17.33

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man Ihnen zu­hört, bekommt man wirklich das Gefühl, Sie sind jetzt zu Umweltparteien geworden, und zwar beide Regierungsparteien. (Bundesrat Längle: Immer schon gewesen! – Wei­tere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Genau, das ist das Drama hier.

Wenn man nämlich genauer hinschaut, dann merkt man nicht nur, dass der Grüne Parlamentsklub enorm fehlt (Beifall der Bundesräte Stögmüller und Koller), sondern auch, dass hier sehr verkürzt Politik auf Kosten unserer Umwelt in Österreich gemacht wird.

Worum geht es? – Auf Antrag und mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien soll das UVP-Gesetz zum einen dahin gehend abgeändert werden, dass anerkannte Umweltorganisationen für ihr Bestehen zusätzliche Auflagen erfüllen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Betonierer von Wien! – Bundesrat Pisec: Heumarkt!) Das ist auch mit den kleinen Änderungen, die aufgrund der Abänderungsanträge im Nationalrat vorgenom­men worden sind, noch immer der Fall.

Der Grund für diese Regelungen ist laut Ihren Aussagen wie auch beim geplanten Standort-Entwicklungsgesetz die Verfahrensbeschleunigung. Wenn Sie aber mit Kennern und mit Personen reden, die tatsächlich an diesen Verfahren beteiligt sind, dann wissen Sie und werden auch von ihnen hören, dass das eine Farce ist.

Sie haben vielleicht den offenen Brief des Vereins Virus bekommen. Da steht unter Punkt 17 zum Thema Zeitgewinn bei den Verfahren Folgendes: Vier Wochen auf Kos­ten der Verfahrensparteien. Das ist somit die einzige Verfahrensbeschleunigung, die aber unverhältnismäßig ist und sich angesichts der sonst vergeudeten Zeit, insbeson­dere jahrelange Vollständigkeitsprüfungen, auch auf die Gesamtverfahrensdauer von Problemprojekten nicht relevant auswirken wird. – Zitatende.

Zum anderen wissen wir oder haben wir gehört, dass es in Österreich 57 anerkannte Umweltorganisationen gibt, wovon circa ein Drittel von den neuen Änderungen und Regelungen betroffen sein wird. Die Hälfte der genannten Umweltorganisationen ist ös­terreichweit anerkannt, die andere Hälfte ist auf regionaler Ebene aktiv und nimmt jetzt schon nicht an allen Verfahren teil. Das wird auch sehr oft als Information unterschla­gen.

Völkerrechtlich ist die diesbezügliche Regelung – bereits belegt durch die Entschei­dung des Aarhus-Komitees, auch das hatten wir heute kurz – ein rechtlicher Verstoß. Die sagen nämlich, dass die Mitgliederzahl von 100 zwar zulässig wäre, aber nur dann und nur unter der Voraussetzung, dass es nämlich auch andere Möglichkeiten der Le­gitimation gibt, was die Größe eines Vereins, einer NGO anbelangt.

Weiters gibt es auch eine Feststellung des EuGH – der EuGH war ja heute schon Thema –, und zwar neun Jahre alt – ich zitiere –: dass eine strenge Mitgliedergrenze unzulässig ist und nicht dazu führen darf, dass sie den Zielen der UVP-Richtlinie, ins­besondere dem Ziel, die gerichtliche Kontrolle der unter die Richtlinie fallenden Vor­gänge unschwer zu ermöglichen, zuwiderläuft. – Zitatende.

Der Europäische Gerichtshof betont in diesem Urteil auch, wie wichtig es ist, dass im Besonderen kleine Umweltorganisationen weiterhin einen Zugang zu den Gerichten haben. Ich muss mich schon sehr wundern, dass gerade der Bundesrat, die Länder­kammer da nicht mehr Sensibilität beweist, denn wir wissen, dass es gerade in den Bundesländern sehr viele kleine, engagierte Vereine gibt, denen man aber die Beteili­gung hiermit unmöglich macht.

Schließlich gab es auch eine große Debatte aufgrund datenschutzrechtlicher Beden­ken. Auch das werden Sie mitbekommen haben. Da ging es um die namentliche Offen­legung der Mitglieder und um Vorlage der Mitgliederlisten. Das konnte im letzten Au­genblick zum Glück noch verhindert werden, auch wenn weiterhin beispielsweise ein Notar notwendig sein wird, um zu bezeugen, dass ein Verein tatsächlich über diese Mitgliederzahl verfügt.

Was geblieben ist, ist der Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Stiftungen sind nämlich gegenüber Vereinen insofern im Vorteil, als sie das nicht vorbringen müssen und nicht gezwungen sind, wie alle anderen Vereine das Vorhandensein dieser Mitglieder in die­ser Form nachzuweisen.

Ich wundere mich schon immer, dass Sie sich so empören, wenn man sagt, dass Sie für die Wirtschaft Gesetze machen, weil es doch auf der Hand liegt, dass das in erster Linie Ihre Ansprechpartner sind. Es ist deshalb auch wichtig, festzuhalten, dass diese Rechtsunsicherheit, die Sie hiermit schaffen, genau diesem von Ihnen viel zitierten und beschworenen Wirtschaftsstandort erst recht schaden wird.

Das Recht auf ein faires Verfahren ist nämlich nicht nur dann gegeben, wenn Umwelt­organisationen Zugang zu Gerichten haben, sondern wenn alle in Österreich Rechts­sicherheit haben, Sicherheit darüber, dass diese Verfahren fair ablaufen, und diese Si­cherheit schaffen Sie mit diesen Änderungen keinesfalls.

Ich bin auch sehr froh über die klare Haltung der SPÖ diesbezüglich. Wir wissen, dass nach der Kundmachung durchaus auch eine Drittelbeschwerde möglich ist, und wir werden auch in einer reduzierten Form als Grüne alles daran setzen und diese unter­stützen, damit es nicht, wie Sie es sehr wünschen, mit dieser Sitzung abgeschlossen ist und die NGOs hintangehalten werden.

Jedenfalls handelt es sich hier ganz klar um einen Versuch, die Parteienrechte und das Recht auf ein faires Verfahren zu beschränken. Ich denke, das wird nicht nur nach hin­ten losgehen, sondern wird eben auch noch ein Nachspiel haben. (Bundesrat Kru­sche: Das wird noch ein Nachspiel haben!)

Alleine der Druck auf Behörden, der nämlich jetzt durch diese Verfahrensbeschleuni­gung ausgeübt wird, die Sie glauben, damit bewirken zu können, führt lediglich dazu, dass Verfahren ohne vielleicht ganz wichtige, relevante Gutachten, die sehr oft gerade bei Großprojekten erst im Laufe der Verfahren eingeholt werden können, geschlossen werden und somit eben diese Rechtsunsicherheit umso mehr forciert wird.

Alles in allem ist das für uns natürlich eine Husch-Pfusch-Aktion samt ein paar Zu­ckerln für jene, die mehr Wert auf Profit als auf die Umwelt legen. Es tut mir wirklich leid, dass es in diesem Land, wo es in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, sehr wich­tige Umweltkriterien zu erkämpfen, jetzt diesen Rückschlag gibt und Sie sich hier sozu­sagen wieder rückwärts bewegen und die Rechte der Umweltorganisationen beschrän­ken werden.

Wie Sie wohl wissen, Frau Ministerin, werden Sie nicht nur in den sozialen Medien, sondern vor allem auch von den Umweltorganisationen mittlerweile sehr gerne als Um­weltzerstörungsministerin bezeichnet. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Rösch: Das ist der Schwarze Block, der sich da wieder ...!) Das ist sicherlich nicht eine bloße Bösartigkeit, sondern resultiert daraus, dass es hierbei überhaupt keine Weit­sichtigkeit gibt, kein Ansinnen, wirklich alle einzubinden, die wichtig wären, sondern ei­ne einseitige Fokussierung auf den Wirtschaftsstandort. (Bundesrat Pisec: Wer arbei­tet denn mit dem Heumarktprojekt zusammen?)

Glauben Sie mir, Sie werden damit nichts gewinnen, denn ein Wirtschaftsstandort Ös­terreich kann nur dann für andere attraktiv sein, wenn wir wissen, dass hier ganz, ganz wichtige Kriterien nicht außer Acht gelassen werden, und dass wir unsere Umwelt nicht ausbeuten, sondern darauf schauen, dass es in dieser Wechselwirkung zwischen Um­welt und Wirtschaft ein gesundes Maß gibt.

Dieses Maß unterlaufen Sie mit diesen Änderungen. Sie werden dazu beitragen, dass jene Menschen, die sich im Umweltbereich engagieren, nicht schweigen, sondern sich im Gegenteil auf die Hinterfüße werden stellen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Heumarkt! – Bundesrat Pisec: Zubetonierer der Natur!) Es wird auf jeden Fall auch noch weitere De­batten dazu im Bundesrat geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.43

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.