10.24

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Die Zukunft ist schon da. Sie ist bloß noch nicht gleichmäßig verteilt.“ – Dieses durchaus provokante Zitat stammt vom amerikanischen Science-Fiction-Autor William Gibson. Vor dem Hintergrund der heutigen Aktuellen Stunde möchte ich es ein bisschen adaptieren. Ich würde sagen: Die digitale Zukunft ist schon da.

Ohne Zweifel spielen digitale Technologien in unserer Welt – ja, wollen wir sie als westliche Welt bezeichnen – inzwischen eine ganz enorme Rolle, sowohl im Beruf, in der Arbeitswelt als auch in der Freizeit, in der Bildung, in der Medizin, in der Kom­munikation und vielem mehr. Ich glaube, es gibt mittlerweile kaum noch einen Lebensbereich, der vom digitalen Wandel gänzlich unberührt geblieben ist.

Und ja, nicht alle Menschen haben gleichermaßen Zugang zu digitalen Ressourcen, zu digitalen Technologien und digitaler Bildung, und das führt zu immer größeren Spaltungen in der digitalen Gesellschaft; nicht allein aufgrund des ungleich verteilten Zugangs zu Information, sondern aus meiner Sicht viel mehr aufgrund der unter­schiedlichen Verwertung dieser Informationen und einer unterschiedlich entwickelten und geschulten Kompetenz für diese Entwicklung.

Unser Alltag wird zunehmend digital geprägt, angefangen von der Uhr, die mein Akti­vitätsprofil mit Schrittzähler, Pulsmesser, GPS-Sensor und vielem mehr ganz genau aufzeichnet und analysiert und die mir meine neuesten Nachrichten und E-Mails anzeigt, weiter über mein Auto, das mir ganz genau vermisst, ob der Parkplatz für mein Auto auch groß genug ist, und dann gleich auch selbständig für mich einparkt, bis hin zum Tablet und über dieses Tablet gesteuerte Beleuchtung oder Heizung im Haus, in der Wohnung, und vieles mehr.

Immerhin hatten im Jahr 2017 laut Statistik Austria 89 Prozent aller österreichischen Haushalte einen Internetzugang, bei den Haushalten der unter 44-Jährigen, also in meiner Generation, waren es bereits an die 100 Prozent. Allein der Anteil an Nutzern von Onlineshopping hat sich in den letzten zehn Jahren auf insgesamt knapp 62 Pro­zent nahezu verdoppelt. Man kauft also heute zunehmend digital ein, um in Ruhe Preise vergleichen zu können, Informationen und Rezensionen zu Produkten einzu­holen und sie dann auch noch bequem nach Hause geliefert zu bekommen.

Bei den Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es ähn­lich: Auch da verfügen bereits an die 100 Prozent, also fast alle, über Internetanschluss und die entsprechende Vernetzung.

Es ist auch keine Neuigkeit, dass sich auch der Arbeitsmarkt aufgrund der Digitalisie­rung verändert und dies auch stetig und weiterhin tut. Manche Tätigkeiten im Beruf verändern sich stark, einzelne Berufe verschwinden gänzlich, wieder andere Berufs­felder entstehen aber auch neu. Hinzu kommt – und ich glaube, das wird uns in Zukunft noch weit mehr beschäftigen, als es uns heute bewusst ist – die ständige Erreichbarkeit auch in beruflicher Hinsicht. Studien haben ergeben, dass beinahe drei von vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schon auf dem Weg zur Arbeit bei­spiels­weise ihre Mails abrufen, Anrufe tätigen und weitere berufliche Dinge erledigen. Das führt in immer mehr Fällen zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zu einer verringerten Möglichkeit des Ausgleichs und hat oftmals auch ein Ausbrennen zur Folge.

In Norwegen beispielsweise wird dem, wie ich finde, auf sehr moderne Art entgegen­gewirkt, und bereits das Pendeln zur Arbeitszeit hinzugerechnet. Auch in England gibt es inzwischen Bestrebungen genau in diese Richtung, nicht ohne natürlich gleichzeitig auch auf etwaige Auswirkungen auf das öffentliche Verkehrsnetz zu achten. Umso verwunderlicher und unverständlicher ist dann für mich also, dass man gerade in Österreich nun mit der Einführung eines 12-Stunden-Tages und einer 60-Stunden-Woche genau den gegenteiligen und aus meiner Sicht wenig zukunftsgerichteten Weg geht. Ich glaube, das ist ein weiterer Aspekt in dieser Angelegenheit, den wir mit großer Sorge wahrnehmen müssen, was wir auch tun. (Bundesrat Längle: Das ist eine Arbeitszeitflexibilisierung! Nicht 12-Stunden-Tag!)

Es ist jedenfalls klar, mit dem digitalen Wandel gehen eine ganze Reihe von Chancen und Möglichkeiten, gleichzeitig aber auch viele Herausforderungen und Risken einher. Das hat wiederum zur Folge, dass die Politik, aber auch die Unternehmen und die Bil­dungseinrichtungen und Bildungsverantwortlichen viele notwendige Verantwortungs­sze­narien – wenn man es so formulieren möchte – zu entwickeln haben, und es gilt, sich diesen mit einem entsprechenden Weitblick zu stellen.

Positiv ist – das sei hier angemerkt –, dass das Ministerium immerhin 20 Millionen Euro für Initiativen und Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung und insbesondere im Bereich der Forschung zur Verfügung stellt – so weit, so positiv –, denn das wird auch ganz entscheidend sein, um Österreich auch in Zukunft im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten.

Ich möchte an dieser Stelle noch mit ein paar Beispielen untermauern, warum das auch uns so wichtig ist. Beispiel 3D-Druck: Inzwischen können ganze Häuser aus­gedruckt werden. Man braucht also heute keine Ziegel mehr, man braucht einen großen Drucker, um ein Haus aufbauen zu können. Auch in der Medizin ist der 3D-Druck längst keine Theorie mehr, beispielsweise können Teile für Hörgeräte, Pro­thesenteile, Gelenksbestandteile und vieles mehr nach Bedarf ganz individuell aus­gedruckt werden. Das eröffnet natürlich in unzähligen Bereichen ganz neue Produk­tionsformen und erleichtert auch vielfach Transporte.

Beispiel Internet der Dinge: Heute braucht es keinen klassischen PC mehr, um sich zu vernetzen. Die unterschiedlichsten Geräte, Fernsehgeräte, Uhren, Autos und vieles mehr, erlauben heute das Erstellen von diversen Zustandsinformationen und die Kom­munikation untereinander. Das Internet der Dinge ist somit beispielsweise auch die Basis für autonome, also selbstfahrende Fahrzeuge, und das wiederum ermöglicht ganz neue, völlig neue Mobilitätskonzepte.

Stichwort künstliche Intelligenz und Robotik: Mittlerweile gibt es humanoide Roboter, die als solche auf den ersten Blick kaum mehr vom Menschen zu unterscheiden sind. Es stellt sich für mich die Frage: Was soll und was darf künstliche Intelligenz können? Es geht hier auch klar um das Festlegen von moralischen und ethischen Grundsätzen, von Grundregeln, auch was beispielsweise das Treffen von Entscheidungen solcher Roboter betrifft. Der Einsatz eines digitalen Ethikrates ist für mich daher unumgänglich und auch durchaus positiv zu bewerten.

Damit komme ich zum nächsten Stichwort, nämlich Big Data: Es sind ja mittlerweile schier unglaublich riesige Datenmengen, die verwaltet werden müssen, egal ob auf Festspeichern oder auch in sogenannten Cloud-Speichern. Gleichzeitig geht es dabei aber auch um den Schutz der eigenen Daten, des eigenen digitalen Profils – Stichwort: digitaler Fußabdruck. Jeder, der sich in irgendeiner Form im Internet bewegt, hin­terlässt natürlich dabei jede Menge Spuren, im Normalfall nicht freiwillig und schon gar nicht bewusst. Denken wir zum Beispiel an praktische Algorithmen, die das Surf­ver­halten im Internet speichern und verarbeiten und mir dann auf eben dieses Verhalten ganz individuell zugeschnittene Werbeeinschaltungen präsentieren.

Auf der einen Seite mag das praktisch erscheinen, auf der anderen Seite wird dabei aber in jedem Moment in Wahrheit auf meine Daten zugegriffen. Es ist also auch der Datenschutz eine ganz zentrale Frage. Auch in Zeiten der DSGVO, die ja noch nicht so alt ist, frage ich mich, ob hier die Bundesregierung den Datenschutz auch ernst genug nimmt, gerade wenn ich mir vor Augen führe, was erst kürzlich im Zusammenhang mit den UVP-Verfahren hier im Nationalrat diskutiert wurde. Diesbezüglich mache ich mir auch noch einigermaßen Sorgen.

Schade finde ich auch, dass ganz offensichtlich die Digital Roadmap, die ja die vor­hergegangene Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, in dieser Form nicht mehr weiterverfolgt wird. Man wird aber sehen, ob der Masterplan Digitalisierung und alles, was in diesem Zusammenhang sonst noch kommen wird, in diese Richtung weiterver­folgt werden wird.

Zum Abschluss möchte ich mich aber noch der Digitalisierung im Bildungsbereich wid­men, weil das jener Bereich ist, der mich auch tagtäglich in meiner Arbeit als Päda­gogin beschäftigt. Ich habe an meiner Schule in Zwentendorf selbst die Ehre, Robo­tics/Coding unterrichten zu dürfen, und es begeistert mich auch immer wieder, zu sehen, mit welcher Begeisterung die Jugendlichen da an die Arbeit gehen und welche tollen Ideen sie da selbst entwickeln können. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Basis für Österreich, hier entsprechende Grundlagen zu schaffen.

Die digitale Grundbildung, wie wir sie seit diesem Schuljahr ja flächendeckend umzu­setzen haben, ist aus meiner Sicht auch ein wichtiger und ein richtiger Schritt in diese Richtung. Es geht schließlich nicht um die Umsetzungen der Digitalisierung in einem Gegenstand oder in einem Fachbereich, sondern wir müssen die Schülerinnen und Schüler fächerübergreifend, handlungsorientiert und projektorientiert auf die digitale Welt vorbereiten. Dass hier die Initiative der vorigen Bildungsministerin Hammerschmid aufgegriffen wird, nämlich Schülerinnen und Schüler auch schon ab der Sekun­darstufe I mit Laptops und Tablets auszustatten, ist erfreulich und begrüßenswert.

Das allein wird aber nicht reichen, das sehe ich in meiner täglichen Arbeit sehr gut. Neben den entsprechenden Hardwareressourcen braucht es zum einen natürlich pas­sende Software. Es braucht passenden Content, passende Apps, und selbstver­ständ­lich gehören auch die Lehrkräfte entsprechend geschult, und zwar nicht allein in der reinen Handhabung der Hardware und Software, sondern auch darin, wie ganz indi­viduelle Lernszenarien im digitalen Unterricht didaktisch sinnvoll eingeführt werden können.

Es muss den SchülerInnen ein kritischer reflektierter Umgang mit digitalen Medien vermittelt werden. Um reines Faktenwissen geht es in der Schule, wie wir wissen, schon lange nicht mehr. Die SchülerInnen lernen sehr schnell, wie sie mit den Dingen umgehen können, die können das oft besser als wir Erwachsene. Sie wissen auch genau, wie sie an die nötigen Informationen herankommen können. Gefragt sind da­gegen vielmehr Fertigkeiten wie Problemlösungskompetenz und das kritische Bewer­ten von Informationen und Inhalten im Internet. Es geht um das Vermeiden von Cyber­mobbing und das Erkennen von Fake News, um Maßnahmen gegen Hass im Netz und vieles mehr.

Für all das wird es zusätzliche Ressourcen brauchen, ja, auch zusätzliches Personal an unseren Schulen. In diesem Zusammenhang hätte ich mir auch gewünscht, dass im Beirat der neuen Digitalisierungsagentur der Bildungsbereich entsprechend wesentlich stärker abgebildet worden wäre, denn nur aus gut digital geschulten Jugendlichen können aus meiner Sicht auch digitale Forscher und Entwickler werden, die wiederum unseren Unternehmen zugutekommen können. Daher sehe ich in diesem Zusam­menhang den Bildungsbereich als einen der wichtigsten, denn der bildet letztendlich auch die Grundlagen dafür.

Geschätzte Damen und Herren, ich kann es nur noch einmal wiederholen: Die Zukunft hat bereits begonnen, die Zukunft ist schon da, die Zukunft ist digital. In diesem Sinne müssen wir als Wirtschaftsstandort Österreich, aber auch als Bildungsstandort Öster­reich digitale Chancen nutzen und auch Risiken ernst nehmen. Daher werde ich Ihre Ausführungen, geschätzte Frau Ministerin, natürlich besonders genau verfolgen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.36

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Wir sind heute etwas großzügiger, was die Einhaltung der Zeit betrifft. Ich bitte, sich aber ungefähr daran zu halten.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte.