dass man nicht unterscheiden soll zwischen Ländern, die hoch entwickelt sind, Län­dern mit einem hoch entwickelten Rechtsstaat und jenen Ländern, über die man sagt, die sind schlechter entwickelt, dort besteht keine Rechtssicherheit. Das ist näm­lich dis­kriminierend und stellt schon von Haus aus allfällige Gespräche unter einen schlechten Stern. Wenn ich heute sage, mit Kanada brauchen wir kein Abkommen über Inves­titionsschutz, mit China sehr wohl, so ist das ein Gesichtsverlust für die Chinesen, und es ist ja nach diesem Modell bereits eines mit Singapur abgesprochen worden.

Es ist mit diesem Verfahren auch ausgeschlossen, dass andere Konzerne aus anderen Staaten indirekt über Briefkastenfirmen sozusagen Klagsrecht bekommen, weil nach­gewiesen werden muss, dass beim jeweiligen beteiligten Vertragspartner eine wirt­schaftliche Tätigkeit gegeben ist.

Die üblichen Panikmachereien – soziale Sicherheit, Arbeitsschutz, Umweltschutz und Wasser wären in Gefahr – sind samt und sonders nicht begründbar. Es ist beispiels­weise im Bereich der sozialen Sicherheit ausgeschlossen, Pflichtsysteme, also unser Sozialversicherungssystem, in irgendeiner Weise anzugehen. Es sind auch hinsichtlich Arbeitsschutz und Umweltschutz Lockerungen zur Erlangung von Wettbewerbs­vor­teilen durch einzelne Firmen oder Unternehmungen ausdrücklich ausgeschlossen. Der berühmte Fall Philip Morris, der im Bereich Gesundheit immer zitiert wird, ist mittler­weile eigentlich entschieden, weil er abgewiesen wurde.

Es wird auch immer wieder die Frage gestellt: Warum die Ratifizierung jetzt, warum warten wir nicht auf den EuGH-Entscheid? – Erstens ist es so, dass alle Experten, Rechtsexperten sagen, dass das relativ wenig Aussichten hat, dass der EuGH erklärt, dass das nicht EU-rechtskonform sei. Und so schnell sind wir auch wieder nicht: Wir sind das zwölfte Land innerhalb der EU, liegen also durchaus im Mittelfeld.

Dann kommt klarerweise gebetsmühlenartig immer wieder der Vorwurf, dass wir uns gedreht haben, dass wir umgefallen wären. – Ja, es ist schon richtig, das streitet auch niemand ab, dass eine Mehrheit in unserer Partei von den Schiedsgerichten nicht begeistert war und eine Volksabstimmung bevorzugt hätte; aber wie auch alle wissen sollten, hat es mittlerweile eine Wahl gegeben, und diese Wahl hat die Chance eröffnet, endlich die Politik des Stillstands, der Blockade und des Streits zu beenden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Genau das ist das Wichtige!)

Sie wissen auch, dass dieses Thema eine Koalitionsbedingung seitens der ÖVP war, daher haben wir aus staatspolitischer Räson und Verantwortung für unser Land und seine Menschen gehandelt. Wir von der FPÖ haben nicht 50 Prozent plus eine Stim­me, das heißt, in der Situation, in der wir uns beide befinden, ist Kompromiss­bereit­schaft notwendig. Jede ehrliche und verantwortungsvolle Abwägung – Herr Bürger­meister und Landeshauptmann Ludwig hat heute schon gesagt: Gefahren erkennen und Chancen wahrnehmen – hat ergeben, dass die möglichen Gefahren, die durch Ceta drohen, eher abstrakt sind und unterm Strich mit dieser unserer Koalition ein großes Plus für unser Land und seine Menschen herauskommt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Lassen Sie mich abschließend noch eine generelle Bemerkung machen: Die Ge­schichte lehrt, dass Freihandelsabkommen unterm Strich für alle beteiligten Parteien immer einen Wohlstandszuwachs bedeuten. Und es wäre auch kleinlich, zu sagen, der eine profitiert ein bissel mehr, der andere weniger; das wäre eine Neiddebatte. Gerade der handelspolitische Amoklauf, wenn ich es so bezeichnen darf, des Präsidenten Trump in der letzten Zeit zeigt, wie wichtig dieses Abkommen und faire Abkommen mit verlässlichen Partnern für die Zukunft sind. Wenn damit bis zu 15 000 Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden können, so können wir diesem Abkommen mit gutem Gewissen zustimmen.

Ich glaube, es wird niemand, kein Bürger irgendeinen Nachteil durch das Abkommen erleiden, aber sehr, sehr viele Menschen und ihre Familien, nicht nur die in den Be­trieben, werden davon profitieren. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.49

Vizepräsident Ewald Lindinger|: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.