BundesratStenographisches Protokoll885. Sitzung, 885. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2018 / Seite 23

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die aus Europa – ob aus Dänemark, Belgien, Österreich oder Spanien – nach Syrien gezogen sind. Die höchste Zahl der foreign fighters kommt aus Tunesien, gefolgt von vielen chinesischen und indonesischen Staatsbürgern. Wir haben sozusagen Kampf­verbände aus der gesamten Welt, die sich in Syrien getroffen und Syrien zerstört haben.

Wir haben im Jahr 2018 für Syrien insgesamt humanitäre Hilfe im Umfang von 16 Mil­lionen Euro geleistet. Davon kamen, wie vorhin gesagt, 4 Millionen aus dem Auslands­katastrophenfonds und 10 Millionen im Rahmen der EU-Türkei-Flüchtlingsfazilität. 2 Mil­lionen wurden aus Mitteln der Austrian Development Agency für den Treuhandfonds für Syrien, auch Madad-Fonds genannt, zur Verfügung gestellt. Wir planen eine Mobilisie­rung von weiteren Mitteln für Entminung und Trinkwasseraufbereitung.

Zum Jemen noch einige genauere Daten: Ich habe unter anderem auch den UNO-Son­derbeauftragten Martin Griffith getroffen, der bedauerlicherweise hinsichtlich eines Treffens der Kriegsparteien in Genf erfolglos war. Wir bedauern das Scheitern dieser Gesprächsrunde und versuchen, Martin Griffith nach besten Möglichkeiten zu unter­stützen.

Der Konflikt im Jemen – Herr Bundesrat Schennach hat es bereits ausgeführt – ist die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit. 22 Millionen Menschen sind auf humani­täre Hilfe angewiesen – 14 Millionen Menschen sind von einer Hungersnot bedroht.

Sie haben die Protagonistin des Films angesprochen – ich weiß nicht mehr, wie der ge­naue Filmtitel war –, das ist eine beeindruckende kleine Dame. Ich habe diesen Film vor Jahren einmal im Libanon gesehen, dieser Film ist mir auch nicht aus dem Kopf ge­gangen. Wenn man an diese Protagonistin und an einen Jemen denkt, der eigentlich noch „irgendwie“ – unter Anführungszeichen – funktioniert, auch wenn er immer das ärmste Land der arabischen Welt war, fragt man sich bei vielen Menschen, die man ir­gendwann einmal in Damaskus, in Palmyra und wo auch immer getroffen hat, was aus ihnen geworden ist.

Der Chefarchäologe von Palmyra, der gesagt hat, er verlasse seine Ausgrabungen, seine Statuetten nicht, wurde brutalst hingerichtet und seine Leiche wochenlang über dem großen Bogen von Palmyra aufgehängt – sozusagen als Essen für die Aasgeier. Das sind also archaischste, brutalste Methoden, wie man sie vielleicht aus dem einen oder anderen Bericht der römischen Antike kannte, beispielsweise aus dem Umgang mit dem Aufstand der Spartakus-Kämpfer, der Kreuzigung. Kreuzigung findet heute in Syrien wieder statt, und wie gesagt ist der IS zwar territorial besiegt, aber ich befürchte, er wird sich jedenfalls als digitales Kalifat weiter betätigen.

Für den Jemen haben wir einige Mittel vorgesehen, aber wir versuchen, uns auch zur Verfügung zu stellen, was die politischen Lösungen anbelangt.

Ich darf damit schließen, dass ich mich für Ihr Interesse an der Region und an der Ar­beit der UNO-Generalversammlung bedanke. Ich hoffe, dass ich Ihnen bei unserer nächsten Begegnung Konkreteres mitteilen darf, was die Verhandlungslösungen im Je­men und in Syrien anbelangt.

Meine kleine Zuversicht gründet sich darauf, dass Kriege bekanntlich aus Erschöpfung enden. Die Menschen sind erschöpft, aber auch die wesentlichen Financiers, die diese Stellvertreterkriege mittragen. Da ist ein kleiner Funke Realismus eingetreten. Es sind Zermürbungskriege auf dem Rücken der Zivilbevölkerung geworden. Die Menschen sind schon längst erschöpft, aber mögen auch die wesentlichen kriegsführenden Par­teien erschöpfen und sich damit eine gewisse Dynamik entwickeln. Ich habe eine leise Zuversicht, dass diese Dynamik für den Jemen erkennbar ist. Wir werden uns weiter bemühen, dass es zu einem Kriegsmaterialienverbot auf der Arabischen Halbinsel kommt.

Am kommenden Montag haben wir den Jemen als Tagesordnungspunkt im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, den ich im Rahmen unserer Tätigkeit als EU-Vorsitzland


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