10.39

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Wir alle haben noch die Bilder des letztjährigen Jahrhundertsommers im Kopf. Viele von uns werden sagen: Ein wunder­barer Sommer mit sehr guten Freizeitgestaltungsmöglichkeiten!, es gibt aber auch vie­le, vor allem aus meiner Berufsgruppe, die ich hier vertreten darf, die schreckliche Erin­nerungen an den letzten Sommer haben.

Der letzte Sommer war verbunden mit langen Dürreperioden mit massiven Folgen für die Landwirtschaft – mit Ernteausfällen, mit Schädlingsbefall, aber auch mit Problemen in der Wasserversorgung. Die Quellen versiegen und die Brunnen sind ausgetrocknet. Verbunden mit dieser Trockenheit gab es lokal extreme Gewitterereignisse mit Stark­regen und Sturm, mit Schäden an Gebäuden, mit Schäden an kommunalen Infrastruk­turen, aber auch an landwirtschaftlichen Fluren und im Wald.

Die Folgen dieser Schäden sind längst noch nicht beseitigt, trotzdem – die Zeit ist ins Land gezogen – ist für viele von uns vieles schon wieder in Vergessenheit geraten; nicht so bei den direkt betroffenen Landwirten, deren Scheunen aufgrund der Trocken­heit längst leer sind, nicht so bei den Kartoffelbauern, die aufgrund des Schädlingsbe­falles einen Großteil ihrer Ernte vernichten mussten, aber auch nicht so bei den Wald­bauern, die vielerorts darauf warten, dass der Schnee im Wald endlich schmilzt, damit das Schadholz so schnell wie möglich aufgearbeitet werden kann, damit die nächste Borkenkäferplage, die uns unter Umständen schon wieder bevorsteht, so gut wie mög­lich vermieden werden kann.

Viele Wissenschaftler bestätigen uns: Das sind eindeutige Zeichen eines rapiden Kli­mawandels, welcher gerade bei uns im Alpenraum seine Auswirkungen noch deutli­cher und noch schneller zeigt. Sowohl global mit dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 als auch auf EU-Ebene mit der Formulierung der Klimaziele sind sehr ambitionierte Ziele zur Eindämmung des Klimawandels definiert worden. Diese Be­schlüsse führen aber erst zum angestrebten Ziel, wenn dazu konkrete Maßnahmen for­muliert werden und die Nationalstaaten sie auch umsetzen.

Im Bewusstsein der Dringlichkeit dieses globalen, aber, wie bereits erwähnt, für unser Alpenland besonders aktuellen und akuten Problems hat unsere Frau Bundesminister Köstinger als eine ihrer ersten Aufgaben als Nachhaltigkeitsministerin die Erarbeitung der Klima- und Energiestrategie 2030 in Auftrag gegeben. Die Strategie beinhaltet nicht nur Ziele, sondern notwendige Maßnahmen für eine saubere und sichere Energiewen­de, Maßnahmen, um den Klimawandel zu bremsen und eine möglichst autonome und saubere Energieversorgung in Österreich sicherzustellen.

Die Strategie gibt mehrere Ansätze vor. Ein wesentlicher dabei ist die Steigerung der Energieeffizienz, und diese Steigerung wird sich vor allem durch thermische Sanierun­gen bei Raumwärme umsetzen lassen. Raumwärme gehört zu den größten Verursa­chern von Emissionen, und man denkt, dass man da mit relativ einfachen Maßnahmen auch zum Ziel kommt.

Eine zweite Strategie ist die eines noch stärkeren Einsatzes von erneuerbarer Energie. Da setzt man vor allem auf Photovoltaik und Windenergie. Die Schwäche dieser An­lagen liegt darin – das wissen wir alle –, dass sie nur Energie erzeugen, wenn die Son­ne scheint oder wenn der Wind weht. Es braucht daher zum Ausgleich auch eine alter­native Stromerzeugung, die steuerbar ist, die zurückgefahren werden kann, wenn viel elektrische Energie aus Wind- und Photovoltaikanlagen am Markt ist, und die angefah­ren werden kann, wenn aus Wind und Sonne gerade keine oder wenig Energie zur Verfügung steht. Daher müssen wir unbedingt auf die Wasserkraft, die Gott sei Dank in unserem Land so zahlreich vorhanden ist, mit ihren Speicher- oder Pumpspeicherkraft­werken, aber auch – und da kommen wir zu dem Punkt, der heute, glaube ich, noch sehr wichtig werden wird – auf die Biomassekraftwerke setzen. Auf keinen Fall, und das ist, glaube ich, unser aller Wille, darf der Ausgleich dieser Stromschwankungen mit importiertem Strom aus Atomkraftwerken oder mit fossilen Stoffen betriebenen Kraft­werken getätigt werden. Das widerspräche ja wiederum klar der Klimastrategie.

Eines sei auch vorangestellt, weil es immer um die Marktfähigkeit des aus erneuerba­ren Energien erzeugten Stromes geht: Atomstrom und Strom aus kalorischen Kraft­werken sind zweifellos billiger am Markt zu kaufen. Das ist aber aus meiner Sicht eine sehr kurzfristige Betrachtungsweise, denn nicht eingerechnet sind da natürlich die Fol­gekosten dieser Energieformen, beispielsweise die Kosten für die Endlagerung oder Zwischenlagerung der Brennstäbe oder die nicht abschätzbaren Kosten für Umwelt­schäden, verursacht durch den Betrieb dieser Kraftwerke. Und an die wirklich großen Katastrophen im Zusammenhang mit dem Betrieb dieser Anlagen, wie wir sie alle in Erinnerung haben, in Tschernobyl, in Fukushima, will man gar nicht erst denken. Wenn man also die Kosten der Nachsorge hinzurechnet, dann, davon bin ich überzeugt, kön­nen die Kosten für Strom aus alternativen Energien schon heute jederzeit mithalten.

Am Ende meiner Ausführungen darf ich noch kurz auf das Hauptthema dieser heutigen Bundesratssitzung zu sprechen kommen, eben auf die Novelle des Ökostromgesetzes. Die Klimapolitik, glaube ich, schon sehr früh erkennend, haben sich vor gut zehn Jah­ren vorausschauend Gemeinden, Unternehmen, aber auch Landwirte überzeugen las­sen, in Biomasseanlagen für Wärme- und Stromerzeugung zu investieren und so einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels einerseits und zur Errei­chung einer gesteigerten Unabhängigkeit von Energieimporten andererseits zu leisten.

Die gestützten Einspeisetarife laufen in diesem Jahr oder in den zukünftigen zwei Jah­ren aus. Die Biomasseanlagen können aber nach wie vor, wie ich schon gesagt habe, nicht mit den Preisen von Strom aus Atomkraftwerken konkurrieren. Das wissen wir und das weiß auch die SPÖ. Bei der weiteren Unterstützung der Biomasseanlagen geht es uns also um das Klima, es geht uns aber auch um 40 Kommunen, Unterneh­men oder Bauern als Betreiber der Biomasseanlagen, die eben vor zehn Jahren auf diese umweltfreundliche Energieerzeugung gesetzt und entsprechend investiert haben. Es geht aber auch um Tausende Arbeitsplätze, meist im ländlichen Raum, die mit dem Betrieb dieser Anlagen verbunden sind. Es geht aber auch um eine große Anzahl an Waldbauern, die auch im heurigen Jahr, wie leider auch schon in den letzten Jahren, dringend einen Abnehmer für ihr Schadholz, verursacht durch die Sturmschäden, aber auch durch den Borkenkäferbefall, brauchen.

Die angekündigte Verweigerung der Zustimmung zur Ökostromgesetz-Novelle durch die SPÖ führt unweigerlich zur baldigen Schließung eines Großteils dieser Biomasse­kraftwerke. (Bundesrätin Grimling: Der weiß mehr als wir!) Ich appelliere bereits jetzt an die SPÖ-Mandatarinnen und ‑Mandatare, die Zustimmung zum Ökostromgesetz nicht zu verweigern. Eine Verweigerung Ihrer Zustimmung ist mit nichts zu argumen­tieren. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Abwarten!) Es geht leider nur um Parteipolitik im Sinne von: Heute wischen wir der ÖVP/FPÖ-Regierung einmal eins aus! (Bundesrat Weber: Na, na!) Dabei wird auf das Schicksal von mehr als 40 Un­ternehmen, von Tausenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, aber auch von Hun­derten Land- und Forstwirten vergessen.

Landeshauptmann Kaiser hat es heute angesprochen, was er in der Politik vermisst, er hat das Empathiedefizit angesprochen, das in der Politik heute vorherrscht. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Zeugt das nicht von Empathiedefizit, wenn wegen Parteipolitik auf Tau­sende Arbeitnehmer vergessen wird? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Ist das, und ich frage das wirklich, die soziale SPÖ? – Nein, das ist soziale Kälte! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Abschließend darf ich noch festhalten: Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.48

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.