12.12.48

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das, was sich hier abspielt, hat mit der tatsächlichen Wirtschaft gar nichts zu tun. Es wäre bedauerlich, wenn wir in der Wirt­schaft ein solches Klima hätten und so miteinander umgehen würden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus einem Bundesland, in dem man den Begriff Sozialpartnerschaft nicht nur kennt, sondern diese auch lebt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Ja, warte ein bisschen! Du kannst Herrn Präsidenten Wieser fragen, wir machen das gemeinsam, und wir, die Sozialpartner, haben voriges Jahr in Niederösterreich schon eine Vereinbarung betreffend flexible Arbeitszeiten ge­macht. Wir haben uns damit auf Bundesebene ganz einfach nicht durchgesetzt, aber auf beiden Seiten; ihr seid genauso wenig ausgenommen wie meine Seite. Wir bilden die reale Arbeitswelt ab, und bei uns gibt es ein gutes Miteinander. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl. – Bundesrat Todt: Dem habe ich ja nicht widersprochen!) Uns geht es ja nur darum, dass wir die Spitzen abdecken können, dass wir nicht lügen müssen, wenn wir einmal länger arbeiten müssen, weil wir einen Auftrag haben. Bei uns redet keiner dem täglichen 12-Stunden-Tag das Wort. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bei uns zahlt auch jeder. Ich habe sehr viele Anrufe von Unternehmerinnen und Unter­nehmern bekommen, die fragen: Entschuldigung, in welches Eck werden wir da ge­stellt?! Wir haben ein gutes Miteinander. Wenn Überstunden gemacht werden müssen, dann werden sie auch bezahlt. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Glaubt ihr denn eigentlich, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so eine erfolgreiche, großarti­ge Arbeit leisten, wenn sie demotiviert sind? – Na hallo, da könnten wir im Wettbewerb absolut nicht bestehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Bitte nicht bös sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist ganz einfach derzeit nicht möglich, länger zu arbeiten; wir bekommen dann Stra­fen. Es wird immer davon gesprochen, was alles passieren könnte – das kommt mir so vor wie ein Brainstorming –, aber man verliert die Realität aus den Augen. Es soll sich jeder entspannen, nur ist das heute auch keine Entspannung! Eines muss ich als Ver­treterin der Wirtschaft und auch als Unternehmerin aber sagen: Ihr müsst schon die Realität im Auge haben. 98 Prozent der Betriebe haben weniger als 50 Mitarbeiter, 77,5 Prozent haben nur neun Mitarbeiter (Zwischenruf bei der SPÖ) und nur 0,76 Pro­zent haben über 250 Mitarbeiter. Das heißt, wir arbeiten in der Wirtschaft miteinander in gegenseitiger Wertschätzung und auf Augenhöhe, das ist für uns eine Selbstver­ständlichkeit. (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.) Und wir sind nicht auf Gewinn­maximierung ausgerichtet (Zwischenruf bei der SPÖ), wir könnten keine Gewinne ma­chen, wenn wir nicht tüchtige, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten – ganz einfach! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn, Koller und Schennach.)

Weil wir ja jetzt immer darüber reden, was mit den Betriebsräten ist: Nicht einmal 30 Prozent aller Betriebe, das wisst ihr ganz genau, haben Betriebsräte, und trotzdem funktioniert das alles, trotzdem geht es bei uns so gut zu. (Bundesrat Köck: Weil es so wenige gibt! – Bundesrat Schabhüttl: Sie müssen die Arbeitnehmer fragen!) Und weil uns in der Wirtschaft das Miteinander so wichtig ist, setzen wir Maßstäbe und laden auch zum Dialog ein. (Bundesrat Schennach: Wo war der Dialog zu diesem Ge­setz?) – Warte ein bisschen, Stefan! Zuhören, entspannt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wir haben voriges Jahr mit dem Sozialpartner eine Vereinbarung erreicht, also wir reden.

Ich habe voriges Monat Lehrlinge eingeladen; ich habe ganz einfach an den Berufs­schulen gesagt: Wir machen wieder ein Lehrlingswirtschaftsparlament, wir laden euch/Sie für zwei Tage ein! An einem Tag erklären wir, wie es im Wirtschaftsparlament zugeht, wie Anträge gemacht werden, und am zweiten Tag halten wir das Plenum ab, denn wir reden nicht über die Jugend, wir lassen die Jugend reden und hören ihr zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: ... 12-Stunden-Tag?) – Ja, genau! Da gibt es auch Filmaufnahmen, ihr könnt euch das gerne anschauen – ich bin stolz auf diese Ini­tiative –, und da könnt ihr auch sehen, welche tollen jungen Leute wir haben, was für eine Bodenhaftung sie haben und wie sie die Wirtschaft sehen. (Bundesrat Weber: Das wissen wir eh! Nichts Neues! – Ruf bei der FPÖ: Keine Ahnung von Wirtschaft!)

Die Lehrlinge haben darüber gesprochen, wie es mit ihrem Berufsbild ausschaut, wie die Situation in den Internaten ist (Bundesrat Schennach – zwei Sticker, auf denen die durchgestrichene Zahl 12 zu sehen ist, in die Höhe haltend –: ... die Verhandlungen dazu?) – schau, wenn dir etwas nicht passt, brauchst du nicht immer zu unterbrechen; lass mich jetzt ausreden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ) – und wie es mit der Arbeitszeit­flexibilisierung ausschaut. Die jungen Leute sind gestanden und haben diskutiert, so wie wir, aber mit einer anderen Kultur, möchte ich sagen. Sie haben den anderen zu­gehört und sind auf das, was die anderen gesagt haben, auch eingegangen. Sie haben über die Arbeitszeitflexibilisierung diskutiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es waren auch von der Gewerkschaft junge Leute dort, weil ich niemanden ausschließe. Da war eine Floristin, die gesagt hat: Ich sehe das gar nicht ein, dass ich heimgehen muss, wenn wir viel zu tun haben; das ist mein Beruf, das möchte ich machen, ich mache das auch. – Man kann sich da von unseren jungen Leuten wirklich ein Scherzl abschneiden.

Wenn ich zum Beispiel schaue, wie es bei uns in den Betrieben ist: Die Waldviertler Fliesenleger arbeiten sehr viel in Wien, da sagt mir der Meister, er kann gar nichts ma­chen, der Fliesenleger sagt: Meister, du kannst mich gernhaben, ich habe jetzt noch 2 Quadratmeter fertigzumachen, und die mache ich, morgen fahre ich nicht noch ein­mal herunter! (Bundesrätin Mühlwerth: Genau so ist es!) Was macht man da? Er durf­te bisher gar nicht offiziell sagen, dass der Fliesenleger das gemacht hat. Das ist es! (Ruf bei der SPÖ: Mit einer Vereinbarung kann man alles machen! – Bundesrätin Dzie­dzic: ... einer Vereinbarung!)

Oder zum Beispiel in meinem Betrieb – und das sind so einfache Dinge, das ist die Realität –: Es kommt jemand zu mir in die Firma und sagt, er habe eine tolle Idee, er brauche etwas für einen Geburtstag und wir müssen das jetzt machen. Was mache ich? – Ich gehe in die Werkstatt und frage: Meine Herrschaften, ist es möglich, bringen wir das zusammen, das in der Zeit zu machen? Da komme ich oft mit der Normalar­beitszeit ganz einfach nicht aus.

Faktum ist: 8 Stunden am Tag, 40 Stunden in der Woche, Gleitzeit ist auch so geregelt, und jede Überstunde, die gemacht wird, wird abgegolten, entweder in Freizeit oder in Zuschlägen. Dazu steht die Wirtschaft, ihr könnt da keinen Keil hineintreiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und etwas ist mir ganz einfach wichtig, denn auch ich habe Kinder, ich bin nicht hinter grünen Gardinen groß geworden, ich habe meine Firma aufgebaut: Ich war am Anfang eine Känguru-Mutter. Ich weiß, dass es als Unternehmerin äußerst schwierig ist. Was machst du mit einem ein paar Monate alten Kind? Du musst es mitschleppen. Meine Kinder sind jetzt groß, ihr alle könnt sie fragen; sie sind mit der Mutter ganz zufrieden.

In Niederösterreich haben wir aber auch darauf geschaut, dass sich die Realität in den Kindergartenöffnungszeiten widerspiegelt. Wir in Niederösterreich haben die Lösung: Wenn drei Elternteile zum Bürgermeister gehen und sagen (Bundesrätin Posch-Grus­ka: Drei Elternteile! Was soll denn das wieder?): Herr Bürgermeister, ich komme mit der Öffnungszeit nicht zurecht, dann muss es geändert werden. Inge, du brauchst nicht den Kopf zu schütteln. Das ist gelebt, ich kann dir das zeigen, das ist ganz einfach so. (Bundesrat Schennach: Das ist wegen der drei Elternteile! Ist das eine Patchworkfa­milie?) Nein, drei Elternpaare – ist ja wurscht jetzt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Drei Elternteile; ich meine, ihr seid ja wirklich äußerst kompliziert.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wäre es nicht ganz einfach möglich, dass wir jetzt wirklich im Interesse der Wirtschaft, im Interesse der Kultur, die wir ja jahrelang gepflegt haben, im Interesse der Sozialpartner handeln? – Wir sind nicht so! Wir wissen ganz genau, dass wir gemeinsam in einem Boot sitzen. Wir brauchen gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die haben unseren Respekt. (Bundesrat Weber: Warum verhandelt ihr das Gesetz dann nicht mit den Sozialpartnern? – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Und das ist genau das, was sich die Mitarbeiter auch wün­schen.

Hört ihr zu? – Kommt einmal zu uns ins Lehrlingswirtschaftsparlament und lernt Dis­kussionskultur! Da werdet ihr sehen, wie man gegensätzliche Meinungen aushält und wie man die anderen verstehen lernt. Das ist einfach wichtig! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Weber: Warum habt ihr das bei dem Gesetz dann nicht so ge­macht?)

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Könnten wir nicht ganz einfach die Un­ternehmenskultur, die wir in unseren Betrieben haben, die wir in Niederösterreich als Sozialpartnerschaft haben, anschauen und auch hier leben? Nur das bringt uns weiter!

Uns ist immer alles wichtig, auch was ihr schreibt. Reinhard, ich habe mir den Brief von Herrn Muchitsch ganz genau angeschaut; ich habe ihn von meinen Juristen anschauen lassen, und ich gebe dir das, was ich bekommen habe, denn wir haben in dem Punkt keine Geheimnisse. Ich habe sie schreiben lassen, was tatsächlich der Fall ist, wie es gelebt wird und wie das zu sehen ist. Ich bin an einem guten Miteinander, an einem Dialog interessiert, einer Wertschätzung unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ge­genüber (Bundesrat Weber: Das hat man bei der Gesetzwerdung nicht gemerkt!), aber genauso einer Wertschätzung unseren Unternehmerinnen und Unternehmern gegen­über. Angesichts der vielen kleinen Betriebe, die wir haben, kann ich euch sagen: Fle­xible Arbeitszeiten kenne ich seit 40 Jahren. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

12.22

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmül­ler. Ich erteile ihm dieses.