10.42

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister, heute als Vertretung! Sehr geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause! Es ist schwierig, meine Damen und Herren Kollegen, wenn man nach euch sprechen muss, denn ich glaube – ohne dass ich besonders stolz darauf bin –, ich bin wirklich die Einzige im Saal, die weiß, worüber wir da sprechen – das ist eine Tatsache. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich halte mich jetzt aber einmal an mein Manuskript, denn das ist ein sehr emotionales Thema. Ich werde mich aber trotzdem bemühen, Krisenpflegeeltern nicht dazu zu missbrauchen, irgendwie politische Wellen zu erzeugen, wie das gemacht wurde.

Es gibt Fremde, es gibt Freunde, es gibt Familie. Es gibt Fremde, die zu Freunden werden und zur Familie werden: Krisenpflegeeltern, Pflegeeltern. Wir brauchen sie für die Schwächsten in unserer Gesellschaft, wir haben es schon gehört, für Kinder, die in ein schwieriges Umfeld hineingeboren werden, die dort leben, bis sie wieder heraus­kommen. In diesen Fällen greift die Kinder- und Jugendhilfe ein und gibt Hilfestellung für die Kinder. Eines möchte ich betonen, weil die Kinder- und Jugendhilfe oft den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt: Die Kinder- und Jugendhilfe leistet sehr viel Unterstützung, sie wirkt oft sehr positiv auf Familien ein und hilft, leider gelingt das nicht in allen Fällen.

Dann übernehmen zu 98 Prozent Krisenpflegeeltern diese minderjährigen Kinder: für Tage, für Wochen, für Monate, für Jahre. Ich hatte Krisenpflegekinder, die eineinhalb Jahre, ein anderes zwei Jahre bei uns in der Familie waren – ich kenne sehr, sehr we­nige Krisenpflegeeltern, die nur kurzfristig Kinder hatten.

Meine kürzesten Zeiten waren eine Woche beziehungsweise zwei Monate, alles ande­re war länger als vier Monate. Es wäre schön, wenn es anders möglich wäre, es ist aber oft nicht möglich. Es ist oft nicht möglich, weil das Kind etwas anderes braucht, weil eine große Beeinträchtigung vorliegt, weil man sonst keine Pflegeeltern findet, bis die Situation für das Kind ganz abgeklärt und Rückstände aufgeholt sind. Es ist oft nicht möglich, weil Gerichtsverfahren so lange dauern, denn natürlich wollen die leibli­chen Eltern ihre Kinder zurück und erhalten dabei auch sehr viel Unterstützung, was Krisenpflegeeltern und Pflegeeltern oft gar nicht verstehen können.

Wie kommt es zu solchen Situationen? – Eben genau deswegen, weil es Eltern gibt, die nicht erziehungsfähig sind. Das ist keine Unterstellung, das wird wirklich attestiert. Es gibt Mütter und Väter, die in der heutigen Zeit keine Personen haben, die sich um ihre Kinder kümmern können, wenn sie längere Zeit im Krankenhaus sind oder etwas anderes passiert, und, das darf ich hier auch einmal festhalten, es gibt Väter und Müt­ter, die einfach kein Interesse daran haben, ihre Kinder selbst zu versorgen und sie tat­sächlich freiwillig abgeben. Das heißt, die behalten sich oft das Sorgerecht, geben aber die Pflege und Erziehung an das Jugendamt ab. Das ist dann in der Situation, schnell handeln zu müssen und die Kinder wo unterzubringen – auch das gibt es. Es gibt auch Familienverhältnisse, die eine Gefahr für die Kinder darstellen; da sind uns viele Bei­spiele aus den Medien bekannt.

Wie gesagt, meine Familie und ich haben das einige Jahre gemacht, bis zum Anfang meiner Bundesratstätigkeit und noch einige Monate darüber hinaus. Wir haben immer wieder festgestellt, wir sind eine Familie zum Ausleihen: Man muss den Kindern – und seien sie noch so klein – beim Wickeln erklären, warum sie jetzt da sind, wie lange sie da sind, wozu das gut ist und was nachher sein kann. Man muss ihnen erklären, sie könnten vielleicht wieder zurück zur leiblichen Familie, sie kommen vielleicht zu Pflege­eltern; größere Kinder kommen oft auch in eine Einrichtung.

Krisenpflegeeltern stellen sich mit ihrer ganzen Fürsorglichkeit, mit ihrer Liebe, mit ihrer gesamten Familie – denn sonst geht das nämlich nicht! – und mit dem ganzen Zuhau­se zur Verfügung. So sind Eltern eben, und darum verstehen Krisenpflegeeltern nicht, warum irgendjemand, und sei es ein noch so hohes Gericht, auf die Idee gekommen ist, zu sagen, sie wären keine Eltern. Sie haben sich entschieden, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche da zu sein und das zu machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP so­wie des Bundesrates Koller.)

Krisenpflegeeltern bemühen sich, dieses Pflegeverhältnis und den Übergang in das nächste Betreuungsverhältnis gut zu gestalten, und das ist eine enorme Leistung! Wenn ein Kind zwei Jahre bei einer Familie ist und dann vielleicht im Alter von vier Jahren von der Krisenpflege zu Pflegeeltern wechseln muss, steigt es ins Auto ein, nicht freiwillig, es winkt tieftraurig, weil es weg muss – aber voll gestärkt und mutig, dass es das schafft. Das ist dann ein gutes Gefühl für Krisenpflegeeltern, ein gutes Ge­fühl für die Pflegeeltern, wenn es zu diesen kommt, und das ist das, warum Krisenpfle­geeltern so wichtig sind: Sie geben den Kindern ein Lächeln, sie geben ihnen Hoff­nung, sie geben ihnen wieder Vertrauen in Menschen und sie geben ihnen Mut. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eines kann ich mit Fug und Recht behaupten: Krisenkinder hinterlassen mit ihren klei­nen Füßen große Spuren in unseren Herzen. Ich hatte, glaube ich, nur zwei Krisenkin­der, die zu den leiblichen Eltern zurückgekommen sind – das ist bei ihnen gut so, darü­ber habe ich mich auch gefreut. Wir haben aber zu allen anderen Kindern Kontakt, denn wir sind ein Stück ihrer Biografie und nicht nur für die Gesellschaft wichtig. (Bun­desrätin Schumann: Ja! Super!)

Warum muss man das immer wieder betonen? Jede Woche, wenn ich erzähle, was ich tue, mache ich die Erfahrung, dass die Leute draußen das oft gar nicht mitbekommen. Das sind so kleine Inseln in den Dörfern, das ist ein Thema, das immer noch tabuisiert ist. Wenn man dann Menschen erklärt, was das bedeutet, sagen sie: Super, dass ihr das macht – aber ich könnte mir das nicht vorstellen! Wie geht denn das eigentlich wirklich? Schafft man das so leicht? Was sagen da die Kinder dazu? Was sagt die Um­gebung dazu? Das hat Daniela Gruber-Pruner schon ausgeführt. Es ist wichtig, dass man darüber spricht.

Zum Thema Kinderbetreuungsgeld: Ja, es ist schlimm, dass das ab Juli nicht mehr ausbezahlt wurde. Ich unterscheide da aber immer, denn es gibt auch eine Ungleich­behandlung zwischen den Krisenpflegeeltern, nämlich zwischen den Krisenpflegeel­tern, die ein Kind übernehmen, das Kinderbetreuungsgeldanspruch hat und länger als 91 Tage bleibt – aber ich sage es euch jetzt, wie es ist –, und den vielen Krisenpflege­eltern, die ein 1,3-jähriges Kind übernehmen und es besteht gar kein Anspruch auf Kin­derbetreuungsgeld mehr. Es gibt Kinder bei uns, die gar keine Geburtsurkunde ha­ben – da gibt es auch kein Kinderbetreuungsgeld. Es gibt Kinder bei uns, die haben keinen Familienbeihilfenanspruch – da gibt es auch kein Kinderbetreuungsgeld. (Ruf bei der SPÖ: Irgendwie passt das jetzt nicht zusammen, oder?) – Nein, das sind zwei verschiedene Sachen, und wir reden heute hier vom Kinderbetreuungsgeld!

Ich schließe mich Daniela Gruber-Pruner an: In Oberösterreich werden Krisenpflegeel­tern bei Plan B angestellt – da bin ich auch angestellt, aber als Pflegemutter –, und da kriegt man für ein - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich glaube, es macht im Interesse der Kinder Sinn, wenn Sie zuhören! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da gibt es in Oberösterreich eine Viertelanstellung für ein Kind. Das heißt, man muss vier Krisenpflegekinder gleichzeitig betreuen, was meiner Meinung nach fast unmöglich ist, wenn das nicht eine Geschwisterangelegenheit ist. 2018 hat man dafür 464 Euro netto bekommen. – Das ist eigentlich das Problem, dass Krisenpflegeeltern und Pfle­geeltern arbeitsrechtlich und sozialrechtlich ordentlich abgesichert werden müssten! (Bundesrat Weber: Tut es doch!)

Ich wehre mich schon dagegen, wenn die SPÖ-Fraktion – ich wollte das gar nicht an­sprechen, weil das für mich einfach nicht fair ist – jetzt sagt: Daran ist die jetzige Regie­rung schuld. Das OHG-Urteil ist nämlich nicht voriges Jahr gefällt worden, sondern das OHG-Urteil ist in der Zeit eurer eigenen Regierungsbeteiligung gefällt worden! (Zwi­schenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Ihr hättet auch anleiern können, dass das geändert wird! (Bundesrätin Mühlwerth: Vor allem reparieren!) – Das ist das Erste.

Das Zweite: Wenn man glaubt, man braucht eine bundesweite Anstellung, dann sage ich: Ich wäre immer dafür gewesen. Das hätte man auch machen können. Jetzt ist es so weit, dass die Länder in Verantwortung sind. (Bundesrat Weber: Sind Sie in Ober­österreich dabei? Ich glaube schon!) Oberösterreich und Wien haben ein gutes Sys­tem. Es gibt eine Anstellung, aber natürlich mit sehr viel Luft nach oben, denn von 464 Euro netto kann man, wie gesagt, nicht leben. Das ist existenzbedrohend. Das ist eine Mindestpension für die, die genau das auffangen, was unsere Gesellschaft nicht leisten kann! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Diese Gesetzesänderung, die wir heute beschließen, stellt auf jeden Fall einmal den Status quo her, der vorher bestand. Ich denke mir, dass jetzt alle ambitioniert sind und man – wie die Familienministerin auch im Nationalratsausschuss gesagt hat – versu­chen wird, bei der nächsten Evaluierung beim Kinderbetreuungsgeld diese 91 Tage wegzubekommen. Das hilft aber, wie gesagt, nur den Krisenpflegeeltern, die Kinderbe­treuungsgeld bekommen; die anderen haben genauso wenig. – Das ist das, was mich in diesem Fall einfach emotional aufrührt.

Die Bundesregierung hat jetzt eine Lösung für das gefunden, was in der letzten Regie­rungsperiode nicht abgearbeitet wurde. Es hat lange genug gedauert!

Zum Thema Familienzeitbonus: Man kann aus einer Mücke einen Elefanten machen! Ich hatte einige Kinder, die Asthmaprobleme hatten, ich hatte ein Mädchen mit Down­syndrom, und ich war jede Woche, als die Kinder im Krankenhaus waren, mit ihnen auch 24 Stunden am Tag im Krankenhaus. Das tun fast alle Krisenpflegeeltern. – Man kann also, wie gesagt, im Zusammenhang mit dem Thema Familienzeitbonus aus ei­ner Mücke einen Elefanten machen.

Ich bedanke mich bei allen Kollegen, die Pflegeeltern sind, weil alles, was heute be­sprochen wurde, eins zu eins auch die Pflegeeltern betrifft. Ich danke den Krisenpfle­geeltern für ihre Geduld und für ihr Engagement. Sie sind, wie ich gesagt habe, in der Biografie dieser Kinder unverzichtbar, und sie sind für unsere Gesellschaft unverzicht­bar. (Bundesrätin Schumann: Ja, das stimmt!) Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.52

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Hubert Koller. Ich erteile es ihm.