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Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke mir, das, was sich Herr Kollege Schuster von der FPÖ hier geleistet hat, ist eigentlich sinnbildlich dafür, dass sich ein Mann zu einem so komplexen und sensiblen Thema herstellt und dann nichts Besseres zu tun hat, als in einem üblichen FPÖ-Reflex Täter zu suchen, die vielleicht noch schlimmer sind, mit dem Finger hinzuzeigen und zu glauben, dass sich dadurch für die Opfer irgendetwas verbessert. Also ich finde das zum Genieren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Aber es ist schade um meine Redezeit.

Wir haben am 20. November, also vor gar nicht allzu langer Zeit, hier im Haus den In­ternationalen Tag der Kinderrechte gefeiert. Es war im Nebensaal, im Kleinen Redou­tensaal, tatsächlich eine Party mit ungefähr 80 Kindern. Wir wissen, dass das Recht des Kindes auf Bildung ein wesentliches Element ist, um junge Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Es ist wichtig, über seine Rechte Bescheid zu wissen, damit man sie einordnen kann, damit man sich dafür stark machen und Unrecht erkennen kann.

Der Schutz von Kindern ist ja eines von drei Elementen in der Kinderrechtekonvention. Es gibt die Schutzrechte, es gibt die Versorgungsrechte und es gibt diese Beteiligungs­rechte. Wir haben uns in diesem Parlament 1992 zu dieser Kinderrechtekonvention be­kannt; das war übrigens im selben Jahr, in dem es in Österreich  und da waren wir tatsächlich international Avantgarde – ein Gewaltschutzgesetz gegeben hat, das sagt, dass Gewalt kein adäquates Erziehungsmittel mehr sein kann.

Das war damals tatsächlich etwas, mit dem wir weit vorne waren und weswegen sich andere Länder an uns ein Beispiel genommen haben. Die Message der Kinderrechte und die Message in diesem Gewaltschutzgesetz ist dieselbe: Sie sagt, Kinder sind ab sofort kein Eigentum der Familie und kein Eigentum der Eltern, sondern sie sind Per­sönlichkeiten mit eigenen Rechten, und die gehören gewahrt. Schlussendlich steckt dahinter, dass sich Menschen, Erwachsene und Kinder, auf Augenhöhe und mit Re­spekt begegnen.

Man hatte damals auch erkannt – endlich, muss man in Hinblick auf die Menschheits­geschichte sagen –, dass Gewalt als Erziehungsmittel zwar Schrecken und Angst er­zeugt, aber natürlich niemals, wir alle in der Pädagogik wissen das, eine nachhaltige Erkenntnis oder eine Einstellungsänderung bewirkt, sondern Gewalt löst schlussend­lich immer wieder Gegengewalt aus. Wir kennen in der Psychologie diese Gewaltspi­rale, die Gewalt, die sich dann über Generationen fortsetzt, und die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder wiederum gewalttätig erziehen, wenn sie das selbst erlebt haben. All das ist bekannt.

Wir haben heute schon etwas über verschiedene Formen der Gewalt gehört. Auch ich möchte sie erwähnen.

Die körperliche Gewalt – wir alle kennen diese schrecklichen Beispiele: Es sind die au­genscheinlichsten Beispiele, bei denen Kinder Opfer von körperlicher Gewalt werden. Wir können uns alle an Fälle erinnern, bei denen Kinder mit heißem Wasser verbrüht wurden, bei denen Kinder – unlängst gerade wieder – so lange geschüttelt wurden, bis sie sich nicht mehr rührten. Das ist uns präsent und da sind wir zu Recht sehr, sehr bestürzt.

Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Wie konnte es so weit kommen? Was treibt Eltern dazu oder was löst so eine Überforderungssituation aus? Was löst diesen Druck aus, dem diese Eltern offensichtlich nicht standhalten können? Für uns als Politike­rInnen ist die entscheidende Frage immer: Was hätte diesen Gewaltakt verhindern können?

Es gibt aber natürlich auch die psychische Gewalt, die Kinder alltäglich erleben. Wir kennen das aus internationalen Vergleichsstudien und wissen, dass Österreich leider im Spitzenfeld liegt, was Gewalt unter Kindern, Mobbing in der Schule und andere Formen, wie dieses Bullying unter Gleichaltrigen, betrifft. Wir brauchen in den Schulen einerseits eine Druckreduktion, aber andererseits auch sozialarbeiterische Maßnah­men.

Eine Form von Gewalt ist die strukturelle Gewalt, die wir als Politiker am direktesten beeinflussen können. Was meine ich mit dieser strukturellen Gewalt gegen Kinder? – Ich meine damit, wenn wir Kinder aufgrund von bestimmten Merkmalen – wie beispiels­weise der Sprache – segregieren, wenn wir den Druck in den Schulen erhöhen, indem wir schon bei Kleinkindern wieder Ziffernnoten einführen, wenn wir – wie wir sehen – Flüchtlinge hinter Stacheldraht wegsperren wollen und damit den Druck erhöhen, wenn wir die Mindestsicherung kürzen und dadurch bewusst in Kauf nehmen, dass Familien mit Kindern in die Armut gedrängt werden – ich sage nur als Stichwort: für das dritte Kind bekommt man 43 Euro im Monat  und so weiter. All das sind Maßnahmen, die Familien strukturell unter Druck bringen, Familien und Kinder in eine Situation bringen, in der sie Stress erleben, in der sie unter Druck geraten.

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich bitte um den Schlusssatz, Daniela.

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (fortsetzend): Ja. – Dieser Druck kann wie­der Gewalt auslösen. Es wäre die Aufgabe von uns als Politiker, von einer Regierung mit Verantwortung, die Lebensverhältnisse zu verbessern, den Druck aus den Familien zu nehmen und dadurch der Gewalt entgegenzuwirken. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.00

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste ist Bundesrätin Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte, Monika.