9.17

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist traurige Realität: Jede fünfte Frau ist zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt, und es gibt – meine Vorrednerin, Bundesrätin Hackl, hat es schon angesprochen – viele Formen von Gewalt, und in dieser Berechnung wird nur die physische Gewalt gezählt, das heißt, die anderen Gewaltformen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Fest steht eines, meine sehr geehrten Damen und Herren: Frauen und Kinder sind die Hauptopfer von Gewalt, und der gefährlichste Ort ist das sogenannte traute Heim, sind die eigenen vier Wände, der intimste Rückzugsort. Und der häufigste Täter ist der ei­gene Lebenspartner und weniger der mysteriöse Unbekannte irgendwo im öffentlichen Raum. In diesem Zusammenhang entsteht aber vielfach eine verzerrte Wahrnehmung, weil das von Teilen der Politik und auch der Medien oft anders dargestellt wird. Es ist so: Häusliche Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt, und für die Opfer ist es wohl am schlimmsten, wenn der intimste Rückzugsort zur Gefahrenzone wird und der Mensch, dem man ursprünglich am meisten vertraut hat, der Lebenspartner, zum Täter wird.

Österreich hat in der Vergangenheit sehr viel für Gewaltschutz getan und wird auch als internationales Vorbild immer wieder erwähnt und ist anerkannt. Unsere Gewaltschutz­gesetze mit Wegweiserecht, Betretungsverbot, einstweiligen Verfügungen zum Schutz von Gewaltopfern, Prozessbegleitung, also nicht nur Rechtsbegleitung, sondern auch psychosoziale Begleitung und Betreuung, neuen Straftatbeständen, Frauenhäusern, Gewaltschutzzentren wurden allesamt, das kann man eindeutig auch so festmachen, von SPÖ-Frauenministerinnen gefordert und auch umgesetzt und sind auch jüngst wiederum im sogenannten Grevio-Bericht gewürdigt worden. Grevio ist ein unabhän­giges Kontrollorgan für Menschenrechte, das die Umsetzung der Istanbulkonvention kontrolliert.

Die Istanbulkonvention ist Ihnen ja wahrscheinlich bestens bekannt: eine Konvention des Europarates zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Sie wurde, das muss man auch betonen, von österreichischen Vertretern im Europarat, wie zum Bei­spiel Gisela Wurm und auch Stefan Schennach, soviel ich weiß, maßgeblich mitbe­gleitet und auch miterarbeitet, wurde von Österreich ratifiziert und ist seit 2014 in Kraft. Sie wird jetzt natürlich auch laufend auf die Umsetzung hin evaluiert, und da wurde Ös­terreich ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, aber es wurden natürlich auch Empfeh­lungen abgegeben, nämlich dahin gehend, diesen Weg, der in der Vergangenheit ein­geschlagen wurde, konsequent fortzusetzen, eben nach dem Motto: vorwärts und nicht zurück!

Vor allem gilt es, die Prävention zu stärken und die strafrechtliche Verfolgung zu ver­bessern, um auch höhere Verurteilungsquoten zu erreichen, denn wenn man sich das jetzt neu – ganz so neu ist es auch nicht mehr – geschaffene Delikt Fortgesetzte Ge­waltausübung vor Augen führt, so stellt man fest, es hat in einem Jahr 937 Anzeigen gegeben, davon wurden 924 Fälle angeklagt, es hat aber nur 190 Verurteilungen ge­geben. Bei Stalking, auch ein relativ neuer Straftatbestand, hat es 2 196 Anzeigen ge­geben, aber nur 239 Verurteilungen. Das ist eine Schieflage, die natürlich auch zu der Empfehlung Anlass gegeben hat – nicht nur in diesem Grevio-Bericht, sondern auch im Schattenbericht der NGOs; da haben sich vor allem auch Frauenorganisationen ge­äußert –, in diesem Zusammenhang die Ermittlungsarbeit zu verbessern und vor allem auch den Opfern die Beweisführung zu erleichtern.

Das sind Forderungen, die uns als SPÖ sehr vertraut sind, weil wir sie auch schon sehr lange erheben, auch wenn es darum geht, bei Betretungsverboten die Täterarbeit zu forcieren. Opfer und auch Täter – und das gilt es auch besonders zu betonen – müs­sen umfassend betreut werden und dürfen sich nicht selbst überlassen werden, damit es eben nicht zu Wiederholungshandlungen kommt oder damit das diesbezügliche Ri­siko zumindest weitgehend minimiert wird.

Opfer, auch das gilt es besonders zu betonen, sind natürlich auch Kinder, die Gewalt­taten vor allem gegen die Mutter mit ansehen mussten. Was dann in einem Kind vorge­hen muss, das kann man sich gar nicht vorstellen. Diese Kinder müssen selbstver­ständlich auch intensivst betreut und begleitet werden, insbesondere dann, wenn sie als Zeuginnen und Zeugen aussagen müssen. Das ist eine unglaubliche psychische Belastung für Kinder und da braucht es natürlich auch entsprechende Unterstützung und sensible Begleitung.

Insgesamt hat es sehr gute Ansätze gegeben, da koordiniert vorzugehen, eben indem Fallkonferenzen von Sicherheitsbehörden, Gewaltschutzzentren, Sozialarbeit und so weiter durchgeführt wurden, um Lücken zu schließen und eben wirklich im Einzelfall rasch und abgestimmt und koordiniert reagieren zu können. Es ist daher wirklich sehr schade und ein großes Versäumnis, dass diese Fallkonferenzen jetzt plötzlich infrage gestellt und auch eingestellt wurden.

Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie dazu auch Stellung nehmen? Ich werte das wirklich als einen sehr großen Rückschritt im Bereich Gewaltschutz, und das sollte zurückgenommen werden. Diese Fallkonferenzen sind unglaublich wichtig und sollten sofort wieder aufgenommen werden.

Frauenberatung darf nicht reduziert werden, aber es braucht auch mehr Männerbera­tung, damit Aggressionen und ungelöste Konflikte gar nicht erst in Gewalt eskalieren können – darum geht es. Es geht hier wirklich auch um gezielte Prävention. Was macht aber die Bundesregierung? – Die Mittel für Gewaltschutz und Gleichstellung – das wurde hier ein bisschen vermischt – wurden und werden mit 10 Millionen Euro limitiert. Das sind 1,14 Euro pro ÖsterreicherIn, und das ist eindeutig zu wenig, wenn man Gewaltschutz wirklich ernst nimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Da braucht es mehr Ressourcen, um auch die durch die Istanbulkonvention eingegan­genen Verpflichtungen wirklich erfüllen zu können. Sie, Frau Bundesrätin, haben ge­sagt, es ist nichts gekürzt worden, aber es ist da sehr wohl eine Kürzung zu ver­nehmen, denn man muss bedenken, durch die entsprechenden Biennalsprünge und auch sonst wird ja alles immer teurer, aber das ist überhaupt nicht berücksichtigt wor­den. Und wenn das eben mit den Beratungseinrichtungen und Gewaltschutz und so weiter vermischt wird, dann ist das im Endeffekt eine Kürzung. Wir bräuchten aber mehr Ressourcen, viel mehr Ressourcen. Es wurden auch 100 zusätzliche Plätze in Frauenhäusern versprochen – versprochen wurden sie, aber wir fragen uns schon, wo sie sind, wo sie vor allem auch budgetiert sind.

Sie haben es auch angesprochen: Gewalt hat viele Gesichter. Vom Bundesrat wurde schon sehr früh Hass im Netz thematisiert – unlängst auch in einer Veranstaltung von Frau Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska, in der erneut die Forderung erhoben wurde, gerade die Prävention zu verstärken. Da ist auch in der letzten Legislaturpe­riode sehr viel geschehen, es wurden neue Straftatbestände eingeführt, aber diese müssen in der Praxis noch stärker ankommen. Und da muss man eben auch den Opfern mehr Möglichkeiten der Beweisführung geben, denn es kommt auch da zu sehr wenig Verurteilungen und man muss da den Opfern wirklich entsprechend entgegen­kommen. Wir müssen natürlich auch alles daransetzen, dass das Exekutivpersonal bestmöglich ausgebildet und sensibilisiert wird. Es wurden ursprünglich auch einmal zehn einschlägig geschulte neue Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Aussicht ge­stellt. Es würde mich auch interessieren: Wie ist diesbezüglich der Umsetzungsstand? Diesbezüglich ist unglaublich viel zu tun!

Ich würde auch anregen, um effizienter und rasch reagieren zu können, vielleicht auch das Verwaltungsstrafrecht verstärkt heranzuziehen, um eben unbedachte Äußerungen im Netz zielgerichtet ahnden zu können und auch einen raschen Lerneffekt erzielen zu können, ohne zeit- und geldraubende Prozesse, die vielleicht irgendwann einmal im Nichts enden. Also da ist unglaublich viel zu tun.

Wenn man von Gewalt spricht, dann ist das alles auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen: Das Grundübel ist die strukturelle Gewalt, sind die ungleichen Machtverhältnis­se, die ungleichen ökonomischen Verhältnisse, die einfach der Nährboden für alle For­men von Gewalt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diesen Nährboden auszutrocknen und vor allem gegen strukturelle Gewalt insgesamt anzukämpfen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

9.27

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. – Bitte.