9.37

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Lan­deshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren auf der heute vollbesetzten Galerie hier im Plenarsaal! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bild­schirmen! „Gemeinsam für Österreich – Miteinander für Europa“: ein kurz und knapp formuliertes Motto, jedoch mit einer entscheidenden und bedeutenden Aussage – einer Aussage, die in Zeiten der wachsenden nationalen Egoismen in der Gesellschaft an Geltung gewinnt. Es steckt darin ein klares Bekenntnis zur Demokratie, zum Rechts­staat, ein Bekenntnis zur Gleichberechtigung und unteilbaren Menschenwürde in ei­nem starken, stabilen, gerechten Österreich und einem einigen und erfolgreichen Europa.

Der Herr Landeshauptmann hat es schon angesprochen: Wir erleben jetzt aufgeregte Tage in der EU, die nicht enden wollende Diskussion zum Thema Brexit. Niemand weiß, wie das ausgehen wird. Wenn es so ausgeht, wie wir uns das alle vorstellen, dann wird das nicht gut sein, nicht gut für Großbritannien, nicht gut für Europa. Es ist auch erschreckend, zu sehen, mit welcher Kurzsichtigkeit gegen die EU vorgegangen wird. Man muss sich stets bewusst sein, dass die EU bei allen Unzulänglichkeiten, die es gewiss auch gibt, doch die bedeutendste zivilisatorische Leistung der Nachkriegs­zeit darstellt; als ein von Waffen und Ideologen zerstörter, am Boden liegender Kon­tinent einen Weg des Miteinanders eingeschlagen hat, der Hunderte Jahre alte Kon­flikte, Rivalität und Chaos durch einen gemeinsamen Geist des Friedens ersetzt hat.

Es ist nun unsere gemeinsame Aufgabe in der Politik, Europa über alle Parteigrenzen hinweg zu stärken und zu kooperieren. Kärnten profitierte in vielfacher Hinsicht davon. Der Herr Landeshauptmann hat es schon erklärt, ich möchte das noch einmal mit Zah­len unterlegen: Wir in Kärnten haben seit dem Beitritt 1995 2 Milliarden Euro in der EU abgeholt. Wir haben bis zum Jahr 2020 420 Millionen Euro zur Verfügung.

Viele, die hier herinnen sitzen, sind Bürgermeister, arbeiten vor Ort und wissen, dass man Geld aus dem Leaderbereich heranschaffen kann und gute Projekte damit unter­stützen kann. Das trifft auch auf den Efrebereich zu, auf den ESF, und man kann mithilfe von Erasmus Studentenaustausch fördern. Das alles ist sehr wichtig. Die Un­terstützung und die Förderung von Standortentwicklung und grenzüberschreitender Zu­sammenarbeit – so wie es bei uns in Kärnten in vielen Bereichen, im Bereich der In­frastruktur, der Forschung, der Innovation, der Bildung ist – tragen vor allem auch zu den positiven Wirtschaftszahlen, die wir in Kärnten haben, bei. Wenn man sich allein die milliardenschwere Investition von Infineon anschaut, dann weiß man, wie wichtig das Zusammenwirken dieses Wirtschaftsraums ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht umsonst sitzt unser Landeshauptmann im Europäischen Ausschuss der Regio­nen – das ist Chefsache –: um mit dabei zu sein, um zu sehen, was passiert und was für unser Land Kärnten gemacht werden kann.

Meine Damen und Herren! Wir reden nicht nur von einer Wirtschaftsgemeinschaft, wir reden auch von einer Wertegemeinschaft. Wir reden von Werten wie Freiheit, Demo­kratie und Achtung der Menschenrechte, basierend auf Grundfreiheiten sowie auf der Rechtsstaatlichkeit. Das alles muss garantiert werden und bleiben. Die großen globa­len Fragen der Migration, der Steuergerechtigkeit bei Großkonzernen, der gerechten Vermögensverteilung, der Handelsabkommen – das haben wir hier ja lange genug dis­kutiert –, des Umwelt- und Naturschutzes sind nur in Europa zu lösen. Mitbewerbern wie den USA, Russland und China können wir nur als geeintes Europa gegenüber­treten.

Wenn ich mir vorstelle, dass der letzte Präsidentschaftswahlkampf in Amerika von ei­nem Mann, von Steve Bannon, beeinflusst worden ist, der sich im Darknet herumge­trieben hat, um dort den Wahlkampf zu beeinflussen – das ist ihm auch grundsätzlich gelungen –, und sich dieser Mann jetzt nach Europa begeben hat und versucht, den EU-Wahlkampf zu beeinflussen, dann kann ich mir ausrechnen, was auf uns zukommt. Ich glaube bei dieser Gelegenheit sagen zu können, dass Europa als solches - - (Bun­desrat Steiner: Silberstein!) – Entschuldigung, was hast du gesagt? (Bundesrat Stei­ner: Tal Silberstein! – Bundesrat Köck: Den habt ihr gehabt! – Bundesrat Weber: Lass ihn reden!) – Also Bannon und Silberstein sind, glaube ich, nicht zu vergleichen.

Es braucht ein handlungsfähiges Europa, meine Damen und Herren. Das wird für uns in weiterer Folge sehr wichtig sein, denn wenn wir ein schwaches Europa haben, wür­de das diesen drei großen Nationen nur nützen. Freilich bedarf es mancher Korrektu­ren und Verbesserungen. Die EU hat manchen Irrweg hinter sich und darf nicht zu einem bürokratischen Gerippe verkommen. Kritik muss konstruktiv sein und sie muss weiterbringen. Wir Kärntner sind bereit, aktiv mitzugestalten.

Es lässt aber nichts Gutes erahnen, wenn etwa der FPÖ-Spitzenkandidat zum Wahl­kampfauftakt mit echter Kampfrhetorik seinen Mitbewerbern verbal den Fehdehand­schuh ins Gesicht wirft. Es lässt nichts Gutes erahnen, wenn die AfD, die offen die Ab­schaffung des EU-Parlaments fordert, in der FPÖ einen Partner im Geiste sieht oder wenn ein Kommissionspräsident oder andere Staatschefs unqualifiziert attackiert wer­den. Umso mehr müssen wir hier und heute die Begeisterung bei den Menschen in Ös­terreich wecken, zur Wahl zu gehen, um ein gerechtes Europa zu erarbeiten.

Zu Österreich: Die Globalisierung hat die Welt näher zusammengerückt, aber sie hat sie nicht im gleichen Ausmaß gerechter gemacht. Das gilt im Großen, vor allem aber auch im Kleinen. Die bisherige Bilanz dieser Regierung mit dem 12-Stunden-Tag, mit der Zerschlagung der Sozialversicherung, dem Kippen des Rauchverbots in der Gastro­nomie oder der Kürzung der Mindestsicherung – um nur einige Gesetzesinitiativen zu nennen – ist verheerend und ein Beleg für die großen Einschnitte, die auf uns und auf die Bevölkerung zukommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das habt ihr beim 12-Stunden-Tag auch gesagt! Und hat es gestimmt? – Nein!) Wir Sozialdemokraten wollen, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, ein gutes Leben zu führen, mit dem Recht auf eine gute Ausbildung, auf fair bezahlte Arbeit, auf beste medizinische Versorgung und auf Pflege und Unterstützung, wenn es notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Änderungen, die im Bereich der Bedarfs­orientierten Mindestsicherung auf uns zukommen werden oder zumindest angedacht sind, anschaue, sehe ich, dass das vor allem Familien (Bundesrätin Mühlwerth: Fami­lien? Aha!), in besonderem Maße kinderreiche Familien, Pflegebedürftige, aber auch Zuwanderer betrifft. Es trifft damit vornehmlich einen Personenkreis, der ohnedies viel­fach an der Armutsgrenze lebt und für den weitere Einsparungen eine Existenzfrage darstellen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Energiearmut!)

Im Zuge des Begutachtungsverfahren – da hat es ja eines gegeben – gab es 130 Stel­lungnahmen, davon waren drei positiv. Das sollte euch endlich einmal zu denken ge­ben, nämlich was die Menschen vor Ort denken. Wenn Kardinal Christoph Schönborn sagt, dass am Rand der Gesellschaft gespart wird, dann hat er wohl recht. Besonders gut gefallen hat mir der Spruch des Herrn Landeshauptmannes, den er hier getätigt hat: „Es geht mir nicht besser, wenn es anderen schlechter geht“. – Das ist wahr und richtig! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich möchte gar nicht auf die 150 Euro eingehen, die laut der Sozialministerin reichen, um davon einen Monat lang leben zu können, ich habe aber das Gefühl, dass man in der Regierung mit Aussagen bewusst provozieren will und die allgemeine Empörung dazu nutzt, um sich als missverstandenes Opfer darzustellen. Das ist ein Spiel, das Ausreizen der Grenzen des Erträglichen, das Ausloten des Mögli­chen. Ein brandgefährliches Spiel hat ja auch Bundesminister Kickl gespielt, indem er an der Rechtsstaatlichkeit und an der Europäischen Menschenrechtskonvention ge­zweifelt hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Kickl hat trotzdem recht gehabt!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Wir in Kärnten haben einige Pro­jekte auf den Weg gebracht; mein Kollege Gerhard Leitner wird noch über die Pflege reden. Ich aber möchte vielleicht eines noch kurz verstärken, bevor ich zum Abschluss komme: Sie haben in den letzten drei Tagen im Fernsehen gesehen, dass über die Artenvielfalt in der Tierwelt bei uns in Österreich und auch in Deutschland diskutiert wird. Es wurde gezeigt, dass die Hälfte der Arten weggefallen ist. Wir in Kärnten sind mit unserem Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser die Ersten, die zumindest im privaten Bereich ein Verbot von Glyphosat angekündigt haben. Strengen Sie sich an, versuchen wir, das auf österreichischer Ebene durchzusetzen und dann weiter im Bereich der Landwirtschaft, sonst wird das passieren, was im Fernsehen jeden Tag berichtet wird, nämlich dass die Artenvielfalt der Tiere verschwindet! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Einen Satz noch zum Wasser, weil der Herr Präsident dieses Thema angesprochen hat: Sie wissen, dass 97,5 Prozent des Wassers auf der ganzen Welt Salzwasser sind, 2,5 Prozent Süßwasser. Wie bewusst wir mit der Ressource Wasser umgehen müs­sen, ist, glaube ich, jedem klar; in diesem Raum sitzen genug Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die das wissen. Wir in der Nationalparkgemeinde Mallnitz verlangen für einen Kubikmeter Wasser 0,90 Cent, in Kopenhagen kostet er derzeit 6,79 Euro. Sie sehen also, welche Probleme auf uns zukommen. Auf dieser Welt gibt es siebenein­halb Milliarden Einwohner, und davon haben 783 Millionen keinen Zugang zu saube­rem Wasser – wir wissen, was in diesem Bereich auf uns zukommt.

Zum Abschluss: Das Miteinander in der Politik, auf Augenhöhe eine offene, vorurteils­freie Diskussion zu maßgeblichen und dringenden Problemen unserer Gesellschaft zu führen, das ist das Wichtigste. Wir Sozialdemokraten stehen für eine lösungsorientierte Sachpolitik und für „Gemeinsam für Österreich“. (Beifall bei der SPÖ.)

9.49

Präsident Ingo Appé: Ich darf nun noch eine weitere Präsidentin des Bundesrates au­ßer Dienst begrüßen: Ana Blatnik, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.