9.26.26

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Zu­nächst sei auch mir gestattet, dir, liebe Präsidentin, sehr herzlich zu gratulieren, näm­lich zur Präsidentschaft ganz allgemein und auch zu deiner heutigen sehr eindrucksvol­len Antrittsrede. Alles Gute jedenfalls auch von mir! (Allgemeiner Beifall.)

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Wir haben, wie ich meine, heute ei­ne spannende Aktuelle Stunde zum Thema Wissenschaftsstandort Österreich. Im inter­nationalen Vergleich zeigt sich eindeutig, dass besonders jene Länder und Regionen wirtschaftlich profitieren und im globalen Wettbewerb bestehen können, die einen An­ziehungspunkt für Wissenschaft und Forschung darstellen.

Wichtige Grundvoraussetzung dafür sind natürlich erstklassige Universitäten und Hoch­schulen, aus denen bestausgebildete Jungakademikerinnen und -akademiker sowie Jung­wissenschaftler hervorgehen können. Daher werde ich mich an dieser Stelle besonders diesem Bereich widmen.

Zunächst zum Positiven – meine Vorrednerin hat es auch schon angesprochen –: Auf Betreiben und Drängen der SPÖ wurde immerhin für die kommende Leistungsverein­barungsperiode 2019 bis 2021 eine Erhöhung des Universitätsbudgets um 1,35 Millio­nen Euro (Rufe bei der ÖVP: Milliarden!) beschlossen – so weit, so gut. Berücksichtigt man den Inflationsausgleich von rund 840 Millionen Euro, so bleibt immerhin ein reales Plus von 510 Millionen Euro pro Jahr.

Dieses Budgetplus hätte eine wichtige Absicherung dargestellt, um Studienplätze aus­zubauen und damit auch Betreuungsverhältnisse mittels Erhöhung der Anzahl an Pro­fessuren weiter zu verbessern, doch dann wurde im Februar die Novelle zum Univer­sitätsgesetz beschlossen. Dazu gibt es nicht nur seitens der Sozialdemokratie einige Kritik, beispielsweise auch der Betriebsrat der WU hat sich hierzu in etlichen Punkten kritisch geäußert.

Einer unserer Kritikpunkte war und ist noch immer die neu eingeführte Studienplatzbe­schränkung. Im Gesetz steht – ich zitiere –: „effiziente, kapazitätsorientierte Zugangs­regelungen“. Das klingt auf den ersten Blick recht sympathisch, aber schauen wir uns die Auswirkungen aufgrund dieser Zugangsbeschränkungen in Zahlen einmal genauer an.

Wir haben ein Minus von 1 000 Plätzen in der Psychologie, minus 1 200 Plätze in den Erziehungswissenschaften, minus 4 300 Plätze in den Rechtswissenschaften, immer­hin ein Plus von 300 Plätzen in der Informatik zu verzeichnen. Das ist angesichts der Bedeutung der Digitalisierung, über die wir gestern schon ausführlich gesprochen ha­ben, auch nicht unbedingt richtungsweisend. Insgesamt ist das also ein Minus von über 6 000 Studienplätzen pro Jahr per Gesetz, und fast 19 000 per Gesetz über die ge­samte Leistungsvereinbarungsperiode bis zum Jahr 2021.

Naturgemäß wird das immense Verdrängungseffekte hin zu Studienfeldern im FH-Be­reich, bei den pädagogischen Hochschulen und bei privaten Bildungseinrichtungen zur Folge haben. Dieses Delta wird aber unmöglich zur Gänze von diesen aufgefangen werden können, so ehrlich müssen wir sein.

Die Folge ist naturgemäß ein steigender Zustrom zu bis dato unbeschränkten Studien­richtungen, und das wird wiederum die Möglichkeit der Zugangsbeschränkungen durch Verordnung nach § 71 schlagend werden lassen. Das heißt, Universitäten werden, um über genügend finanzielle Mittel für die verbleibenden Studienplätze zu verfügen, auch hier kapazitätsorientierte Zugangsregelungen einführen müssen.

Was bedeutet das in der Realität? Wir kommen so über die gesamte Leistungsverein­barungsperiode auf geschätzte 20 000 Studienplätze weniger, die zur Verfügung ste­hen. Das sind in Summe etwa ein Fünftel aller Studienanfängerinnen und -anfänger.

Es gibt außerdem keine Maßnahmen zur Unterstützung sozial schwacher Studieren­der. Der § 13 UG ist dahin gehend alles andere als konkret, wenn es relativ lapidar heißt, dass Maßnahmen in den Leistungsvereinbarungen zu entwickeln sind – was auch immer man sich unter dieser Formulierung vorstellen darf.

Es gibt keine gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen zur Unterstützung beispielsweise von First Academics, von Mentoringprogrammen oder der Vereinbarkeit von Studium und Beruf, ganz im Gegenteil. Ich darf an diverse Wahlslogans der ÖVP, auch bei uns in Niederösterreich, erinnern, in denen es geheißen hat: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“ oder „Leistung muss sich wieder lohnen!“. (Ruf bei der ÖVP: Rich­tig! – Bundesrat Mayer: Das ist der beste Slogan!) Dieses Zitat ist auch nach der Land­tagswahl immer wieder sehr intensiv bemüht worden.

Insofern ist es für mich aber schon sehr zynisch, dass ausgerechnet berufstätige Stu­dierende nun Studiengebühren zu zahlen haben. Das heißt, Studierende, die neben dem Studium arbeiten, um sich eben dieses Studium finanzieren zu können, um sich in Wahrheit ein ordentliches Leben neben dem Studium finanzieren zu können, werden für diese Doppelbelastung auch noch entsprechend bestraft.

Zuletzt hätten die Regierungsparteien noch die Chance gehabt, diese de facto verfas­sungswidrige Bestimmung bis zum Ablauf der Frist des VfGH in diesem Bereich zu re­parieren – das ist nicht passiert. Somit werden im Herbst zumindest 25 000 Studieren­de zur Kassa gebeten. Aus unserer Sicht ist das eine absolute Katastrophe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wagen wir doch einmal einen kurzen internationalen Blick: Österreich liegt im OECD-Schnitt bei den Studienanfängerinnen und -anfängern eines Jahrgangs mit rund 43 Pro­zent lediglich auf dem 27. Platz und EU-weit an 18. Stelle. In Wahrheit gibt es also, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind, nicht zu viele Studierende, sondern schlicht und einfach zu schlechte Studienbedingungen, und die Bundesregierung ist in der Ver­antwortung, diese zu verbessern. (Bundesrätin Schulz: Das machen wir!) Ich hoffe, wir werden von Ihnen, Herr Minister, noch genau hören, ob und inwiefern Sie da Maß­nahmen setzen werden. Ich werde jedenfalls gut zuhören. (Zwischenruf des Bundesra­tes Mayer.)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist jedenfalls ein klares Bekennt­nis der Bundesregierung zu einer ausreichenden Hochschulfinanzierung ganz ent­scheidend. Es braucht eine Verbesserung der Betreuungsverhältnisse, und zwar nicht durch eine sukzessive Reduktion von Studienplätzen, sondern durch mehr Professu­ren. Es muss besser und leichter möglich sein, Studium und Beruf zu vereinbaren, oh­ne finanziell dafür bestraft zu werden. Es braucht außerdem mehr Maßnahmen zur so­zialen Durchmischung im Studienbereich und ein ganzheitliches Konzept für die Wei­terentwicklung des gesamten tertiären Sektors. Dazu gehört für uns auch ganz be­sonders der Ausbau an Studienplätzen im Mint-Bereich, also in den Bereichen Mathe­matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, denn wir wissen, die Nachfrage an qualifizierten Arbeitskräften in diesem Bereich ist ganz besonders hoch und muss gestillt werden.

Unserer Meinung nach ist im Sinne einer Bildungs- und Chancengerechtigkeit der glei­che und daher gebührenfreie Hochschulzugang für alle ganz wesentlich. Bildung ist ein Menschenrecht, ich glaube, darüber sind wir uns einig, daher kann und soll das auch für den tertiären Bildungsbereich gelten.

Abschließend kann ich sagen, Österreich kann es sich nicht leisten, auf Talente, auf un­ser größtes Kapital, nämlich das Wissen, zu verzichten. Daher bin ich schon sehr ge­spannt auf Ihre Ausführungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

9.34

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte.