11.12.56

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark)|: Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (BundesrätInnen der SPÖ halten runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 beziehungsweise 60 in die Hö­he, BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“. – Die von Bundesrat Köck hochgehaltene Tafel trägt die Aufschrift: „Keine Gewalt gegen Politiker!“) Liebe aktionsfreudige Kolleginnen und Kollegen Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie heute hier im Hohen Haus anwesend sind oder über das Fernsehen oder via Livestream unsere Debatte verfolgen! Ich glau­be, wir können die Turnübung beenden, es geht um ein sehr ernstes Thema. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Es geht um den Arbeits- und Wirtschafts­standort Österreich, und es geht darum, wie wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker den Gegebenheiten einer modernen Arbeitswelt gerecht werden wollen.

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Darf ich nur ganz kurz unterbrechen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank! Wir haben jetzt die Taferln gesehen und ausreichend gesehen, und ich würde darum bitten, sie jetzt langsam wieder herunter­zugeben, damit wir die Diskussion weiterführen können und dieser auch konzentriert lauschen können. (Die meisten Tafeln werden nach wie vor hochgehalten.)

Wir hatten ja während der Ausführungen des Erstredners auch keine Taferln, und ich würde Sie bitten – da wir alle sie jetzt gesehen haben und sie auch von den Fernseh­kameras festgehalten wurden –, dass Sie die Taferln nunmehr wieder heruntergeben und wir uns wieder der Diskussion widmen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Bundesrat Mag. Christian Buchmann| (fortsetzend): Danke vielmals, Herr Präsident! – Ich darf auch Frau Bundesministerin Schramböck, die soeben bei uns eingetroffen ist, herzlich hier willkommen heißen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war gerade dabei zu erläutern, dass die einzige Konstante in unserem Leben der gesellschaftliche Wandel ist – und diesem ge­sellschaftlichen Wandel folgt die Regierung mit ihrer Regierungsvorlage, folgt der ös­terreichische Nationalrat mehrheitlich mit seiner Beschlussfassung zu dieser Vorlage und werden auch wir hier im Bundesrat in der Debatte und der anschließenden Abstim­mung folgen.

Manche von Ihnen wissen, dass ich in den vergangenen Jahren sehr viel bei unserer Wirtschaft unterwegs war und auch aktuell unterwegs bin, dass ich mit den Verant­wortlichen und den Mitarbeitern in den großen Betrieben, unseren industriellen Leitbe­trieben das Gespräch suche, dass ich mit den vielen klein- und mittelständischen Un­ternehmern in Kontakt bin, die Familienbetriebe bei diesem Thema ganz besonders ad­ressieren und ansprechen möchte und dass wir bei diesen Gesprächen sehr, sehr viele Themen behandeln.

Eines haben wir erst in der jüngsten Sitzung besprochen, in der es um die interna­tionalen Handelsverflechtungen gegangen ist. Es geht aber auch um Innovation, um Fra­gen des Wirtschaftsstandortes und um den Bürokratieabbau, und es geht insbesonde­re auch – und damit sind wir beim heutigen Thema der Flexibilität der Arbeitszeiten – darum, wie wir in Zukunft arbeiten und leben wollen und insbesondere – und das ist, glaube ich, ganz besonders wichtig – wie wir Arbeit, Familie und Freizeit und soziales Engagement miteinander verbinden wollen. Wenn wir uns das ernsthaft ansehen und diese Verbindung ernsthaft herstellen wollen, dann kommt bei diesen Diskussionen in den Betrieben auch immer zum Durchbruch, dass natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Verantwortungsträger in den Unternehmungen die Selbstbe­stimmung ansprechen. Dann kommt natürlich durch, dass Flexibilität eingefordert wird, und dann kommt auch durch, dass die Rechtssicherheit ein ganz wesentliches Thema ist.

Zur Frage, wie die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Men­schen in unserem Land über das Thema der Flexibilisierung, der Rechtssicherheit und der Selbstbestimmung denken, darf ich Ihnen eine aktuelle Umfrage des Market-Insti­tuts zitieren, die nämlich ergeben hat, dass 78 Prozent der heimischen Arbeitnehmer angeben, dass sie bereit sind, flexibel zu arbeiten, phasenweise länger zu arbeiten. Sie schätzen flexible Arbeitszeiten als eindeutig positiv ein. 86 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich sind davon überzeugt, dass flexible Arbeitszeiten ihren Job sichern.

Die Regierung und wir hier im Hohen Haus, glaube ich, haben ein hehres Anliegen, nämlich den Wirtschaftsstandort Österreich weiterzuentwickeln und unsere Betriebe dahin gehend zu unterstützen, dass die Arbeitsplätze in den Unternehmungen sichere und gute Arbeitsplätze sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Gesinnungsgemeinschaft, die Öster­reichische Volkspartei, hat sich beim Thema Wirtschaftsstandort und Flexibilität der Ar­beit, auch flexible Arbeitszeiten immer klar artikuliert. Wir haben das nicht nur im Wahl­programm getan, sondern auch im Regierungsprogramm zwischen der Österreichi­schen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei. Wir haben uns gemeinsam dazu be­kannt, dass wir Strukturen in unserem Lande verändern müssen und verändern wollen. Und wenn es darum geht, Strukturen zu verändern, dann verstehe ich, dass dies auch vielen Menschen nahegeht, denn Veränderung bedeutet auch immer Wandel, und Wandel ist nicht immer angenehm, Wandel ist aber notwendig. Es muss sich manches ändern, damit vieles, was wir in unserem schönen Österreich liebgewonnen haben, so bleibt, wie es heute ist.

Weil Kollege Todt einige Punkte angesprochen hat: Mir sind bei der Flexibilität der Ar­beitszeit drei Punkte ganz besonders wichtig, die ich auch jetzt noch einmal anspre­chen möchte, weil da teilweise Mythen verbreitet werden, Darstellungen, die aus mei­ner Sicht so nicht richtig sind.

Erstens: Die Normalarbeitszeit von 8 Stunden sowie die 40-Stunden-Woche bleiben die Regel. Das ist einmal ein ganz wesentlicher Punkt: 8-Stunden-Tag und 40-Stun­den-Woche bleiben die Regel. Wir haben mit dieser neuen Regelung das bestehende System nur flexibler gemacht, damit es auch die Anforderungen einer modernen Ar­beitswelt erfüllt. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass man in Ausnahmefällen, wie bei Auftragsspitzen oder in der Hochsaison, länger arbeiten darf und kann.

Ich halte also noch einmal fest: Entscheidend ist, dass es keinen generellen 12-Stun­den-Tag und keine generelle 60-Stunden-Woche gibt, wie es auch aktuell schon kei­nen generellen 10-Stunden-Tag und keine generelle 50-Stunden-Woche gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Besonders wichtig – und das betone ich ausdrücklich – ist uns das Thema der Freiwilligkeit. Ich weiß, dass das für manche schwierig nachzuvollziehen ist, aber Freiwilligkeit heißt auch, dem Individuum, sprich: den Menschen, ein Stück Freiheit zu­rückzugeben.

Ich bitte Sie, das auch in Ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Diese Freiwilligkeit wird schon heute in den vielen Tausenden Familienbetrieben in unserem Lande ganz be­sonders gelebt. Wann immer Sie in diesen Betrieben zu Gast sind und dort mit den Fa­milien, den Firmeninhabern, aber auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spre­chen, spüren Sie, dass diese Freiwilligkeit ein ganz besonderes Thema ist. Es funktio­niert bestens, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das wollen wir in Zukunft ausbauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Drittens: Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Wahlfreiheit. Wenn eine 11. oder 12. Stunde anfällt, kann diese entweder in Geld oder als Zeitausgleich abgegolten werden. Die Entscheidung über die Form der Abgeltung liegt bei der Arbeitnehmerin oder beim Ar­beitnehmer. Das heißt, es gibt eine Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer, und diese Wahl­freiheit ist uns auch ganz besonders wichtig. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla, bla!) Ihr treten wir mit dieser Novelle näher.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der soziale Friede ist ein hohes Gut. Ich bin selbst ein Kind der Sozialpartnerschaft, für mich ist das ein ganz besonderes Gut. Ich habe diesbezüglich erst vorgestern mit dem Regionalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Graz telefoniert, weil es mir immer ein Anliegen war, dass Ar­beitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam am Wirtschaftsstandort Österreich arbeiten und gemeinsam diesen weiterentwickeln. Ich sage Ihnen aber schon auch, dass ich es mit großem Bedauern gesehen habe, dass die Sozialpartnerschaft im vergangenen Jahr nicht imstande war, die beiden großen Themenstellungen, die wir uns vorgenom­men haben, zu lösen. Auf der einen Seite gab es die Frage des Mindestlohns, diese hat die Dienstgeberseite gelöst. (Bundesrat Schabhüttl: Da gehören immer zwei da­zu! – Bundesrätin Grimling: Wer hat es verhindert?) Beim Thema der Arbeitszeitflexi­bilisierung andererseits konnte die Gewerkschaft in letzter Konsequenz nicht über ihren Schatten springen und den flexibilisierten Maßnahmen, die, wie ich höre, vereinbart wa­ren, nahetreten.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, höre ich wohl die Schalmeien­töne, wir sollen diese Vorlage wieder an den Nationalrat zurückschicken, um eine neu­erliche Diskussion zu ermöglichen, aber die Diskussionen sind geführt, die Argumente sind ausgetauscht, und ich glaube, es liegt an uns, heute hier im Bundesrat eine Ent­scheidung zu treffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich für meine Person und für meine Fraktion darf sagen, wir werden selbstverständlich keinen Einspruch gegen die Vorlage erheben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen gesagt, ich bin ein Kind der Sozialpart­nerschaft, und der soziale Friede ist ein hohes Gut. Daher, liebe Kolleginnen und Kol­legen, lehne ich es zutiefst ab – das möchte ich in aller Schärfe und Deutlichkeit sa­gen –, dass Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, sei es des Nationalrates oder des Bundesrates, in der Ausübung ihres freien Mandates, vor ihren Wohnungs- oder Firmentüren Pflastersteine finden, dass dort Grablichter entzündet werden (Zwischen­rufe der BundesrätInnen Grimling und Novak) und dass dort mit Hetzschriften agiert wird. Das ist einer Demokratie wie der österreichischen unwürdig. Ich würde mir da ei­ne ganz eindeutige Absage Ihrerseits wünschen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mit dem Kollegen ÖGB-Sekretär in Graz telefoniert, weil mir sein ÖGB-Vorsitzender über die Medien ausrichten ließ, er werde mich noch impfen. Erstens ist mein Impfpass voll, zweitens lasse ich mich von niemandem bedrohen, von keinem ÖGB-Vorsitzenden, keinem Arbeitgebervertreter und auch keinem Parteiobmann. (Bundesrat Novak: Ihre Vorgangsweise ist unwürdig!) Lieber Kollege Novak, die Vorgangsweise, frei gewählte Mandatare in ihrem Amt ent­sprechend unter Druck setzen zu wollen, ist unwürdig. (Bundesrat Weber: Von uns war das keiner!) Das lehne ich auch ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Drittens: Das, was vor einer guten Woche geschehen ist – wenige Meter von hier ent­fernt wurde bei einer Demonstration zum Sturz der Bundesregierung aufgerufen – (Ru­fe bei der SPÖ: Na geh! Nein!), ist eine Grenzüberschreitung, die dankenswerterweise auch sozialdemokratische Gewerkschafter anders sehen als diejenigen, die es gesagt haben. Eine solche Grenzüberschreitung ist unzulässig, da würde ich mir auch eine Entschuldigung Ihrerseits erwarten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten sehr gute Beratungen im Aus­schuss. Ich bin den Expertinnen und Experten sehr dankbar dafür, was sie uns berich­tet haben. Ich habe in dieser Ausschusssitzung die Frage gestellt, ob Österreich mit der Veränderung durch diese flexibleren Arbeitszeiten europäischer Spitzenreiter wird. Die Expertinnen und Experten in den Ausschussberatungen haben klar zum Ausdruck gebracht, dass wir damit im guten Mittelfeld sind. Die Sorge, dass wir irgendwelche Grenzen massiv überschreiten würden und gegenüber allen anderen Ländern quasi Schranken durchbrechen würden, ist also unbegründet. Ich glaube, da muss man die Kirche im Dorf lassen und die Wahrheit sagen.

Damit zum Abschluss: Diese Regelung schafft die notwendige Flexibilität, sie ist not­wendig – ob sie hinreichend ist, wird auch der gesellschaftliche Wandel zeigen (Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl–, damit sich Beruf, Familie und Freizeit besser vereinbaren lassen. Wir modernisieren damit die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wir schaffen damit Freiheit für die Menschen in unseren Betrieben, wir schaffen damit Wahlfreiheit, und wir öffnen damit den Menschen in Österreich ein Stück Zukunft. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob das, was wir heute tun, richtig ist, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal die österreichische Bundeshymne anzusehen. Darin gibt es drei Strophen, in der dritten Strophe ist davon die Rede, dass man mutig in die neuen Zeiten schreiten soll. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir tun das mit dieser Be­schlussfassung. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.27

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Mar­garete Schramböck recht herzlich willkommen heißen. – Grüß Gott! (Allgemeiner Bei­fall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr. (BundesrätInnen der FPÖ – in Richtung Bundesrätin Dziedzic, die auf dem Weg zum Rednerpult eine Stofftasche in Händen hält, die sie dann daneben ablegt –: Was nimmt sie denn da mit? Ist da ein Pflasterstein drinnen? Die hat sich eine Jause mitgenom­men!)