14.36.55

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir sind uns ja nicht so oft einig, aber ich glaube, bei einem Thema schon. Dieses betrifft die digitale Entwicklung, die Transformation, die uns bevorsteht. Da, das wissen wir alle, ist es eine große Aufgabe des Staates, auch von uns, diesen Prozess aktiv zu gestalten und nicht einfach zu vernachlässigen, denn zum einen bietet er große Chancen, beispielsweise neue Arbeitsplätze und neue Unternehmen zu schaffen, zum anderen aber auch eine Chance, das Alltagsleben von Bürgern und Bürgerinnen zu vereinfachen.

In Österreich gibt es da noch einiges zu tun. Ich möchte nur ein paar Punkte nennen, wie zum Beispiel die flächendeckende Versorgung mit Hochleistungsinternet oder – jetzt aktuell – vermehrte Umschulungs- und Bildungsangebote, um den Arbeitneh­merInnen die Qualifikation für die Arbeitswelt von morgen zu erleichtern. Wir brauchen auch eine flächendeckende Medienbildung in der Schule, aber auch Kompetenzen in der Ausbildung von Pädagogen und Pädagoginnen, genauso wie Maßnahmen gegen Hass im Netz. Dann gibt es natürlich noch eine Reihe von rechtlichen Rahmenbedin­gungen, beispielsweise betreffend den Datenschutz, die Sicherheit, den Konsumen­tenschutz oder auch klare Regeln zu Big Data.

Einige dieser Punkte sind in diesem Bericht enthalten, das möchte ich hier gleich vor­weg­nehmen, aber einige Antworten der Regierung auf diese aktuellen Entwicklungen sind, wie ich finde, doch eher von gestern. Ein großer Teil der Befürchtungen nämlich, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung stehen, betrifft ja die konkreten Aus­wir­kungen auf den Arbeitsmarkt. Unzweifelhaft wird sich dieser durch den digitalen Wan­del ändern. In gewissen Bereichen wird es zu Rationalisierungen und Automatisie­rungen kommen, und es werden Arbeitsplätze wegfallen. Andererseits wieder werden, wie auch bei anderen bahnbrechenden technologischen Entwicklungen, neue Tätig­keits­felder entstehen und somit auch Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen bieten.

Der Ort und die Zeit der Tätigkeiten werden flexibler, auch da sind wir uns einig. Dies bringt aber nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile und Gefahren hinsichtlich der Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Das sehen wir jetzt an der aktu­ellen Debatte rund um den 12-Stunden-Tag.

Der technologische Wandel und die Digitalisierung der Arbeitswelt bringen enorme Pro­duktivitätsgewinne – auch das wissen wir –, aber die Arbeitszeit der Arbeitnehmer wurde seit über 40 Jahren nicht verkürzt.

Wir wissen, gerade Frauen würden von einer Arbeitszeitverkürzung und nicht ‑verlängerung enorm profitieren. (Bundesrat Längle: Dann ist aber keine Gleichberechtigung mehr gegeben!) Aber, und das wird uns auch im Bundesrat noch beschäftigen, anstatt dass die Regierung aufgrund der Digitalisierung eine Verkürzung auf 30, 35 Stunden anpeilt (Bundesrätin Mühlwerth: Na sicher, womöglich bei vollem Lohnausgleich!), möchte sie demnächst eine 60-Stunden-Woche beschließen. – Ja, so ist das.

Die Frauenministerin – auch das sei erwähnt, denn da merkt man den Unterschied in unseren Schlussfolgerungen, nämlich darüber, welche Chancen die Digitalisierung bietet – hat letztens in der Fragestunde des Nationalrates leider etwas gesagt, was einem eigentlich nur zum Kopfschütteln bewegen kann, nämlich dass das gerade für Frauen eine Chance bietet, da sie ja Telearbeit machen können. Sie übersieht dabei vollkommen, dass die unbezahlte Betreuungsarbeit Arbeit ist und keine Nebenbe­schäf­tigung neben der Erwerbsarbeit.

Im Vorwort des Berichtes, das möchte ich schon noch erwähnen, steht Folgendes: „Unser Ziel muss sein, dass Österreich zur Gruppe der europäischen Innovations- und Digitalisierungs-Leader aufsteigt. Das schaffen wir nur durch eine bestmögliche Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen – vom Start-up bis zur Industrie.“ – Die digitale Zukunft muss, das dürfen wir bei diesem einseitigen Fokus nicht vergessen, auch sozial gerecht gestaltet werden. Sie können sich gerne – ich glaube, alle haben es bekommen – Anregungen dazu im Grünbuch holen, das von Präsident Reinhard Todt nach den Diskussionen zum Thema Digitalisierung publiziert worden ist.

Wir wissen, diese betrifft nicht nur alle Lebensbereiche, sondern auch alle Politik­bereiche, und wir haben es in einer globalisierten, in einer differenzierenden Welt mit sehr vielen Unsicherheiten in der Bevölkerung zu tun. Umso wichtiger ist es, diesen Wandel, diese Transformation so zu gestalten, dass die sozialen Probleme, die un­gleichen Machtverhältnisse oder die Defizite im Bildungssystem nicht noch vertieft werden. Ich glaube, darin liegt die größte Herausforderung.

Wir brauchen deshalb nicht nur Innovation, sondern auch soziale Verantwortung. Wir müssen das bildungspolitische und demokratische Potenzial von Digitalisierung be­wusst nutzen. Wir benötigen digitale Kompetenz am Arbeitsmarkt, aber genauso digi­tale Bildung an Schulen. Ich hoffe sehr, dass sich die ÖVP-FPÖ-Regierung für einen fairen Zugang zu genau diesen Ressourcen, die die Digitalisierung bietet, einsetzen wird und die soziale Komponente dabei nicht ausblendet. Die Chance der Digita­lisierung wird nämlich dann zum Risiko, wenn Menschen abgehängt werden und wir Verlierer produzieren.

In diesem Sinne: Gestalten wir die Digitalisierung aktiv mit und nehmen wir dabei möglichst viele mit! Unsere Art des Wirtschaftens, darauf müssen wir schauen, gerade in diesem digitalen Zeitalter darf nicht zu Ausbeutung und noch mehr Ausgrenzung führen, sondern muss zu mehr Chancengerechtigkeit für alle führen. Dieser Zugang fehlt mir noch ein wenig, sowohl im Bericht als auch in den bisherigen Redebeiträgen.

Kollege Koller hat zu Recht die EU-Ratspräsidentschaft angesprochen. – Während dieser wäre eine große Chance gegeben, sich nicht nur die Handelshemmnisse anzuschauen, um den Binnenmarkt zu stärken, sondern sich auch für den sozialen Frieden in ganz Europa einzusetzen. Ich glaube, nur wenn wir diese beiden Ebenen zusammen denken, wird es uns gelingen, dass die digitale Transformation tatsächlich eine Chance für uns alle sein wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke. – Auf der Zuschauergalerie darf ich eine Klasse der Neuen Mittelschule Dornbirn ganz herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.