10.14

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Galerie! Wir haben ja heute schon sehr viel im Zu­sammenhang mit Syrien und dem Jemen gehört, auch schon auf historischer bezie­hungsweise fast schon auf philosophischer Ebene. Ich möchte aber trotzdem noch einmal in aller Kürze auf die aktuelle Situation vor Ort in beiden Ländern eingehen.

Wir sehen aus diversen Medienberichten, dass sich die Situation im Jemen gerade in den letzten Wochen massiv verschlechtert hat. In Wahrheit leidet das Land – wir haben es heute schon gehört – aktuell unter der schlimmsten humanitären Krise der Welt. Mil­lionen Menschen sind von einer ganz akuten Hungersnot betroffen, mehr als 21 Mil­lionen sind dringend auf Hilfe angewiesen, Zehntausende Menschen haben im Krieg im Jemen seit 2014 bereits ihr Leben verloren, mehr als zwei Millionen wurden vertrie­ben und sind derzeit noch auf der Flucht. Dass die Ermordung des Journalisten Kha­shoggi dann natürlich noch zusätzlich Öl ins Feuer gießt, brauche ich, glaube ich, nicht zusätzlich zu erwähnen.

Der Jemen und vor allem die Menschen im Jemen brauchen aus meiner Sicht dringend einen Waffenstillstand zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Aus meiner Sicht könnte ein Waffenembargo für Saudi-Arabien einen wesentlichen Beitrag zur Beendigung des Krieges darstellen.

In Syrien spielt sich eine ganz ähnliche Katastrophe humanitärer Art ab. Der Konflikt, der dort bereits seit sieben Jahren schwelt, ist immer noch eine der zentralen Bedro­hungen für Frieden und Sicherheit auf der Welt. Es ist ein Konflikt, der im Grunde als Kampf um die Demokratie und die soziale Gerechtigkeit begonnen hat, der sich aber mit dem Erstarken des sogenannten Islamischen Staats zu einem sehr komplexen Stell­vertreterkrieg entwickelt hat.

400 000 Syrerinnen und Syrer haben in diesem Krieg bereits ihr Leben lassen müssen, über 13 Millionen Menschen – das ist mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung – sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter – das macht mich ganz besonders be­troffen – alleine fünf Millionen Kinder und Jugendliche. Sechs Millionen Menschen sind in Syrien auf der Flucht, weil sie unter anderem von der Versorgung mit Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten und vielen weiteren lebensnotwendigen Gütern ab­geschnitten sind. Beispielsweise können auch zwei Millionen Kinder nicht die Schule besuchen.

Die UNO – das ist ja Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde – hat sich immer wie­der um Friedensverhandlungen bemüht. Wie wir wissen, sind aber alle Gespräche un­ter der Leitung der UNO gescheitert, zuletzt erst der Gipfel mit den vier Großen, näm­lich Deutschland, Russland, Frankreich und der Türkei, der ein neuerlicher Anlauf, ein neuerlicher Versuch auf diesem Weg war. Einhelliger Konsens des Gipfels ist zumin­dest, dass eine Voraussetzung die Stabilisierung der Waffenruhe in Idlib ist.

Aus meiner Sicht ist es daher von immenser Bedeutung, dass sich die Vereinten Na­tionen, aber auch die EU, verstärkt für eine langfristige, dauerhafte und eben auch nachhaltige Lösung im Syrienkonflikt einsetzen. Ich glaube, Österreich kann und soll gerade in Zeiten des EU-Ratsvorsitzes einen wesentlichen Teil dazu beitragen. Wann, wenn nicht jetzt, kann sich Österreich da einbringen?

Syrien braucht Hilfe für den Wiederaufbau des Landes – ganz klar –, damit eben ein Leben dort für die Menschen wieder möglich ist. Es geht darum, den Menschen auch wieder Chancen und Perspektiven zu ermöglichen und zu geben.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal – wir haben es zwar heute auch schon vom Kollegen Schennach gehört – auf den Migrationspakt eingehen. Das kann ich Ihnen nicht ersparen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir haben gehört, dass es eine weltweite Vereinbarung – ein Akkordieren und eine Zielsetzung zu entsprechenden humanitären Hilfsmaßnahmen – ist, die dringend notwendig ist. (Zwischenruf des Bundesrates Kru­sche.– Ja, das hören Sie nicht gerne, aber da müssen Sie jetzt durch! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich empfinde nämlich die Haltung der Bundesregierung schlichtweg als heuchlerisch und einfach als unaufrichtig. Zuerst hat es ja auch vonseiten des Bundeskanzlers noch geheißen, dass die Migrationsproblematik von keinem Staat alleine bewältigt werden könne – das war auch seine Aussage. Zudem – wir haben es heute auch schon ge­hört – hat der Kanzler – damals noch als Außenminister – den Pakt selbst mitverhan­delt.

Ich frage mich nun schon, ob er sich dabei entweder nicht ausgekannt hat oder das vielleicht auch nur Scheinverhandlungen gewesen sind. Hat er sich vielleicht von der FPÖ in irgendeiner Form vereinnahmen lassen? War es ein Kniefall vor der FPÖ? – Man weiß es nicht. Fakt ist: Ein teurer, vom Steuerzahler finanzierter Urlaub wird es ja hoffentlich nicht gewesen sein. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Tatsache ist: Es wird da selbst von der Regierungsseite her mit Falschmeldungen ge­arbeitet. Kanzler und Vizekanzler haben beide betont, dass Österreich den Migrations­pakt nicht unterzeichnen wird. Na gut, das kann es auch gar nicht, denn es handelt sich dabei schlicht und einfach um eine Vereinbarung, die nicht unterzeichnet, sondern per Akklamation feierlich angenommen wird. (Bundesrat Köck – auf das rot leuchtende Lämpchen am Rednerpult deutend –: Redezeit ist aus!)

Ich muss, glaube ich, jetzt gar nicht näher inhaltlich auf den Migrationspakt eingehen. Was ich mich in aller Kürze frage, ist - - (Zwischenrufe der BundesrätInnen Köck und Mühlwerth. – Bundesrat Brunner: Zeit ist aus!) – Eigentlich müsste das in Ihrem Inter­esse sein, denn im Migrationspakt steht genau das, was Sie immer wieder fordern, nämlich die Zusammenarbeit bei der Grenzsicherung, die Verbesserung der Lebenssi­tuation in diesen krisengebeutelten Ländern (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber nicht zum Thema!) – den Herkunftsländern –, das Schließen von Rückführungsabkom­men und vieles mehr. Wenn das also nicht in Ihrem Interesse ist, dann weiß ich es auch nicht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich würde sagen, nur weil man die Augen schließt, bedeutet das nicht, dass ein Pro­blem nicht mehr da ist – nur weil man es dann nicht mehr sehen kann. (Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Wenn die Regierung da also eine Teilnahme verweigert (Bundesrat Köck: Themenverfehlung und Zeitüberschreitung!), so wird dadurch kein ein­ziger Grund für Migration gelöst. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.20

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Ewa Dziedzic zu Wort gemeldet. – Bitte.