16.27

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der ein Bild des Polizeieinsatzes zu sehen ist, auf das Rednerpult.) Wir haben gerade einen Innenminister erlebt, so wie wir ihn ja schon mehrmals hier in diesem Haus erleben durften (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller): aggressiv im Stil und in der Art gespielt das Unschuldskind vom Lande – schuld sind immer die anderen, bei mir sucht keine Schuld! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wenn ich eines mit unserem Fraktionsvorsitzenden gemein habe, dann dass ich selber nicht sportinteressiert bin, außer dass ich selbst ein bissl Sport mache. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich schaue aber keinen Sport im Fernsehen, auch nicht live, und bin demnach weder ein Rapidler noch ein Austria-Anhänger – das ist mir vollkommen egal.

Am 16. Dezember 2018 hat es beim 328. Wiener Derby laut der Meinung der Fuß­ballinteressierten ein fußballerisches Debakel, nämlich für Rapid, gegeben. Ich meine, es hat ein rechtsstaatliches Debakel für unsere Demokratie gegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Verantwortlich dafür ist die oberste Führungs­ebene, angefangen beim Herrn Bundesminister. Verstecken Sie sich bitte nicht wieder wie beim BVT-Skandal hinter Ihren Beamten! (Bundesrat Spanring: Kollege Schabhüttl, stehst du hinter solchen Aussagen?)

Ob es Schneebälle, Pyrotechnik oder Getränkedosen gegeben hat, die geworfen wurden: Jeder Einzelne soll dafür bestraft werden. – In einem Video, das die Polizei am Montagabend veröffentlich hat, sind tatsächlich Gegenstände zu sehen gewesen, die auf die Fahrbahn geworfen wurden, mutmaßlich vor allem Schneebälle – sieben Stück in den 34 Minuten dieses Videos. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Natürlich ist das dumm, Schnee auf eine stark befahrene Autobahn zu werfen, aber war dagegen der Einsatzbefehl nicht unverhältnismäßig und ausufernd? (Neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ.) Wurde vielleicht gar bewusst und von langer Hand geplant Öl ins Feuer gegossen?

Ich bin auch für Recht und Ordnung. (Bundesrätin Mühlwerth: Unfassbar! – Ruf bei der FPÖ: Was ist denn das für einer ...!) Ich bin dafür, dass jeder Polizeimitarbeiter und jede Polizeimitarbeiterin jede Ausstattung und die gesetzlichen Möglichkeiten bekommt und besitzt, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen; aber an diesem 16. Dezember 2018 beim Wiener Derby wurden die Polizeikräfte durch Ihre Befehle missbraucht und unverhältnismäßig eingesetzt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie selber sagten, es waren einige wenige – einige wenige, haben Sie selber vorhin geschildert –, die zur Unruhe beigetragen haben – und dafür nehmen Sie 1 400 Men­schen in Geiselhaft (Widerspruch bei der FPÖ); da sind Männer dabei, da sind Kinder dabei, da sind schwangere Frauen dabei. Auf einem schlammigen, abschüssigen und rutschigen Trampelpfad haben Sie 1 400 Menschen in Geiselhaft genommen. (Neuer­liche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Schämen Sie sich, Herr Minister, schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ.)

Die polizeilichen Anweisungen sind von der anderen Straßenseite über Lautsprecher gekommen – von der anderen Straßenseite sind polizeiliche Anweisungen gekommen! (Bundesrat Schuster: Wahrscheinlich hat es ein paar SPÖler dabei gegeben!) Es dauerte 7 Stunden lang bei Minusgraden in eisiger Kälte, wir hörten es schon, Leute sind im Schlamm gekniet, weil sie nicht mehr stehen konnten – und dann sprechen Sie von einem professionellen und umsichtigen Vorgehen! Haben Sie noch ein Gewissen, Herr Minister?  Das muss ich Sie fragen.

Bilanz dieser stundenlangen Massenanhaltung: eine einzige Anzeige – eine einzige Anzeige! – wegen Gemeingefährdung und eine einzige verwaltungsrechtliche Fest­nahme.

Nochmals: Der Bewurf der Fahrbahn ist durch nichts zu entschuldigen. Wenn jedoch das Resultat eines Einsatzes gegenüber 1 400 Menschen eine Anzeige und eine Festnahme ist, dann muss ich die Frage stellen, ob die Verhältnismäßigkeit nicht bei Weitem überbordet wurde. Aus welchen Motiven auch immer Leute ihrer Freiheit beraubt wurden – und zwar stundenlang –, es ist in einer völlig unangemessenen und jegliche Verhältnismäßigkeit mit Füßen tretenden Art und Weise passiert, indem sie in einem Kessel festgehalten wurden. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Neben diesem Skandal (Bundesrat Steiner: Der Skandal seid ihr!) haben wir alle miteinander noch ein Riesenglück gehabt, dass dieser 16. Dezember 2018 in Wien nicht gleich wie der 24. Juli 2010 in Duisburg geendet hat. Ich erinnere an das tragische Unglück bei der Loveparade, als aufgrund einer Massenpanik 21 Menschen gestorben und 541 schwer verletzt worden sind. Am 16. Dezember standen wir knapp davor (Bundesrätin Mühlwerth: Ich mein, ich spinn!), verschuldet, angeordnet von der obersten Führungsebene des BMI. (Bundesrätin Mühlwerth: Du weißt ja überhaupt nicht, wovon du redest!) Die Menschen waren an der engsten Stelle, auf schlam­mi­gem, unbefestigtem Untergrund auf einer engen Fläche eingepfercht, direkt unter der Brücke. (Bundesrat Steiner: Da ist wohl Asphalt, oder?!) – Nein, da ist kein Asphalt, sondern auf der Fahrbahn, aber nicht dort, wo die 1 400 Menschen gestanden sind.

Direkt unter der Brücke verläuft die Wiener Südosttangente, die selbst am Sonntag stark befahrenen ist. (Bundesrat Rösch: Das sieht man eh!) Zur Erinnerung: Neben dem Metallgeländer geht es in etwa 10 Meter in die Tiefe. Das ist sicherheitstechnisch ein sehr problematischer Ort, um da für 7 Stunden 1 400 Menschen zusammen­zu­pferchen. Dieses Metallgeländer ist allerdings keinesfalls für größere Menschen­an­sammlungen in Extremsituationen gedacht, in denen die Gefahr von Panik und Ge­dränge besteht.

Den Durchmarsch, diesen Fanmarsch in diesem Bereich, der an der schmalsten Stelle nur 4,2 Meter breit ist, zu verzögern und die Fans letztlich sogar stundenlang im engsten Raum einzukesseln, ist ein wahrer Skandal.

Zum einen wurde die Katastrophe einer Massenpanik bewusst in Kauf genommen. Bei Panik und Tumulten hätte es Schwerverletzte oder gar Tote geben können. Seien wir alle miteinander froh, dass das nicht passiert ist! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Stögmüller und Dziedzic.)

Zum anderen wurden aber genau durch Ihre Anweisungen auch die Autofahrer einer großen Gefahr ausgesetzt, denn: Wenn die Gefahr bestand, dass Fans Gegenstände auf die Autobahn werfen, warum hat man dann diese Fans genau über dieser Auto­bahn eingekesselt? – Einerseits gibt es ein Gefahrenmoment, und zum anderen verlängert man die Dauer dieses Gefahrenmoments selbst über 7 Stunden und hält es somit aufrecht. Herr Minister, geht’s noch ganz? Geht’s noch ganz? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Was ist denn mit dir los?! – Bundesrat Schuster: Wer hat denn dir die Rede geschrieben?!) Erst meint man, dass die Autofahrer darunter gefährdet sind, und dann hält man genau darüber die Fans auf. Also wenn es weiterhin die Gefahr gab, von Wurfgegenständen getroffen zu werden, warum hat man den Einsatzbefehl gegeben, dass die 1 400 Fans genau darüber angehalten werden?

Es gibt auch Hinweise, dass dies eine gezielte Machtdemonstration war (Zwischenrufe bei der FPÖ), von langer Hand gut vorbereitet, vorsätzlich geplant. (Bundesrat Schuster: Dann leg das auf den Tisch!) All dem werden wir noch nachgehen müssen. (Bundesrat Steiner: Wo sind ... die Beweise für deine Behauptungen?!) Wenn, zugegeben, vielleicht ein paar Ultras mit einer dämlichen Zahlenkombination bewusst Polizeikräfte provozieren wollten, dann sollte der Staat gescheiter sein und sich nicht provozieren lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er auch nicht gemacht!)

Abschließend (Bundesrätin Mühlwerth: Na endlich!) möchte ich Teile von einem Brief vorlesen, der mir zugegangen ist. (Rufe bei der FPÖ: Wer war das wieder?! Von Rapid wahrscheinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Darin heißt es: Sehr geehrter Bundesminister Kickl! Als empörter Familienvater kann ich es mir nicht verkneifen (Bundesrat Schuster: Das ist ein SPÖler!), Ihnen ab­schließend Folgendes vorzuschlagen (Bundesrat Steiner: Das ist ein Brief von einem Parteimitglied ...!): Die kommenden Feiertage bieten sich für einen ganz interessanten Versuch an. Verbringen Sie, Herr Bundesminister, als politischer Entscheidungsträger und Verantwortungsträger für diesen Vorfall bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gemeinsam mit Ihrer Familie einen Nachmittag im Freien, tun Sie das für mindestens sechs Stunden (Ruf bei der FPÖ: Ein rechtschaffener Mensch muss das nicht machen!), verzichten Sie auf Lagerfeuerromantik, verzichten Sie auf Weihnachts­punsch, auf Maroni und dergleichen, benützen Sie auch keine Toiletten! (Ruf bei der FPÖ: ... Tiefpunkt der SPÖ!) Vielleicht empfinden Sie ein wenig Mitgefühl mit jenen 1 400 Mitbürgern, die so den dritten Adventsonntag verbracht haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Und jetzt kommt’s! – In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort, mit freund­lichen Grüßen: Horst Blümel, ÖVP-Vizebürgermeister der Gemeinde Leithaproders­dorf. – Zitatende.

Einen schönen Abend! (Beifall bei der SPÖ.)

16.39

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth übergibt Bundesrat Weber, der sich auf seinen Platz begibt, die Tafel, die er auf dem Rednerpult vergessen hat. – Bundesrat Weber: Danke, danke! – Bundesrätin Mühlwerth: Bitte, sehr gerne! – Ruf: ... Geschenk als Weihnachtsandenken! – Ruf: Hören Sie sofort damit auf! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)