9.18
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bundesminister! Von Bob dem Baumeister im Königreich zurück in die österreichische Heimat! (Der Redner trägt – so wie seine FraktionskollegInnen – einen Button, auf dem vom durchgestrichenen Wort Feiertag ein Pfeil auf das Wort Urlaubstag zeigt.)
Ich möchte den heutigen Bundesratstag mit einem Lob an Sie, Herr Minister, beginnen: Ich schätze Sie sehr und ich meine das wirklich ehrlich, denn Sie treten gebührend seriös und vernünftig auf, entsprechend Ihrem wichtigen Ressort. Sie sind kein Scharfmacher. Sie sind nicht auf die schnelle und große Schlagzeile im Boulevard aus (Bundesrätin Mühlwerth: So wie die SPÖ!), und man könnte fast meinen, Ihnen ist der Populismus fremd. Im Vergleich zum Restkabinett Kurz/Strache heben Sie sich damit sehr, sehr positiv ab. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung Bundesminister Moser –: Jetzt täte ich mich aber langsam fürchten!) Ich vermute, wahrscheinlich sind Sie auch deswegen nicht der allerbeliebteste Kollege in der Regierungsmannschaft. Wir kriegen es ja mit: da und dort die Sticheleien, die Angriffe. In Zeiten der Message Control wie in den treuesten Moskautagen sind diese Sticheleien und Angriffe schon sehr bemerkenswert, aber Sie werden das hoffentlich aushalten und stehen über diesem Niveau. Sie sind, meine ich, ein Mahner, versuchen, die Verfassung und auch die Menschenrechte zu wahren und zu schützen. – Wir wissen ja, Kollegen von Ihnen auf der Regierungsbank wollen das ändern, beinahe je nach Tagesverfassung, meinen ja auch, Richter und Recht sollen uns unterstellt sein, uns folgen und nicht umgekehrt, nicht wir haben Recht und Verfassung zu beachten.
Sie sind also eine positive Erscheinung in dieser Bundesregierung, das meine ich ganz ernst, aber ich wünsche Ihnen bei Ihrer Arbeit mehr Erfolg. Es nützt am Ende des Tages nichts, wenn sich ewig die Scharfmacher in der Regierung durchsetzen und Sie sich dann leider viel zu oft den Falken in der Regierung beugen und ihnen weichen müssen. Ich hoffe nicht, dass Sie das Feigenblatt sind. (Bundesrat Brunner: So schaut er nicht aus!) – Ich hoffe! Ich hoffe, lieber Magnus.
Die österreichische Justiz, und jetzt gehe ich auf die Sache ein, befindet sich in einer doch schwierigen Situation, weil sie derzeit ganz einfach nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist und die Anzahl des Justizpersonals weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Der Ehrlichkeit halber muss man natürlich sagen, dass nicht Sie dafür verantwortlich sind, sondern in erster Linie die schwarz-blaue Bundesregierung mit Bundeskanzler Kurz und dem Finanzminister, der da als Sparer am falschen Platz auftritt.
Solange die österreichische Justiz nicht die entsprechenden Mittel erhält, kann sie nicht das leisten, was von ihr gefordert wird. Dazu muss man sagen, dass die Richterinnen und Richter, die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen und die Beamtenschaft in der Justiz, insbesondere auch das nicht richterliche Personal, im Rahmen der Umstände doch eine ausgezeichnete Arbeit machen. Ich möchte dazu auch gratulieren und Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Brunner.)
Es sind in diesem Zusammenhang doch auch alarmierende Zahlen, die wir auf den Tisch legen. Solide, strukturierte Arbeit – von der mein Vorredner gesprochen hat – sieht anders aus. In Österreich kommen auf 100 000 Einwohner 20 Richter. Im Jahr 2016 lag der Durchschnittswert in Österreich noch bei 27,4 Richtern. Die Kanzleikräfte sind ebenfalls drastisch überfordert. Ähnlich ist die Situation bei den Staatsanwälten: Auf 100 000 Einwohner kommen in Österreich im Schnitt 4,1 Staatsanwälte, im europäischen Schnitt sind es hingegen 11,7 Staatsanwälte.
Einen eklatanten Personalnotstand beklagt auch die Justizwachegewerkschaft. So gibt es in der Justizvollzugsanstalt Josefstadt 1 200 Insassen, ausgelegt ist diese Anstalt aber für nicht einmal 1 000 Personen. Die zu geringe Anzahl der Justizwachebeamten muss mit dieser absolut schwierigen Situation tagtäglich fertig werden. Sie werden dabei von der Bundesregierung leider nicht ausreichend unterstützt und alleine gelassen. Sollte der Innenminister mit seinem Ablenkungsmanöver – wir wissen alle miteinander, dass es ein Ablenkungsmanöver ist, was er in Sachen Haft vorhat – sozusagen weitere Einsperrmöglichkeiten schaffen, dann müssen wir jetzt schon anfangen, neue Gefängnisse zu bauen. Von Ihrem Vorschlag, dass die Sicherungshaft nur mit Zustimmung eines Richters erfolgen darf, hält ja der Unsicherheitsminister rein gar nichts. Es scheint so zu sein, dass er sich wieder einmal gegen Sie durchsetzt. Es liegt noch keinen Gesetzentwurf auf dem Tisch, aber die ersten Meldungen scheinen in diese Richtung zu gehen.
Bob der Baumeister hat einen Ausspruch: Ja, wir schaffen das! – Lieber Magnus, betreffend Rechtsstaatlichkeit auf europäischer Ebene mag die Bundesregierung sehr viel getan haben, daheim sind wir leider ein wenig säumig gewesen, da gilt es viel aufzuholen. Es ist ein grundsätzliches Problem, dass die derzeitige Bundesregierung der Justiz nicht den Platz gibt, der ihr gerechterweise zustehen würde. Das wird auch – auch wenn es nur ein kleines Symbol ist – mit dem Namen ausgedrückt, den Ihr Ministerium, geschätzter Herr Minister, trägt: Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – also die Justiz kommt an letzter Stelle.
Auch wenn der gegenwärtige Justizminister und seine Mitarbeiter – und ich schätze auch Ihren Generalsekretär Christian Pilnacek sehr – versuchen, aus dieser schwierigen Situation das Beste zu machen, reicht es nicht, wenn die Regierungsspitze die Justiz offenbar als eine Institution sieht, die sie nicht beherrschen kann, und diese deshalb auch benachteiligt. (Bundesrat Bader: Das glaubst aber selber nicht!)
Um auch etwas Positives zu sagen: Im internationalen Vergleich funktioniert die österreichische Justiz immer noch sehr gut, das gilt es zu wahren; doch diese Position müssen wir auch halten können. Wenn es nicht ein Umdenken in der Bundesregierung gibt, häufen sich nämlich Skandale wie jener im Vorjahr in Graz. Da sind bekanntlicherweise 14 als gefährlich eingestufte Dschihadisten auf freien Fuß gesetzt worden, weil die Staatsanwaltschaft nicht fristgerecht Anklage erhoben hat. Das muss man sich einmal vorstellen! (Bundesrat Längle: Wer hat sie entlassen?) Und das Gericht musste aus formalen Gründen die Enthaftung anordnen. (Bundesrat Längle: Wer war das ...? Ihr von der SPÖ ...!) Terrorverdächtige auf freiem Fuß, das ist eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung dieser schwarz-blauen Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Wer hat sie entlassen?)
Wir müssen den hohen Standard der österreichischen Justiz aufrechterhalten; da gilt es ganz einfach, mehr Mittel bereitzustellen. Ich hoffe, dass Sie auf diesem Weg erfolgreicher sind. Die Anzeichen sind da, aber ich wünsche Ihnen mehr Durchsetzungskraft in dieser Bundesregierung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
9.26
Präsident Ingo Appé: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses.