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Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsi­dent! Lieber Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hause, vor den Fernsehgeräten und via Internet! Diese Debatte mit dem Landeshauptmann des vorsitzführenden Bundes­landes Kärnten findet, wie ich meine, in einer besonders spannenden Zeit statt, in einer besonders herausfordernden Zeit, in der wir – Herr Landeshauptmann Kaiser hat es angesprochen – den globalen Kontext nie außer Acht lassen sollten: dass wir in einer Welt leben, in der es Kriege gibt, dass wir in einer Welt leben, in der es Krisen gibt, in einer Welt, in der die Wirtschaft zum Spielball gemacht wird, wenn es um Interessen von Regionen und Nationalstaaten geht, und in einer Welt, in der Armut, Hunger, Not und Leid nicht vom Erdball verbannt sind.

So ist es, glaube ich, notwendig, auch einige Schlaglichter auf diese Welt zu werfen, auf unsere Europäische Union zu werfen, auf Österreich und die Möglichkeiten, die Re­gionen und Bundesländer und somit wir als Ländervertreter im österreichischen Parla­ment haben, um einzugreifen, um den Menschen bei uns im Land und vielleicht auch darüber hinaus ein Stück weit Sicherheit und Zukunft zu offerieren, auf Basis der Grundrechtecharta der Europäischen Union, der Menschenrechtscharta und der Grundfreiheiten, die es in der Europäischen Union gibt – die für viele heute eine Selbst­verständlichkeit sind, aber nicht wirklich eine Selbstverständlichkeit sind –, nämlich vom freien Personenverkehr über den freien Warenverkehr, über den freien Dienstleis­tungsverkehr bis hin zum freien Kapitalverkehr. Wir können den Menschen, die in Eu­ropa leben, ein Stück weit Sicherheit und eine Perspektive für die Zukunft geben.

Ich kenne Herrn Landeshauptmann Kaiser seit vielen Jahren als einen engagierten Vertreter seines Heimatbundeslandes, aber auch der österreichischen Bundesländer insgesamt, im Ausschuss der Regionen. Wir beide waren auch in der Fachkommission für Wirtschaftspolitik und haben versucht, unsere Regionen und Europa insgesamt durch Initiativen weiterzubringen. Es sind meist die Themen, die selten in den Head­lines großer Medien stehen, die die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ganz be­sonders betreffen.

Es wurde der Brexit angesprochen: Man könnte meinen, das sei ein Problem zwischen einem Land und den 27 in der Europäischen Union verbleibenden Ländern und werde sich schon irgendwie ausgehen, aber wir haben gestern im EU-Ausschuss des Bun­desrates eine sehr engagierte Debatte über Notfallmaßnahmen für den Fall, dass kein Deal, also kein Abkommen mit Großbritannien zustande kommt, geführt, um sicherzu­stellen, dass die Österreicherinnen und Österreicher, die Menschen aus unseren Bun­desländern, die in Großbritannien leben und arbeiten, Möglichkeiten vorfinden, um dortbleiben zu können. Es soll auch vice versa so sein, es soll Reziprozität gegeben sein, damit auch Briten in Österreich und in Europa diese Möglichkeiten haben. Das sind ja existenzielle Fragen, nicht nur für die einzelnen Personen, sondern sehr oft auch für deren Familien, die mit ihnen in diesen Ländern leben, und damit auch Zu­kunftsfragen, mit denen Ängste verbunden sind. Ich glaube, unsere vornehmste Aufga­be als Repräsentanten der österreichischen Bevölkerung ist es, diesen Menschen ein Stück weit Sicherheit zu offerieren, soweit man das beim jetzigen Stand der Verhand­lungen überhaupt tun kann.

Es wurde angesprochen, dass der Mehrjährige Finanzrahmen in Verhandlung steht, und ja, der Mehrjährige Finanzrahmen auf europäischer Ebene hat auch große Auswir­kungen auf die österreichischen Bundesländer. Kollege Novak hat die Erfolgsge­schichte seines Bundeslandes beim Einwerben von europäischen Fördermitteln ange­sprochen. Ich als Steirer könnte Ihnen dieselbe Erfolgsgeschichte betreffend mein Hei­matbundesland erzählen: Wir konnten seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union in meinem Heimatbundesland über 70 000 Beschäftigungsverhältnisse zusätz­lich aufbauen.

Das allein sind doch, neben den Fragen der Friedenssicherung, neben den Fragen der sozialen Sicherheit, Argumente, die für diese gemeinsame Europäische Union spre­chen. Ausgedrückt wird das natürlich in den Budgetzahlen und in der Budgetpolitik der Europäischen Union. Wenn der Mehrjährige Finanzrahmen jetzt in Verhandlung steht, ist es natürlich wichtig, dass die Fragen der Landwirtschaft geklärt sind, dass die Mittel insbesondere für den ländlichen Raum, die Elermittel, aber beispielsweise auch die Efremittel für die Wirtschaft gesichert sind, dass darüber hinaus aber, und dazu be­kenne ich mich schon, einige neue Akzente gesetzt werden.

Ich glaube, es ist notwendig, dass wir, und damit meine ich Europa insgesamt, als eine der wirtschaftlich stärksten Regionen der Welt auf das Thema Innovation, auf das The­ma Forschung und Entwicklung und ganz besonders auf das Thema Jugend – und da­mit ist unter anderem die Ausweitung des Erasmusprogramms gemeint – setzen. Es wird notwendig sein, in Nuancen Verschiebungen in den Budgetbestandteilen vorzu­nehmen, andernfalls kann diese fortschrittliche Zukunftspolitik in Europa nicht stattfin­den.

„Gemeinsam für Österreich – Miteinander für Europa“ ist das Motto des Kärntner Vor­sitzes der Landeshauptleutekonferenz. Ich als Steirer habe es schon angesprochen, Kärnten und die Steiermark trennt zwar eine Grenze, aber beide Bundesländer haben über die letzten Jahre hinweg sehr viel Gemeinsames entwickelt. Wenn ich das Thema Innovation anspreche, meine ich, dass es zwischen diesen beiden Bundesländern Zu­kunftsinitiativen gibt – die gibt es auch zwischen anderen Bundesländern, aber heute geht es um Kärnten –, und diesbezüglich setzen wir, glaube ich, Akzente, die in Europa auffällig sind. Da geht es beispielsweise um Silicon Alps, um den Silicon Cluster, der zwischen den beiden Bundesländern entsteht. Die Steiermark hat eine sehr starke For­schungseinrichtung, Joanneum Research, und da ist Kärnten seit einiger Zeit Mitge­sellschafter. Wir versuchen gemeinsam, den Wirtschaftsraum zu entwickeln und für Menschen in der Forschung ganz besondere Arbeitsmöglichkeiten einzurichten. Silicon Alps ist beispielsweise ein Spitzenforschungsinstitut für elektronikbasierte Technolo­gien, das uns in Zukunft noch sehr viel Freude machen wird.

Da die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und der österreichischen Bun­desregierung angesprochen wurde: Wenn Infineon in Villach permanent Erweiterungs­schritte setzt, ist das ja auch ein Stück guter Zusammenarbeit zwischen der österrei­chischen Bundesregierung und dem Bundesland Kärnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist viel Richtiges angesprochen worden: Wir alle wollen saubere, sichere und gesunde Lebensmittel, wir alle wollen den Schutz unseres Wassers. Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat sich wiederholt mit den Fragen der Trinkwasserrichtlinie und des Abwassermanagements auseinandergesetzt und ist diesbezüglich auch bei der Europäischen Kommission vorstellig geworden. Wir werden diese konsequente Haltung auch weiter ausbauen, weil uns gute Nachbar­schaft wichtig ist. Wir hatten gestern im EU-Ausschuss eine sehr intensive Debatte mit den Botschaftern der sechs Westbalkanländer, also den Botschaftern Südosteuropas, wo es auch um eine gute Nachbarschaft geht. Diesbezüglich zeichnen ja Kärnten und mein Heimatbundesland, die Steiermark, mit ihren Nachbarn in der Alpen-Adria-Allianz in den vergangenen Jahren für einige sehr, sehr positive Beispiele verantwortlich.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kaiser, du hast über „Gemeinsam für Öster­reich“ gesprochen. Es wurde schon angesprochen, dass heute auf der Tagesordnung des Bundesrates durchaus noch ein interessanter Punkt steht, nämlich die Debatte zum Ökostromgesetz. Dieses Gemeinsame hätte ich mir diesbezüglich natürlich von dir und den Kärntner Bundesräten gewünscht. Du weißt, dass es um 47 Anlagen in Ös­terreich geht, die mit dieser Ökostromnovelle über die nächsten drei Jahre eine Absi­cherung erfahren sollten. Damit wäre gewährleistet, dass der ländliche Raum gestärkt wird, damit wäre gewährleistet, dass mehrere Tausend Arbeitsplätze abgesichert sind, und damit wäre insbesondere auch ein Mosaikstein dafür gesetzt, dass wir hinsichtlich der Klimaziele entsprechend weiterkommen. Wie es aussieht, scheint das nicht mög­lich zu sein. Ich hätte mich trotzdem sehr gefreut, wenn die Vertreter deines Heimat­bundeslandes – und ich weiß, dass die SPÖ-Vertreter meines Heimatbundeslandes diese Frage durchaus differenziert sehen – sich diesbezüglich anders verhalten wür­den. Das würde Österreich gut anstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir starke Regionen, starke Bundesländer in einem star­ken gemeinsamen Europa wollen; dafür treten wir gemeinsam ein, dafür ist dieses den Vorsitz innehabende Bundesland mit seinem Motto bereits entsprechend eingetreten. Wenn wir diese Ziele gemeinsam verfolgen – der EU-Ausschuss des Bundesrates wird sich schon nächste Woche in Brüssel mit dem für die Finanzen zuständigen EU-Kom­missar Oettinger und dem Nachbarschaftskommissar Hahn austauschen –, wenn wir das gemeinsam wollen, dann werden wir Europa und damit Österreich ein Stück nach vorne bringen, und das ist im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.00

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.