15.09

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Die verfassungsrechtli­che Abschaffung des Regresses bei der Unterbringung von pflegebedürftigen Men­schen in stationären Pflegeeinrichtungen war ein wichtiger Schritt. Damit wurde eine überaus belastende Situation sowohl für die zu Pflegenden als auch für die Angehöri­gen beseitigt. Die Furcht vor dem Verlust des Ersparten oder Aufgebauten allein durch die Tatsache, dass man pflegebedürftig wird, ist nun endlich Geschichte.

Der Zweckzuschuss für die Länder beträgt nun 340 Millionen Euro. Diese Mittel sind zeitnah und transparent an die betroffenen Städte, Sozialfonds und Sozialhilfeverbän­de weiterzugeben. Die Endabrechnung erfolgt dann erst 2019, und die Länder müssen einen etwaigen Übergenuss zurückzahlen.

Die prozentuelle Verteilung der Mittel ist leider nicht wirklich nachvollziehbar. Auch wenn nach der Information des Ausschusses der Bedarf der Länder eingemeldet wur­de, ist es nicht nachvollziehbar, und das würde ich gerne am Beispiel von Wien erklä­ren. Welchen Schlüssel zieht man nun für die Verteilung der Mittel heran, zieht man den Bevölkerungsschlüssel heran oder den Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre? Wien erhält nun 16,61 Prozent der Mittel bei einem Bevölkerungsanteil von 18,9 Pro­zent über 65 Jahre. Der Anteil für Wien wurde mit 56,5 Millionen Euro festgelegt. Schon allein im ersten Halbjahr werden Kosten von 48 Millionen Euro zu erwarten sein. Jetzt kommt der Gedanke auf, dass die Verteilung der Mittel parteipolitisch motiviert ist.

Die Pflege wird aufgrund der altersmäßigen Entwicklung der Menschen in Österreich eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre. Hier müssen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Betreuung und Pflege älterer Menschen sicherzustellen. Ein würdiges Altern und Sterben muss für alle Menschen möglich sein, nicht nur für jene, die es sich leisten können.

Die angekündigte Generallösung der Regierung für die Pflegefrage bleibt leider in einer reinen Analyse stecken. Bei all den Erfahrungen und Handlungsweisen und der so­zialen Einstellung dieser Bundesregierung kann man sich nur große Sorgen machen, wie diese Generallösung dann praktisch aussehen wird. Es geht um Respekt im Um­gang mit den älteren Menschen, die keine Angst haben dürfen, ob sie sich zukünftig Betreuungsunterstützung oder Pflege leisten können. Die Pflege eignet sich nicht dazu – und das ist genauso bei der Gesundheit –, große wirtschaftliche Gewinne erzie­len zu wollen, und das auf Kosten der älteren und behinderten Menschen, deren Ange­hörigen und der Beschäftigten in Betreuung und Pflege.

Pflege ist weiblich. Die Pflege und Betreuung wird in der Familie zum Großteil von Frauen übernommen. Die Beschäftigten in Pflege und Betreuung sind ebenfalls über­wiegend weiblich. Und Pflege ist eine schwierige Aufgabe. Sie ist physisch belastend – etwa das Heben von Menschen – und sie ist psychisch belastend, und das nicht nur bei dementen älteren Menschen. Die in der Pflege Beschäftigten leisten Enormes und besitzen große Empathie für die Menschen, die ihnen zugeteilt sind und die ihre Hilfe brauchen, aber sie leiden unter schweren Arbeitsbedingungen: zu wenig Personal und schlechte Bezahlung. Es besteht meist unglaublicher Zeitdruck in den Arbeitsabläufen, und die nötige gesellschaftliche Anerkennung erhalten sie keineswegs.

Eine Kollegin in der Pflege hat erst gestern zu mir gesagt: Du weißt, ich arbeite Teilzeit, aber ich möchte eigentlich gar nicht Teilzeit arbeiten, denn ich könnte das Geld brau­chen. Es ist einfach eine Tatsache, dass meine Arbeit so belastend ist, und es sind so wenige Kolleginnen da und der Druck ist so hoch, dass ich es in einer Vollzeitarbeit nicht schaffe!

Hier muss angesetzt werden. Das Berufsbild und die Arbeitsbedingungen in der Pflege und Betreuung müssen auf allen Ebenen aufgewertet werden. Häusliche und private Pflege beziehungsweise Betreuung dürfen zu keiner Falle werden, die in Abhängigkeit und Altersarmut führen. Menschen, die gerne ihre älteren Angehörigen pflegen möch­ten, sollen das auch tun können, und auch sie brauchen wirklich starke Unterstützung. Aber es darf insbesondere für Frauen kein unabdingbares Schicksal sein, ganz selbst­verständlich die Pflege von Angehörigen übernehmen zu müssen. Die qualitätsvolle stationäre und mobile Pflege müssen ausgebaut werden, mit österreichweit einheitli­chen Standards, auch im Interesse der Beschäftigten.

Es gilt, ein sicheres Pflegeplatzangebot für die Zukunft zu gestalten und stabil zu finan­zieren. Menschen sollen keine Angst davor haben, älter zu werden, und sie müssen nicht die bange Frage stellen: Wie werde ich im Älterwerden unterstützt? Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie ein sicheres Pflegesystem haben und ein Be­treuungsangebot, das nicht davon abhängt, unter welchen Vermögensbedingungen man lebt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Ich frage mich, was ihr die letzten zwölf Jahre getan habt!)

15.14

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch zu Wort. Ich erteile es ihm.