9.15

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Widmet man sich den Fragen der Pensionserhöhung nach dem Pensionsanpassungsgesetz 2019, sind für mich zur Beurteilung in dieser Sache zwei wesentliche Aspekte zu erkennen. Erstens geht es um die Zuerkennung der Höhe der Pensionen, und zweitens geht es um die Art und Weise, die Vorge­hensweise, die für das Zustandekommen der Erhöhung gewählt wurde.

Zum Ersten: Die von Regierungsseite hochbejubelte Pensionserhöhung ist stark zu relativieren. Die ausgepriesene Erhöhung um 2,6 Prozent gilt für die Ausgleichs­zula­gen­richtsätze und Pensionen bis 1 115 Euro. Linear sinkt der Anpassungsfaktor bis zu einer Pension von 1 500 Euro ab, anschließend bis zur ASVG-Höchstpension gibt es einen Pauschalbetrag von 68 Euro. Betrachtet man die tatsächliche Teuerung in Höhe von 4,4 Prozent für das Jahr 2019 und zieht die 2,6 Prozent ab, verbleibt ein Kaufkraftverlust von 1,8 Prozent. Auf den wöchentlichen Einkauf projiziert wirkt sich die Teuerung noch viel stärker aus und beträgt 3,9 Prozent.

Es handelt sich also um einen massiven Kaufkraftverlust, insbesondere für die ältere Generation mit niedrigen Pensionen. In konkreten Zahlen ausgedrückt heißt das: Bei einer Preissteigerung von 40 Euro beim täglichen Einkauf und einer Abgeltung von 21 Euro ist der Kaufkraftverlust eklatant erkennbar. Als Faktum ist festzustellen: Die ältere Generation ist dieser Regierung nicht das wert, was ihr gebührt. Diese Pen­sionserhöhung zu umjubeln und als positiv zu vermarkten, ist an sich nicht angebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade in einer Zeit der Hochkonjunktur in unserem Lande, in einer Zeit der hohen Steuereinnahmen sollte es doch möglich sein, jenen Menschen, die ein Leben lang fleißig gearbeitet und ihre Leistungen erbracht haben, eine höhere Pensionsanpassung zu gewähren.

Es wird den Menschen vorgegaukelt, dass sie sich jetzt mehr leisten können als bisher. Wer die Zahlen kennt, weiß, dass das einfach nicht die Wahrheit ist. Das sind voll­mundige Aussagen, die nicht stimmen. Es ist daher die absolute Forderung unserer­seits, die Abgeltung der realen Nettoteuerung zu verlangen und eine Erhöhung von 4 Prozent. Wenn die Frau Sozialministerin behauptet, dass es ihr oberstes Ziel ist, die Versorgung in Österreich sicherzustellen, so hätte sie jetzt beste Gelegenheit dazu.

Der zweite Aspekt, den es hier aufzuzeigen gilt, ist jener des Zustandekommens dieser Pensionserhöhung. Man könnte den Eindruck haben, es handelt sich um eine Laune des Herrn Bundeskanzlers, der eines Morgens für sich beschlossen hat, wie die Pensionserhöhung auszufallen hat; nicht anders ist diese Vorgehensweise zu inter­pretieren, denn niemand wurde zu Gesprächen, zu Verhandlungen eingeladen, so wie es halt früher der Fall war. Heute ist es eben anders, dem Motto entsprechend: beschließen und drüberfahren. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Kein einziger Vertreter einer Pensionistenorganisation, kein Sozialpartner, kein Sozial­rat, der gesetzlich im Range eines Sozialpartners steht, wurde konsultiert. Alle haben es aus den Medien erfahren – beschlossen und fertig. So kann es aber nicht sein und so sollte es in Zukunft auch nicht weitergehen, denn das ist meines Erachtens kein demokratisches Verhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Man scheint zu vergessen, dass es rund 2,2 Millionen Menschen, nämlich ASVG-Pen­sionistinnen und -Pensionisten, sind, die davon betroffen sind. Ein Großteil von ihnen wird durch eine Seniorenorganisation vertreten, und es wird an uns liegen, einem solchen Verhalten künftig Einhalt zu gebieten. Gerade dort, wo es um kleine Pensionen geht, muss nachgebessert werden, um ein soziales Auslangen zu finden. Soziale Sicherheit muss in unserem Land einfach gewährleistet werden. Die Abdeckung der Grundbedürfnisse muss für alle gewährleistet sein und werden.

Dass in der jetzigen Regierung nicht alle so denken und empfinden, ist klar erkennbar. Wenn die Frau Sozialministerin mit ihren mehr als 17 000 Euro Ministerinnengehalt im Zusammenhang mit der Mindestsicherung feststellt, dass man mit 150 Euro im Monat leben kann, so disqualifiziert sich diese Aussage von selbst. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Mit einer solchen Einstellung kann man die Sorgen und Nöte vieler kleiner Menschen nicht nachvollziehen. Solche Aussagen sind fernab jeder realen Lebenssituation, wenn man weiß, dass viele Menschen jeden Monat ums tägliche Brot kämpfen müssen, dass sie jeden Cent zur Seite legen müssen, um die Heizkosten zahlen zu können, um sich die Mietkosten leisten zu können und das Notwendigste an Lebensmitteln kaufen zu können.

So ist die Situation, wie sie sich heute darstellt. Dieser Realität ist zu entsprechen, wenn man über Pensionserhöhungen diskutiert, und dazu gehört in jedem Fall der Dialog mit allen Beteiligten. Die türkis-blaue Regierung betreibt eine totale Gesprächs­verweigerung. Das steht im Widerspruch zum Weg des Dialogs, der Verhandlungen und der Sozialpartnerschaft, der Österreich einst großgemacht hat. Jetzt wird nur mehr dekretiert und nicht mehr diskutiert.

Generell ist eine völlige Neugestaltung der Pensionsanpassung zu fordern. Erstens: Verhandlungen mit den Pensionistenvertretern sind gesetzlich festzuschreiben. Zwei­tens: Neue Berechnungsformen für die jährliche Pensionsanpassung sind zu ent­wickeln. Drittens: zusätzliche Berücksichtigung der Lohnentwicklung und des Wirt­schafts­wachstums.

Derzeit kürzt die Regierung die Kaufkraft der Pensionisten. Man verkennt in diesem Zusammenhang auch die große volkswirtschaftliche Bedeutung der älteren Generation in Österreich. Man bedenke die Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahl, die Steuer­flüsse, die Wirtschaftsentwicklung und vieles mehr!

Das, meine Damen und Herren, gilt es zu erkennen und künftig bei Verhandlungen über Pensionserhöhungen, wenn sie stattfinden sollen, zu berücksichtigen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.22

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.