20.40.57

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten)|: Herr Präsident! Frau Ministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Mayer: So viele Zettel! Das geht bis morgen früh!) – Locker! Frau Ministerin, Sie haben gemeint, dass die SPÖ nervös und aufgeregt ist und gefragt, wo die Motivation liegt. (Bundesrat Köck: Ist eh klar!)

Wenn man die Zahlen, die Professor Schennach heute vorgelesen und vorgetragen hat, sieht, kann einem schon angst und bange werden, was hier so vor sich geht. Ich meine, dass es gerade auch hier im Hohen Haus doch die Möglichkeit der Diskussion geben sollte, da sie ja sonst nicht geführt wurde. (Bundesrat Rösch: Das sind alles Märchen!) – Wenn du, lieber Herr Kollege, gesagt hast, dass das Niveau tief unten ist, meine ich, dass du durch deine Zwischenrufe einen wesentlichen Beitrag dazu leistest. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat heute eine Pressekonferenz von Ge­werkschaft, Ärztekammer und Sozialversicherung gegeben, und alle drei Körperschaf­ten haben appelliert, auch an die Frau Ministerin, die Ausgabenbremse zu lösen. Herr Generaldirektor Biach ist ja nicht irgendwer. (Bundesrat Weber: Ein Schwarzer!) Er ist Generaldirektor, er leitet den Hauptverband, er ist politisch der eher konservativen Rich­tung zuzuordnen und er hat gesagt, dass in Österreich 33 Projekte gestoppt werden müssen, dass Ärzteverträge warten müssen, dass der Primärversorgungsvertrag, für den wir alle gekämpft haben, nicht abgeschlossen werden kann. (Zwischenruf des Bun­desrates Seeber.) Ich bin auch Funktionär der Kärntner Gebietskrankenkasse (Bun­desrat Ofner: Ahh!), und wir haben alle darum gekämpft und kämpfen noch immer, und jetzt steht man hier mehr oder weniger im Leeren. Ich glaube, es gibt bei den vie­len, vielen anderen, die in Österreich angedacht wurden, nur ein funktionierendes PHC-Zentrum, und zwar in Enns.

Weil immer wieder von den Hausärzten gesprochen wird: Man muss – erstens – schau­en, dass man welche bekommt. Zum Zweiten habe ich schon den Eindruck, dass die Länder dann die Bezahlung dieser Leute übernehmen werden müssen. (Bundesrat We­ber: Ein Chaos!)

Das (ein Schriftstück zeigend), Frau Ministerin, ist ein Schreiben der Kärntner Gebiets­krankenkasse, das die Bundesräte aus Kärnten gestern erreicht hat. Es sind drei Sei­ten voller Sorgen, die sicherlich auch sehr gerechtfertigt sind. Ich werde heute nicht al­le Zettel vorlesen, Herr Kollege, sondern ich werde mich relativ kurz fassen. (Zwischen­ruf des Bundesrates Hammerl.) Einige Dinge sind aber zu sagen, weil man sonst keine Gelegenheit dazu hat.

Das Prinzip der Bundesregierung im Hinblick auf die Selbstverwaltung heißt Sparen, Sparen und Ausbau der politischen Macht und der politischen Einflussnahme. (Bun­desrat Samt: Das Wort sparen kennt die SPÖ überhaupt nicht!) Es ist gegen ein sinn­volles Sparen nichts einzuwenden, das derzeitige Vorhaben, die Organisationsstruktur neu zu gestalten, zeigt jedoch ein deutlich anderes Bild: Man will die Kosten in der Verwaltung und auch sogenannte Privilegien durch Zusammenlegung nachhaltig redu­zieren beziehungsweise abschaffen. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster. – Bun­desrätin Mühlwerth: Lass ihn reden!)

Was wollen Sie eigentlich mit diesem zentralistischen Vorgehen erreichen? Es soll das Aufsichtsrecht des Bundes nachhaltig gestärkt werden, die bestehenden Selbstverwal­tungsgremien sollen in ein einziges Selbstverwaltungszentrum übergeführt und deutlich verschlankt werden, und es ist vorgesehen, eine Österreichische Gesundheitskasse einzurichten, die durch Dienstgeber und Dienstnehmer paritätisch besetzt werden soll. Frau Ministerin, das ist natürlich eine Hintanstellung der Interessen anderer Gruppen, zum Beispiel der Pensionistinnen und Pensionisten (Bundesrat Schuster: Vollpensio­nisten!), die doch ein Drittel der Beiträge zahlen und in solchen Gremien nicht mitein­bezogen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird im Sozialversicherungsbereich eklatant gespart. Es ist dies ein unschätzbares Gut, das sich in den letzten Jahrzehnten in Österreich hervorragend entwickelt hat und auch eine besondere Geltung hat. Es ist festzustellen, dass das derzeitige, dieses ho­he Niveau der Versorgung in Österreich in dieser Form und unter diesen Vorausset­zungen nicht aufrechterhalten werden kann. Die derzeitige Selbstverwaltung wird mit der Zielsetzung, die Sozialversicherung zu einer politisch verwalteten Institution zu ma­chen, öffentlich schlechtgemacht. Politisch besetzte Generaldirektoren würden weit, weit mehr kosten als die gesamte heutige Selbstverwaltung in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Ein echter Klassenkampf!) Heute erhalten die Funk­tionärinnen und Funktionäre eine reine Aufwandsentschädigung und Weggelder.

Ich möchte noch etwas sagen, weil man immer sagt: die SPÖ. Ich zitiere einen be­kannten Unfallchirurgen, nämlich Wolfgang Schaden, der zu dieser Vorgehensweise gesagt hat: „Der Angriff auf die Selbstverwaltung ist ein riesiger Skandal, die Art und Weise, wie ein funktionierendes System beschmutzt wird, ist völlig unangemessen und demokratiepolitisch bedenklich.“ (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich werde jetzt dem Wunsch entsprechen und einige Dinge auslassen, aber etwas scheint mir schon noch ganz wichtig zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Raml.) Ich schließe mich den Ausführungen meines Kollegen Bürgermeister Appé natürlich vollin­haltlich an. Auch du, lieber Freund, warst bei der Sitzung der Landesregierung mit da­bei, du hast gehört, wie die FPÖ hier mitgestimmt und gesagt hat: Jawohl, das muss al­les geschehen. Herr Darmann hat gesagt: selbstverständlich Einstimmigkeit – er kämpft. Die Ministerin hat zugesagt, dass sie unterschreiben wird. Na ja, sie hat in der Zwi­schenzeit durch eine Mitarbeiterin ausrichten lassen, dass sie jetzt einmal nicht unter­schreiben wird. (Bundesrat Ofner: Das ist Unfug, Herr Kollege!) Es ist dies für mich ein besonderes Verhalten einer Ministerin, gnädige Frau, wenn zuerst beteuert wird, dass ein Projekt durchgeführt wird, mündliche Zusagen gemacht werden und dann ein Rück­zieher kommt.

In der neuen Gesetzesvorlage ist zu lesen, dass bei den Selbstverwaltungskörpern In­vestitionen nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich sind. Das gilt auch für die Nachbesetzung von Führungskräften, welchen nur mehr Verträge bis zum Jahr 2019 gegeben werden. In der KGKK, Frau Ministerin, ist die Stelle eines Chefarz­tes zu besetzen. Nach der Arbeitsbeendigung des früheren leitenden ärztlichen Ange­stellten wurde die Stelle neu ausgeschrieben und auch von den hausinternen Gremien, dem Verwaltungsausschuss, dem Vorstand und der Generalversammlung, ein neuer Mitarbeiter vorgesehen. Da eine GKK als Selbstverwaltungskörper über einen Chefarzt verfügen muss, ist die Frage zu stellen, wer als Führungskraft einen Vertrag mit einer Dauer von nur eineinhalb Jahren unterschreiben wird. Chefarzt kann nur ein Arzt mit einer entsprechenden Qualifikation sein. Er würde sich bei der Unterzeichnung eines Vertrages, der nur eineinhalb Jahre gilt, natürlich selbst disqualifizieren. Ich würde sa­gen, ein Arzt, der dies tut, braucht dann selbst einen Arzt. (Beifall bei der SPÖ.) – Es ist dies, Frau Ministerin, natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Es ist die Frage zu stellen, wer dann eigentlich die legistische Verantwortung über­nimmt. Ein solch widersprüchliches Gesetz wie das vorgelegte kann und darf von ei­nem verantwortungsvollen Bundesrat nicht beschlossen werden. Hier müsste vorerst die Frage der gesetzlichen Haftung eindeutig geklärt sein.

Der Mensch, in diesem Fall die Patientin und der Patient, müssen im Fokus unseres Überlegens und Handelns stehen. Dazu ist die Politik aufgerufen. Schnellschüsse und Ruck-zuck-Handlungen können dabei nicht das Wesenselement und der Garant für einen positiven Weiterbestand des heutigen, an sich weltweit einzigartigen und positi­ven Sozialsystems in Österreich sein. Ein System, das wir noch haben, welches jedoch zunehmend ausgehöhlt und zum Nachteil der Menschen in unserem Lande verändert wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Michael Lindner. Ich erteile es ihm.