9.45.18

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Vorrednerinnen und Vorredner! Herzlichen Dank für Ihre Statements. Frau Mag. Schulz, danke für Ihre elegante Weiterleitung der Wünsche der Johannes Kepler Universität. Ich glaube, Sie sind eine gute Vertreterin Ihres Bundeslandes, und die Botschaft, die Sie hier gesendet haben, ist auch angekommen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, danke auch für Ihre Einleitungsrede. Ich teile vollkom­men Ihren Stolz auf die Entwicklung der österreichischen Bildungslandschaft. Wir ha­ben flächig verteilte Volksschulen, die für eine solide Grundlage der Qualifikationsent­wicklung unserer Kinder sorgen. Wir haben hervorragend aufgestellte berufsbildende mittlere und höhere Schulen, die nicht nur für eine theoretische Ausbildung sorgen, sondern auch für eine praktische Ausbildung. Wir haben ein gut entwickeltes duales System der gewerblichen Ausbildung, welches für eine vergleichsweise niedrige Ju­gendarbeitslosigkeit in Österreich sorgt und gerade für Jugendliche mit Migrationshin­tergrund das Hineinwachsen in die Mehrheitsgesellschaft erlaubt und fördert. Wir ha­ben unsere Gymnasien, die – das sage ich offen – vergleichsweise billig sind und für ausgezeichnet ausgebildete Absolventen und Absolventinnen sorgen. Wir haben unse­re Fachhochschulen, denen es auch hervorragend gelungen ist, eine neue Form der akademischen Ausbildung zu entwickeln. Und wir haben unsere Universitäten, die so­wohl in der Grundlagenforschung als auch in der Lehre ihr Bestes geben und auch in der Vergangenheit für eine erhebliche soziale Mobilität gesorgt haben.

Ich finde kein Argument, um in den Chor jener einzustimmen, die manchmal den Abriss unseres Bildungssystems und eine Neuerrichtung fordern. Ich bin für das Renovieren dort, wo es notwendig ist, aber nicht für das, was eben aufgrund eines manchmal vor­herrschenden politischen Populismus so leicht über die Lippen geht: Alles ist schlecht, es gehört abgerissen und neu errichtet! Das, glaube ich, trifft nicht auf das österreichi­sche Bildungssystem zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Mag. Pisec, Sie haben die Entwicklung insbesondere des Forschungsstandortes Österreich hervorgestrichen und auf Patente und Entwicklungen als Lokomotiven einer sozialen und auch ökonomischen Entwicklung hingewiesen, und Sie haben meiner An­sicht nach vollkommen zu Recht darauf hingewiesen. Wir haben immerhin seit 2005 un­sere Forschungs- und Entwicklungsausgaben – Forschungsquote heißt das technisch –, die Forschungsausgaben der öffentlichen und privaten Hand als Anteil am Bruttoin­landsprodukt von 2,4 auf 3,2 Prozent gesteigert. Wir geben jährlich 12,3 Milliarden Eu­ro für Forschung und Entwicklung aus – wir, das heißt zu einem Drittel die öffentliche Hand und zu zwei Dritteln die Unternehmen in Österreich.

Wir liegen im internationalen Vergleich hinsichtlich dieser entscheidenden Forschungs- und Entwicklungsquote hinter Schweden auf Platz zwei in Europa und weltweit auf dem siebenten Platz. Wir sind viel besser, meine Damen und Herren, als unser Selbst­bild es erscheinen lässt. Wir sind in den vergangenen Jahrzehnten zu einem For­schungsland geworden, aber keiner glaubt uns das – und die Forscher und Forsche­rinnen manchmal auch nicht. Das Klagen bleibt des Forschers Gruß, und die Opposi­tion stimmt in diese Klagen natürlich gerne ein: Die Regierung macht alles falsch, sie gibt zu wenig Geld aus, sie trocknet die Grundlagenforschung aus und insgesamt sind wir knapp vor dem Ende. Ich verstehe diese Argumentation im politischen Kontext, denn man muss auffallen und man muss um Aufmerksamkeit werben, aber wenn ich das real betrachte, gerade auch anhand dieser einigen wenigen Statistiken, die ich Ih­nen dargestellt habe, dann kann ich nur sagen, das ist für den Forschungsstandort Ös­terreich so nicht zutreffend. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Mag. Gruber, Sie haben zu Recht das Jahr 2018 als ein besonderes Jahr für Ös­terreichs Universitäten hervorgehoben. Nach jahrelangen Vorarbeiten ist es gelungen, mit der Hilfe von manchen Abgeordneten, nicht von allen, die Universitätsfinanzierung Neu zu beschließen. Wir haben damit eine noch nie da gewesene Steigerung des Uni­versitätsbudgets verzeichnen können und auch eine grundlegende Veränderung der universitären Finanzierungssystematik erreicht. Das haben meine VorrednerInnen auch betont. Insgesamt stehen den Universitäten für die kommende dreijährige Leis­tungsvereinbarungsperiode 11 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist das höchste Bud­get aller Zeiten. Das ist eine gute Neuigkeit. Ich weiß schon: good news is bad news, ich muss dennoch dieses Faktum wiederholen. Wir müssen das immer wieder betonen und wir können auch stolz sein auf diesen entscheidenden Schritt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der legistische Schlussstein zur Umsetzung dieses Paradigmenwechsels erfolgt nun mit der Universitätsfinanzierungsverordnung. Damit wird der budgetäre Rahmen für die einzelnen Universitäten weitgehend festgelegt. Wir haben noch so ein kleines Delta für Verhandlungen, Frau Kollegin, aber bringen Sie die Botschaft nicht zu optimistisch nach Linz, denn das Wesen einer indikatorenbasierten Finanzierung ist, dass sie eben auf Indikatoren basiert und nicht auf einem Verhandlungsprozess.

Wir verlangen von den Universitäten auch, dass sie strategische Schwerpunkte bilden. Wir wollen auch Anstrengungen sehen, dass sie das Studium, das Studieren erleich­tern. Wir legen großen Wert darauf – Frau Gruber, kein Dissens meinerseits –, dass das Studieren erleichtert wird, dass die Mint-Fächer ausgebaut werden, dass die so­ziale Dimension bei der Rekrutierung der Erstinskribenten und der Studierenden er­halten bleibt. Mir liegen die aktiven Studierenden sehr wohl sehr am Herzen, auch wenn mir das manchmal nicht abgenommen wird.

Frau Gruber, was auch noch zu betonen ist, ist eine wichtige - - (Rufe bei der SPÖ: Hahn! Hahn! – Bundesrätin Grimling: Hahn war es!) – Frau Hahn. I am very sorry. Ich habe mich an das formelle Programm gehalten. Aber ich habe in Ihre Richtung ge­blickt, und Sie haben genau gewusst, Frau Mag. Hahn, dass ich Sie anspreche. (Allge­meine Heiterkeit.) – Darf ich Sie noch auf etwas anderes aufmerksam machen, was im Bereich der Universitäten doch sehr wichtig ist und was auch gelungen ist? – Nämlich das Aufbrechen von bestimmten Standesgrenzen innerhalb der Universität.

Ich, wir kennen die Universitäten noch sehr gut mit ordentlichen Professoren – ich bin ein ordentlicher Professor; das hat aber nichts mit meinem Ordnungssinn zu tun, son­dern mit der Art und Weise der Berufung –, mit außerordentlichen Professoren und As­sistenten, und dazwischen gab es unüberwindbare Hürden, zwischen diesen einzelnen Gruppen an der Universität. Es gibt in Zukunft weiterhin berufene ordentliche Profes­soren, aber es gibt nun auch assoziierte Professoren und Assistenzen und es gibt, was ganz wichtig ist, Übergänge im System. Jemand, der als Assistent beginnt und über entsprechende Qualifikationen verfügt, auch entsprechende Qualifikationschecks über­steht, wird zum Professor, zum ordentlichen Professor. Sensationell – das ist auch eine Frage von sozialer Mobilität, das hat es bisher noch nicht gegeben; und das unbe­achtet von der Politik. Lassen wir es unbeachtet von der Politik, denn sonst werden vielleicht bestimmte Emotionen wachgerufen! Aber es ist hier ein wirklicher Paradig­menwechsel innerhalb der Personalstruktur eingetreten.

Darf ich vielleicht noch meinen letzten Punkt ansprechen? Die Frau Präsidentin hat mir 10 Minuten zugestanden, und ich weiß nicht - -

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eine halbe Minute haben Sie noch.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann| (fortsetzend): Eine halbe Minute habe ich noch? (Bundesrat Mayer: Wir sind großzü­gig!) – Ihr seid großzügig. Ich wollte nämlich noch zu meinem eigentlichen Thema zu sprechen kommen, nämlich zur Ratspräsidentschaft.

Sie haben ja schon gesagt, seit Juli sind wir Ratspräsidenten und -präsidentinnen, und das ist schon etwas. Wenn alles so bleibt, wie es ist, wird Österreich im Jahr 2032 noch einmal Ratspräsident werden. Ich werde dann 77 sein. (Bundesrat Mayer: Ich auch! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich hoffe, dass ich noch etwas von der nächsten Ratspräsidentschaft mitbekomme, wo auch immer ich dann sein werde. Ich persönlich werde zwei Ratsformationen zu leiten haben. Der eine Rat betrifft den Bildungsaspekt und der andere den Forschungsaspekt.

Beim Bildungsaspekt ist das Erasmusprogramm ein ganz zentraler Kern. Das Eras­musprogramm soll inklusiver, intensiver und internationaler werden. Mehr Schüler und Schülerinnen, mehr Studenten, mehr Lehrlinge – ganz besonders wichtig – sollen er­fasst werden. Sie sollen klarerweise eine Zeit lang an anderen Universitäten, Schulen, Ausbildungsstätten verbringen und dabei Sprachen und andere Kulturen kennenlernen und vielleicht auch persönlich ein Stückchen selbstständiger werden. Das ist ja auch eine ganz wesentliche Aufgabe von Mobilität. Insgesamt soll das derzeit noch unver­handelte Erasmusbudget von 14 Milliarden Euro auf 30 Milliarden steigen. Das ist eine ganz signifikante, von der Kommission vorgeschlagene Aufstockung. Ich halte das auch für ein ganz wichtiges und richtiges Signal an unsere Jugend, dass sie hier an Mobilitätsprozessen teilnehmen kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das zweite wichtige Dossier, welches ich zu betreuen habe, betrifft das Forschungs­rahmenprogramm Horizon Europe. Ich habe das einmal schon in einer Bundesratssit­zung angedeutet. Sie waren die Ersten, denen ich den neuen Titel verraten habe. Da­nach habe ich erfahren, dass ich das nicht hätte tun dürfen. (Bundesrat Mayer: Oh ja, das passt schon!) – Passt schon. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Zukunfts­kammer!) Dieses Rahmenprogramm soll eine Steigerung um 30 Prozent erfahren. Es sind derzeit rund 100 Milliarden Euro für Grundlagen- und angewandte Forschung im Budget vorgesehen. Das Programm soll exzellente Grundlagenforschung fördern, aber es sollen damit auch Antworten auf die großen Fragen der Gesellschaft und Zeit ge­funden werden: zum Beispiel durch Forschung zum Klimawandel, zur Energiegewin­nung, zu neuen Krebstherapien und zur Bekämpfung von Demenz. Das alles sind Fra­gestellungen, die im Rahmenprogramm fixiert sind und wo man die Wissenschaft und Forschung aufruft, Antworten zu finden. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit.

Ich erwähne diese beiden Dossiers, nicht nur um Ihnen Bericht zu erstatten, sondern auch um eines anzudeuten: Zukünftig wird die Musik im Bereich von Bildung und For­schung auf einer europäischen Ebene spielen, zunehmend mehr, als es heute der Fall ist. Ich finde das nicht schlecht, denn wir brauchen für Europa neben einem Sicher­heitsdiskurs und einem berechtigten Schutz der Außengrenzen auch ein optimistisches Narrativ, insbesondere für unsere jungen Menschen. So ein optimistisches Narrativ kann die grenzüberschreitende Mobilität, kann das grenzüberschreitende Studieren sein.

Wenn es mehr Geld für Erasmus gibt, dann ist das möglicherweise mindestens so gut investiert wie in jede PR-Kampagne, weil am Ende des Erasmusprogramms auch überzeugte Europäer herauskommen. Mehr Geld für die internationale Forschung hebt auch die Qualität der nationalen Forschung, wenn wir uns rechtzeitig darauf einstellen und die JKU sich den Entwurf des nächsten Forschungsprogramms ansieht und über­legt: Wo könnten wir da in Europa mitforschen?

Sie bemerken, meine Damen und Herren, diesbezüglich steckt ein gewisser Opti­mismus in mir. Ich bin sonst nicht sehr mit Temperament ausgestattet, aber in diesem Bereich entwickle ich durchaus Temperament, weil ich glaube, dass das eine ganz wichtige Angelegenheit ist.

Darf ich vielleicht mit einem Satz schließen, Frau Präsidentin: Wir brauchen insgesamt einen wachen Blick für das Bildungssystem, wir brauchen die Bereitschaft zur Verbes­serung, wo es notwendig ist, ich brauche die Kooperation mit Ihnen als Gesetzgeber, und das wird insgesamt gelingen, wenn ich Sie überzeuge, aber darum werde ich mich stets bemühen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.59

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Herr Minister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.