11.12
Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark) : Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (BundesrätInnen der SPÖ halten runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 beziehungsweise 60 in die Höhe, BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“. – Die von Bundesrat Köck hochgehaltene Tafel trägt die Aufschrift: „Keine Gewalt gegen Politiker!“) Liebe aktionsfreudige Kolleginnen und Kollegen Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie heute hier im Hohen Haus anwesend sind oder über das Fernsehen oder via Livestream unsere Debatte verfolgen! Ich glaube, wir können die Turnübung beenden, es geht um ein sehr ernstes Thema. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Es geht um den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Österreich, und es geht darum, wie wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker den Gegebenheiten einer modernen Arbeitswelt gerecht werden wollen.
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Darf ich nur ganz kurz unterbrechen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank! Wir haben jetzt die Taferln gesehen und ausreichend gesehen, und ich würde darum bitten, sie jetzt langsam wieder herunterzugeben, damit wir die Diskussion weiterführen können und dieser auch konzentriert lauschen können. (Die meisten Tafeln werden nach wie vor hochgehalten.)
Wir hatten ja während der Ausführungen des Erstredners auch keine Taferln, und ich würde Sie bitten – da wir alle sie jetzt gesehen haben und sie auch von den Fernsehkameras festgehalten wurden –, dass Sie die Taferln nunmehr wieder heruntergeben und wir uns wieder der Diskussion widmen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)
Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Danke vielmals, Herr Präsident! – Ich darf auch Frau Bundesministerin Schramböck, die soeben bei uns eingetroffen ist, herzlich hier willkommen heißen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war gerade dabei zu erläutern, dass die einzige Konstante in unserem Leben der gesellschaftliche Wandel ist – und diesem gesellschaftlichen Wandel folgt die Regierung mit ihrer Regierungsvorlage, folgt der österreichische Nationalrat mehrheitlich mit seiner Beschlussfassung zu dieser Vorlage und werden auch wir hier im Bundesrat in der Debatte und der anschließenden Abstimmung folgen.
Manche von Ihnen wissen, dass ich in den vergangenen Jahren sehr viel bei unserer Wirtschaft unterwegs war und auch aktuell unterwegs bin, dass ich mit den Verantwortlichen und den Mitarbeitern in den großen Betrieben, unseren industriellen Leitbetrieben das Gespräch suche, dass ich mit den vielen klein- und mittelständischen Unternehmern in Kontakt bin, die Familienbetriebe bei diesem Thema ganz besonders adressieren und ansprechen möchte und dass wir bei diesen Gesprächen sehr, sehr viele Themen behandeln.
Eines haben wir erst in der jüngsten Sitzung besprochen, in der es um die internationalen Handelsverflechtungen gegangen ist. Es geht aber auch um Innovation, um Fragen des Wirtschaftsstandortes und um den Bürokratieabbau, und es geht insbesondere auch – und damit sind wir beim heutigen Thema der Flexibilität der Arbeitszeiten – darum, wie wir in Zukunft arbeiten und leben wollen und insbesondere – und das ist, glaube ich, ganz besonders wichtig – wie wir Arbeit, Familie und Freizeit und soziales Engagement miteinander verbinden wollen. Wenn wir uns das ernsthaft ansehen und diese Verbindung ernsthaft herstellen wollen, dann kommt bei diesen Diskussionen in den Betrieben auch immer zum Durchbruch, dass natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Verantwortungsträger in den Unternehmungen die Selbstbestimmung ansprechen. Dann kommt natürlich durch, dass Flexibilität eingefordert wird, und dann kommt auch durch, dass die Rechtssicherheit ein ganz wesentliches Thema ist.
Zur Frage, wie die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Menschen in unserem Land über das Thema der Flexibilisierung, der Rechtssicherheit und der Selbstbestimmung denken, darf ich Ihnen eine aktuelle Umfrage des Market-Instituts zitieren, die nämlich ergeben hat, dass 78 Prozent der heimischen Arbeitnehmer angeben, dass sie bereit sind, flexibel zu arbeiten, phasenweise länger zu arbeiten. Sie schätzen flexible Arbeitszeiten als eindeutig positiv ein. 86 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich sind davon überzeugt, dass flexible Arbeitszeiten ihren Job sichern.
Die Regierung und wir hier im Hohen Haus, glaube ich, haben ein hehres Anliegen, nämlich den Wirtschaftsstandort Österreich weiterzuentwickeln und unsere Betriebe dahin gehend zu unterstützen, dass die Arbeitsplätze in den Unternehmungen sichere und gute Arbeitsplätze sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Gesinnungsgemeinschaft, die Österreichische Volkspartei, hat sich beim Thema Wirtschaftsstandort und Flexibilität der Arbeit, auch flexible Arbeitszeiten immer klar artikuliert. Wir haben das nicht nur im Wahlprogramm getan, sondern auch im Regierungsprogramm zwischen der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei. Wir haben uns gemeinsam dazu bekannt, dass wir Strukturen in unserem Lande verändern müssen und verändern wollen. Und wenn es darum geht, Strukturen zu verändern, dann verstehe ich, dass dies auch vielen Menschen nahegeht, denn Veränderung bedeutet auch immer Wandel, und Wandel ist nicht immer angenehm, Wandel ist aber notwendig. Es muss sich manches ändern, damit vieles, was wir in unserem schönen Österreich liebgewonnen haben, so bleibt, wie es heute ist.
Weil Kollege Todt einige Punkte angesprochen hat: Mir sind bei der Flexibilität der Arbeitszeit drei Punkte ganz besonders wichtig, die ich auch jetzt noch einmal ansprechen möchte, weil da teilweise Mythen verbreitet werden, Darstellungen, die aus meiner Sicht so nicht richtig sind.
Erstens: Die Normalarbeitszeit von 8 Stunden sowie die 40-Stunden-Woche bleiben die Regel. Das ist einmal ein ganz wesentlicher Punkt: 8-Stunden-Tag und 40-Stunden-Woche bleiben die Regel. Wir haben mit dieser neuen Regelung das bestehende System nur flexibler gemacht, damit es auch die Anforderungen einer modernen Arbeitswelt erfüllt. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass man in Ausnahmefällen, wie bei Auftragsspitzen oder in der Hochsaison, länger arbeiten darf und kann.
Ich halte also noch einmal fest: Entscheidend ist, dass es keinen generellen 12-Stunden-Tag und keine generelle 60-Stunden-Woche gibt, wie es auch aktuell schon keinen generellen 10-Stunden-Tag und keine generelle 50-Stunden-Woche gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Zweitens: Besonders wichtig – und das betone ich ausdrücklich – ist uns das Thema der Freiwilligkeit. Ich weiß, dass das für manche schwierig nachzuvollziehen ist, aber Freiwilligkeit heißt auch, dem Individuum, sprich: den Menschen, ein Stück Freiheit zurückzugeben.
Ich bitte Sie, das auch in Ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Diese Freiwilligkeit wird schon heute in den vielen Tausenden Familienbetrieben in unserem Lande ganz besonders gelebt. Wann immer Sie in diesen Betrieben zu Gast sind und dort mit den Familien, den Firmeninhabern, aber auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, spüren Sie, dass diese Freiwilligkeit ein ganz besonderes Thema ist. Es funktioniert bestens, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das wollen wir in Zukunft ausbauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Drittens: Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Wahlfreiheit. Wenn eine 11. oder 12. Stunde anfällt, kann diese entweder in Geld oder als Zeitausgleich abgegolten werden. Die Entscheidung über die Form der Abgeltung liegt bei der Arbeitnehmerin oder beim Arbeitnehmer. Das heißt, es gibt eine Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer, und diese Wahlfreiheit ist uns auch ganz besonders wichtig. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla, bla!) Ihr treten wir mit dieser Novelle näher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der soziale Friede ist ein hohes Gut. Ich bin selbst ein Kind der Sozialpartnerschaft, für mich ist das ein ganz besonderes Gut. Ich habe diesbezüglich erst vorgestern mit dem Regionalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Graz telefoniert, weil es mir immer ein Anliegen war, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam am Wirtschaftsstandort Österreich arbeiten und gemeinsam diesen weiterentwickeln. Ich sage Ihnen aber schon auch, dass ich es mit großem Bedauern gesehen habe, dass die Sozialpartnerschaft im vergangenen Jahr nicht imstande war, die beiden großen Themenstellungen, die wir uns vorgenommen haben, zu lösen. Auf der einen Seite gab es die Frage des Mindestlohns, diese hat die Dienstgeberseite gelöst. (Bundesrat Schabhüttl: Da gehören immer zwei dazu! – Bundesrätin Grimling: Wer hat es verhindert?) Beim Thema der Arbeitszeitflexibilisierung andererseits konnte die Gewerkschaft in letzter Konsequenz nicht über ihren Schatten springen und den flexibilisierten Maßnahmen, die, wie ich höre, vereinbart waren, nahetreten.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, höre ich wohl die Schalmeientöne, wir sollen diese Vorlage wieder an den Nationalrat zurückschicken, um eine neuerliche Diskussion zu ermöglichen, aber die Diskussionen sind geführt, die Argumente sind ausgetauscht, und ich glaube, es liegt an uns, heute hier im Bundesrat eine Entscheidung zu treffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich für meine Person und für meine Fraktion darf sagen, wir werden selbstverständlich keinen Einspruch gegen die Vorlage erheben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen gesagt, ich bin ein Kind der Sozialpartnerschaft, und der soziale Friede ist ein hohes Gut. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehne ich es zutiefst ab – das möchte ich in aller Schärfe und Deutlichkeit sagen –, dass Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, sei es des Nationalrates oder des Bundesrates, in der Ausübung ihres freien Mandates, vor ihren Wohnungs- oder Firmentüren Pflastersteine finden, dass dort Grablichter entzündet werden (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Novak) und dass dort mit Hetzschriften agiert wird. Das ist einer Demokratie wie der österreichischen unwürdig. Ich würde mir da eine ganz eindeutige Absage Ihrerseits wünschen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Zweitens: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mit dem Kollegen ÖGB-Sekretär in Graz telefoniert, weil mir sein ÖGB-Vorsitzender über die Medien ausrichten ließ, er werde mich noch impfen. Erstens ist mein Impfpass voll, zweitens lasse ich mich von niemandem bedrohen, von keinem ÖGB-Vorsitzenden, keinem Arbeitgebervertreter und auch keinem Parteiobmann. (Bundesrat Novak: Ihre Vorgangsweise ist unwürdig!) Lieber Kollege Novak, die Vorgangsweise, frei gewählte Mandatare in ihrem Amt entsprechend unter Druck setzen zu wollen, ist unwürdig. (Bundesrat Weber: Von uns war das keiner!) Das lehne ich auch ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Drittens: Das, was vor einer guten Woche geschehen ist – wenige Meter von hier entfernt wurde bei einer Demonstration zum Sturz der Bundesregierung aufgerufen – (Rufe bei der SPÖ: Na geh! Nein!), ist eine Grenzüberschreitung, die dankenswerterweise auch sozialdemokratische Gewerkschafter anders sehen als diejenigen, die es gesagt haben. Eine solche Grenzüberschreitung ist unzulässig, da würde ich mir auch eine Entschuldigung Ihrerseits erwarten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten sehr gute Beratungen im Ausschuss. Ich bin den Expertinnen und Experten sehr dankbar dafür, was sie uns berichtet haben. Ich habe in dieser Ausschusssitzung die Frage gestellt, ob Österreich mit der Veränderung durch diese flexibleren Arbeitszeiten europäischer Spitzenreiter wird. Die Expertinnen und Experten in den Ausschussberatungen haben klar zum Ausdruck gebracht, dass wir damit im guten Mittelfeld sind. Die Sorge, dass wir irgendwelche Grenzen massiv überschreiten würden und gegenüber allen anderen Ländern quasi Schranken durchbrechen würden, ist also unbegründet. Ich glaube, da muss man die Kirche im Dorf lassen und die Wahrheit sagen.
Damit zum Abschluss: Diese Regelung schafft die notwendige Flexibilität, sie ist notwendig – ob sie hinreichend ist, wird auch der gesellschaftliche Wandel zeigen (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl) –, damit sich Beruf, Familie und Freizeit besser vereinbaren lassen. Wir modernisieren damit die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wir schaffen damit Freiheit für die Menschen in unseren Betrieben, wir schaffen damit Wahlfreiheit, und wir öffnen damit den Menschen in Österreich ein Stück Zukunft. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob das, was wir heute tun, richtig ist, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal die österreichische Bundeshymne anzusehen. Darin gibt es drei Strophen, in der dritten Strophe ist davon die Rede, dass man mutig in die neuen Zeiten schreiten soll. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir tun das mit dieser Beschlussfassung. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
11.27
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck recht herzlich willkommen heißen. – Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr. (BundesrätInnen der FPÖ – in Richtung Bundesrätin Dziedzic, die auf dem Weg zum Rednerpult eine Stofftasche in Händen hält, die sie dann daneben ablegt –: Was nimmt sie denn da mit? Ist da ein Pflasterstein drinnen? Die hat sich eine Jause mitgenommen!)