10.49

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Minister! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! „Österreichs Position als Vorreiter bei erneuer­baren Energien ausbauen“: Hat Österreich da eine Vorreiterrolle? Oder haben Sie, Frau Minister, beziehungsweise die Regierung nicht eine Vorreiterrolle in einem ganz anderen Sektor, nämlich in dem Sektor der PR-Maßnahmen, wenn es darum geht, halbherzige Lösungen als ganz große Projekte zu verkaufen?

Ja, wir brauchen es, wir müssen Vorreiter sein. Wir wollen es nicht nur, es ist notwen­dig, wenn wir eine lebenswerte Welt erhalten wollen! (Bundesrätin Mühlwerth: Aber ihr seid die Ersten, die das verhindern!)

Mein Vorredner Peter Raggl hat gesagt, die Frau Minister hat sich gleich einmal die Maßnahmen vorgenommen. Dazu möchte ich schon sagen: Die Energie- und Klima­strategie ist keine freiwillige Errungenschaft. Sie war ja notwendig, sie musste der EU-Kommission vorgelegt werden, um darzulegen, wie Klimaziele erreicht werden sollen. – Und für mich ist das Ergebnis genau so, nämlich eine Pflichtübung. Da steht genau das Minimum drin, nicht wirklich große Ambitionen. Es ist ein bisschen wie mit dem Regie­rungsprogramm: große Ankündigungen – und dann kam wenig. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Und große Ergebnisse!)

Nennen wir einmal als Beispiel das E-Auto: Ein toller PR-Gag, dass wir jetzt die E-Au­tos von der Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-Luft ausnehmen. Gesamtkli­matechnisch, was bringt’s? Dafür befürworten einige jetzt Tempo 140. Das ist klima­technisch sicher sehr sinnvoll!

In dem „Raus aus dem Öl“-Bonus oder dem Projekt „100.000 Dächer“ sind schon eher inhaltliche Ziele enthalten. Aber werden sie reichen? Ist das genug? – Nein.

In dieser Strategie ist viel zu wenig von Zahlen, in dieser Strategie ist viel zu wenig von klaren Umsetzungsschritten die Rede, und es ist überhaupt nicht von Finanzierungen die Rede.

Eine Zahl wird schon genannt: 36 Prozent Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030; das große Ziel, das erreicht werden muss. In den beiden großen Handlungs­feldern Verkehr und Wärme ist da sehr viel zu machen. Aber wir wissen auch, dass der CO2-Ausstoß in Österreich auf 49,5 Millionen Tonnen angestiegen ist; um 2,1 Prozent mehr als das vorgegebene Ziel. Und wir wissen auch, dass das Klimaschutzgesetz die Ministerin in dem Fall dazu auffordert, innerhalb von sechs Monaten konkrete Maßnah­men vorzulegen. Passiert da etwas? Geschieht da etwas? – Das wissen wir nicht so ganz sicher.

Aber was definitiv sicher ist, was wir wissen, dass passiert ist, das steht in den Bud­getvorgaben. Die Fördermittel für den Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur wurden ge­strichen, ebenso jene für die Ökologisierung der Wasserkraftanlagen, und es gab Kür­zungen für thermische Sanierungen.

Was wir auch wissen, was vorher so lobend angesprochen worden ist: In Wahrheit herrscht Leere, wenn es um Energieeffizienz geht. Wahrscheinlich denkt man: Nehmen wir halt wieder mehr Ökostrom!, vergisst aber, dass der auch begrenzt ist. (Bundesrat Schuster: Ihr nehmt den Atomstrom! – Stimmt ja, wenn ihr dagegenstimmt!) Es sind entsprechende Flächen, Naturschutzmaßnahmen und auch finanzielle Mittel erforder­lich.

Bis sich die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien so eingespielt hat, dass sich Erzeugung und Bedarf decken, dauert es noch. Dazu braucht es Kraftwerkleistungen, und die werden momentan ganz, ganz stark aus Erdgas gewonnen. Das könnte auch auf Öko umgestellt werden, durch Biomethan, durch synthetisches Gas, aber das steht halt auch nicht wirklich auf der Prioritätenliste. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir haben so viel zu tun, um eure Defizite aufzuarbeiten!)

Wenn man jetzt vollmundig vom Ende des fossilen Zeitalters spricht, dann muss man da auch die Frage der sozial-ökologischen Steuerreform bedenken. Die wird ja jetzt schon wieder beworben, nur, so wirklich gesagt, was da drinsteht, wird halt nicht. Ich befürchte, es wird wohl eher das „sozial“ gestrichen werden und die finanzielle Last bei den Haushalten bleiben. Aber es wird keine Energiewende, es wird keine Klimagerech­tigkeit geben, wenn das nicht auch von denen mitgetragen wird, die dafür bezahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Das ist ein Vollholler! – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

Die Umsetzung der Energie- und Klimastrategie bleibt in vielen Bereichen sehr unklar. Die Maßnahmen sind nicht benannt oder viel zu vage. Fehlende Finanzierungen zie­hen sich durch. Aber das Finanzministerium hat ja auch in der Konsulationsphase schon durch Abwesenheit geglänzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Konsultation heißt das!)

Es fehlt ein Umsetzungspaket für saubere Mobilität. Alle Finanzierungen, zum Beispiel für den Ausbau der Radinfrastruktur, werden auf die Gemeinden übergewälzt; die dür­fen dann die Schuldigen sein. (Bundesrat Längle: Das ist aber teilweise Landessache, Frau Kollegin!) Genehmigungen für Großverfahren werden zugunsten der Wirtschaft und zulasten der Menschen und der Umwelt erleichtert. Klimaverträglichkeitsprüfungen bei Großprojekten kommen nicht einmal zur Sprache.

Damit aber Österreich als einer der ersten Industriestaaten einen ordentlichen Beitrag zur Energiewende leisten kann und muss, braucht es viel, viel mehr als das, was in dieser Strategie vorzufinden ist. Dazu braucht es wirklich ernsthafte und glaubwürdige Politik dahinter. Es muss Verantwortung übernommen werden. Es müssen konkrete Schritte und auch Finanzierungspläne auf dem Tisch liegen.

Frau Minister, ich glaube, Greta Thunberg hätte keine große Freude mit dieser Strate­gie; Greta Thunberg, ein Mädchen, das einer Generation eine so gute, laute und starke Stimme gibt, nämlich der Generation, die in dieser Welt leben wird, die jetzt eine Zu­kunft vor Augen hat. Ich glaube, wir bräuchten auch hier ein paar Greta Thunbergs, denn wie es ausschaut, kann die Energiewende, kann Klimagerechtigkeit nur von un­ten erkämpft werden, weil von oben zu wenig kommt.

Ich glaube, wenn jetzt nicht wirklich mehr passiert, dann wird aus der #mission 2030 wohl eher eine Mission Impossible als ein wirklich zukunftsträchtiges, zielbringendes Projekt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Auf der Zuschauergalerie darf ich ganz herzlich den Bundesratspräsidenten außer Dienst Josef Pfeifer begrüßen. – Herzlich will­kommen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.