12.07
Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Der Verfassungsgerichtshof ist ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof eine Säule unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates. Deswegen ist es wichtig, dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bitte bereits an dieser Stelle um Verständnis dafür, dass ich einige trockene Zahlen vortragen muss, weil sie einfach zum Verständnis nötig sind.
Es handelt sich um den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2017. Diesem kann man entnehmen, dass die Zahl der neu anhängigen Fälle beim Verfassungsgerichtshof das dritte Jahr in Folge gestiegen ist – gegenüber 2016 ein Plus von fast 30 Prozent, gegenüber 2014 sogar ein Plus von knapp 70 Prozent. Insgesamt wurden 5 047 Verfahren im Jahr 2017 neu anhängig, was um exakt 28,75 Prozent mehr als 2016 ist, wobei ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Fälle wieder auf Asylrechtssachen entfallen ist. Interessanterweise ist aber auch die Zahl der Fälle aus dem Glücksspielbereich gestiegen, nämlich auf 736. In der Verfassungsausschusssitzung hörten wir vorgestern, dass schon im letzten Jahr, also im Jahr 2018, ein Rückgang der Asylrechtssachen zu konstatieren war und dass man auch damit rechnet, dass sich die Zahl der Fäll aus dem Glücksspielbereich vermindern wird.
Trotz dieser Rekordzahl an Erledigungen stieg aber auch die Zahl der zu Jahresende offen gebliebenen Fälle weiter an. Auf die durchschnittliche Dauer der Verfahren hatte jedoch der steigende Beschwerdeanfall dankenswerterweise keine Auswirkungen – es wurde nämlich der im internationalen Vergleich ohnehin schon beachtliche Wert noch einmal verringert.
Wenig geändert hat sich an der Erfolgsquote der Beschwerden. Nur in 284 Fällen, also in 6 Prozent der Fälle, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers beziehungsweise der Beschwerdeführerin statt. Demgegenüber stehen 115 Abweisungen, 241 Zurückweisungen und 2 073 Ablehnungen. Insgesamt konnte der Verfassungsgerichtshof in diesem Jahr 4 719 Verfahren abschließen.
Im Zuge der 320 Gesetzesprüfungsverfahren nahm der Verfassungsgerichtshof 124 Normen unter die Lupe. Davon wurden aber lediglich 19 zumindest teilweise aufgehoben, vorrangig aufgrund von amtswegigen Prüfungen und Gerichtsanträgen. Lediglich in zwei Fällen waren sogenannte Parteienanträge erfolgreich. 105 Gesetze hielten also der Prüfung stand, was, glaube ich, der Gesetzgebung ein sehr gutes Zeugnis ausstellt, was wir auch in der Diskussion in der Ausschusssitzung haben hören können.
Ich möchte nun einige wenige Beispiele aus den Entscheidungen hervorheben, die vielleicht damals in der Öffentlichkeit und in den Medien schon breitgetreten worden sind. Sie erinnern sich, dass vom Verfassungsgerichtshof unter anderem die Beschränkung der Ehe auf Paare verschiedenen Geschlechts aufgehoben wurde, nicht zuletzt angesichts des Umstandes, dass mittlerweile in beiden Fällen Elternschaft möglich ist, deswegen lasse sich eine Differenzierung in zwei Rechtsinstitute, nämlich Ehe und eingetragene Partnerschaft, heute nicht mehr aufrechterhalten. Die entsprechenden Bestimmungen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch sind Ende des Jahres 2018 außer Kraft getreten.
Gekippt hat der Verfassungsgerichtshof auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat. Ebenso haben einzelne Bestimmungen im Einkommensteuergesetz, im Staatsbürgerschaftsgesetz und im Gerichtsgebührengesetz der Prüfung nicht standgehalten. Teilweise aufgehoben wurden überdies die Bettelverbote in Bregenz und in Salzburg.
Die damals öffentlich und medial diskutierte gesetzliche Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau und das von der Opposition angefochtene Polizeiliche Staatsschutzgesetz werteten die Verfassungsgerichtshofrichterinnen und -richter hingegen als verfassungskonform. Das Gleiche gilt für den Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen der Mindestsicherung bei gleichzeitig gewährleisteter Grundversorgung. Auch gegen das Verbot des Versandhandels mit E-Zigaretten, der Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer, die Privilegierung neu gegründeter GesmbHs in Bezug auf das Mindeststammkapital und die Untersagung von Bestpreisklauseln bei Buchungsplattformen machten sie keine Einwände geltend.
Gerechtfertigt ist nach Auffassung des Gerichtshofes außerdem, dass die im Parteiengesetz normierten Offenlegungs- und Rechenschaftspflichten auch für kleine Parteien gelten, die nicht an Wahlen teilnehmen. In Abweichung von der bisherigen Judikatur wertete er auch die Ermächtigung von Verwaltungsbehörden zur Verhängung hoher Geldstrafen grundsätzlich als zulässig.
Wie schon eingangs erwähnt ist die durchschnittliche Verfahrensdauer weiterhin bemerkenswert niedrig. Trotz des zusätzlichen Geschäftsanfalls konnte die Verfahrensdauer 2017 sogar noch einmal reduziert werden: Nur 140 Tage und somit weniger als fünf Monate benötigte der Verfassungsgerichtshof im Schnitt vom Eingang einer Rechtssache bis zur Abfertigung der Entscheidung. Noch schneller wurden mit durchschnittlich 78 Tagen die in der allgemeinen Aufstellung nicht berücksichtigten Asylrechtssachen erledigt.
Sicherlich tragen auch der Elektronische Akt und organisatorische Maßnahmen zur Beschleunigung bei, wobei eine Verstärkung des nicht richterlichen Personals die Arbeitsbelastung mindern und zu kurzen Verfahrensdauern beitragen könnte. Diese personelle Verstärkung, die der Verfassungsgerichtshof schon seit einiger Zeit erbittet, wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung der ausgezeichneten Arbeit des Höchstgerichts.
Ich komme noch zu den anhängigen Fällen zum Jahresende, deren Zahl auch deutlich gestiegen ist. Ein offener Fall zu Beginn des heurigen Jahres war noch aus dem Jahre 2015 anhängig, 15 Fälle datieren aus 2016. In diesem Zusammenhang gibt der Verfassungsgerichtshof aber zu bedenken, dass die Beschleunigung der Erledigung von Asyl- und Fremdenrechtssachen beim Bund und auch bei den Ländern zu einer Kostenersparnis in Millionenhöhe im Bereich der Grundversorgung führt.
Der Bericht ist der erste, der unter der neuen Präsidentin, Frau Dr. Brigitte Bierlein, erstellt wurde. Die Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten Gerhart Holzinger steht seit Ende Februar 2018 an der Spitze des Höchstgerichts. Ich möchte ihr, aber auch allen Richterinnen und Richtern sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre wertvolle Tätigkeit danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wie wir der Debatte in der Verfassungsausschusssitzung entnehmen konnten, wird nämlich trotz der angespannten Personalsituation mit allen Möglichkeiten daran gearbeitet, die Verfahrensdauer so kurz wie möglich zu halten. Wir haben auch einen kurzen Hinweis der Frau Präsidentin erhalten, dass 2018 die durchschnittliche Verfahrensdauer noch einmal vermindert werden konnte, was schon eine bemerkenswerte Sache ist.
Vielen Dank für den informativen Bericht und noch einmal herzlichen Dank für die ausgezeichnete Arbeit. Der Verfassungsgerichtshof rechtfertigt das Vertrauen der Menschen in unser Rechtssystem in höchster Weise. So bitte ich, dem Antrag zuzustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
12.16
Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.