16.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Es ist nahezu klassisch – auch an Sie gerichtet, Herr Präsident! –: Hier können Beschimpfungen sonder Zahl stattfinden, wenn es irgendwie in unsere Richtung geht: Sie schreiten nicht ein. Sie sind sonst immer sehr sensibel und penibel, aber offensichtlich auf einem Auge, nämlich dem linken Auge, blind. Da kann jeder tun, wie er will. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Würde des Hauses, Kollegin Dziedzic entspricht das nicht. (Bundesrat Stögmül­ler: Aber das ist nicht unser Präsident!) Ich habe nichts dagegen, eine ordentliche De­batte zu führen. Ich habe nichts dagegen, dass man auch einmal ein bisschen in der Wortkiste wühlt und ein bisschen unfreundlich ist. Das, was Sie regelmäßig in jeder Sitzung machen, ist eine Beschimpfung der Freiheitlichen, und da sage ich Ihnen: Das hat mit einer Diskussion und Debatte überhaupt nichts zu tun (Widerspruch bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller), zumal sie von einer Ah­nungslosigkeit sondergleichen geprägt ist. Sonst wüssten Sie nämlich, dass die FPÖ die erste Partei war, die damals zur Europäischen Gemeinschaft wollte.

Alle Linken, die SPÖ inklusive, haben uns damals übelste Motive unterstellt. Sie waren gegen den Beitritt, die SPÖ war lange gegen den Beitritt. Alle haben es wie der Teufel das Weihwasser gescheut, zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu gehen. Jetzt begehen Sie Kindesweglegung und tun so, als wären Sie immer schon (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann), seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs, ein extremer Befürworter einer Mitgliedschaft in der EU gewesen. (Bundesrat Stögmüller: Na, was soll das?!) – Also, bitte! (Beifall bei der FPÖ.)

In keinem einzigen Antrag, in keinem einzigen Gremium kam jemals das Begehren der FPÖ zu einem Öxit. Strache hat einmal gesagt – das stimmt –, die Europäische Union muss sich weiterentwickeln. Das muss sie auch, der Brexit kommt nicht nur von unge­fähr. (Bundesrätin Dziedzic: Das stimmt nicht! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Brexit kommt nicht aufgrund von Falschinformationen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrä­tin Dziedzic), sondern der Brexit hat seine Ursachen, die auch in der Arbeitsweise, in der Denkweise der Europäischen Union zu suchen sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das wollen wir nicht ganz vergessen. Diesbezüglich hat Strache gesagt, wenn sich die EU überhaupt nicht weiterentwickeln will (Ruf bei der FPÖ: Und die Türkei!) und auch nicht mehr am Bürger orientieren möchte, dann muss man darüber nachdenken, ob es eine Volksabstimmung zu einem Austritt geben soll. – Das war alles.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch das muss in einer Demokratie auszuhalten sein, dass man gewisse Denkmodelle anstößt – man muss ihnen ja nicht nähertreten. (Bundesrat Stögmüller: Dann muss man dazu stehen! Stehen Sie dazu!) Die FPÖ ist ihnen auch nicht nähergetreten. Verbieten Sie aber jetzt schon das Denken und das Reden darüber, dann tragen Sie die Demokratie zu Grabe – nicht, weil es uns gibt und weil wir eine andere Meinung haben –, Sie sind dann die Totengräber der Demokratie. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Übrigens, weil das beim Brexit ja immer so dargestellt wird: Ja, die sind alle belogen und falsch informiert worden! (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Ihre Denk­weise und Lesart lautet (Zwischenruf bei der SPÖ): Der Wähler, der Trottel, hat es ein­fach nicht verstanden, worum es da geht. (Bundesrat Stögmüller: Das ist alles nach­zulesen!)

Ein Volksentscheid ist also für Sie nur dann richtig, wenn er das Ergebnis bringt, das Sie sich wünschen. Es hat sich niemand einen Brexit gewünscht – ich finde das auch nicht gut. Wir wissen allerdings natürlich nicht, wie das ausgeht. Das sind ja nun lauter Propheten, die wissen, welche Folgen der Brexit – egal, ob weich oder hart – für Groß­britannien haben wird. (Bundesrätin Hahn: Doch jetzt für einen Öxit?!)

Ich kann Ihnen sagen, es gibt unglaublich viele Wirtschaftsprognosen namhafter Ex­perten – die aber auch immer wieder geirrt haben –, bei denen sich dann am Ende he­rausgestellt hat, dass das nicht richtig war, was sie prophezeit hatten. (Anhaltende Ru­fe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Daher würde ich mich hüten, zu sagen, wie Großbritannien in zehn Jahren aussehen wird.

Es gab zudem erst kürzlich eine Umfrage darüber, wie es ausgehen würde, würde man ein zweites Referendum machen: So viel anders als vor dem ersten Referendum sind die Meinungen nicht.

Es kann natürlich sein, dass man das so wie Sie sieht, nämlich dass der Wähler ein­fach zu dumm ist, um da irgendetwas mitzukriegen. Es geht ja nur, wenn er von Ihnen entsprechend beschallt worden ist, denn dann weiß der Wähler, was zu tun ist. Tut man das in Ihrer selbstgepriesenen Gutmenschlichkeit und Weltanschauung und so weiter, dann geht es. Denkt der Wähler selbst nach und entscheidet, dann geht es nicht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das Beispiel von Magnus Brunner von heute Vormittag mit dem einige Male zitierten Onkel Bob und seiner Baufirma war ja sehr gut. Dieser hat gesagt: Ich erkenne keinen Mehrwert für mich. – So ist es vielen gegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Großbri­tannien war auch wirklich sehr von der Zuwanderung betroffen, und das auch schon seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich habe damals mit dem polnischen Botschafter gesprochen (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn), weil er in Wien zu Besuch war, und dieser hat gesagt, es ist ein Wahn­sinn, dass die ganzen guten und gescheiten Leute, die man in Polen bräuchte, alle nach Großbritannien gehen. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein, dass al­le irgendwohin auswandern. Dann kamen natürlich auch die Zuwanderer aus den Dritt­staaten dazu, was bei Großbritannien aufgrund seiner ehemaligen Stellung als Kolo­nialmacht nicht weiter verwunderlich ist.

Die Menschen haben da halt – so, wie das momentan überall in der Europäischen Union der Fall ist – das Gefühl gehabt, nicht mehr Herr über sich selbst zu sein. Das war sicher einer der Gründe, für den Brexit zu stimmen. Man kann es den Menschen nicht verdenken. Das war ja immer das, was wir gesagt haben: Die Europäische Union muss näher zum Bürger, und zwar nicht nur in Sonntagsreden. Die Bürger müssen es auch spüren, es muss greifbar für sie sein, dass sie da, wie Onkel Bob es gesagt hat, einen Mehrwehrt haben. Darum geht es doch.

Was immer die Briten nun machen – das ändert sich momentan nahezu stündlich; heute Nacht haben sie darüber abgestimmt, dass sie keinen harten Brexit haben wol­len, und das wollen wir auch nicht –, können wir doch froh sein, sehr geehrte Damen und Herren vor allem von der SPÖ, die jetzt gerne alles im Detail geregelt gehabt hätten, dass die EU-27 zusammengehalten haben und dass man eine einheitliche Linie gegenüber Großbritannien gehabt hat.

Der Letztabschluss des Austrittsvertrages war ja unter österreichischer Ratspräsident­schaft, und die Regierung hat ihre Arbeit hervorragend gemacht, was von allen gelobt wird, außer natürlich von der Opposition – das verwundert uns ja nicht weiter. Jeden­falls sind sich alle darüber einig, dass da sehr, sehr gute Arbeit geleistet worden ist, auch was den Abschluss des Ausstiegsvertrags betrifft. Dieses Brexit-Begleitgesetz ist ein Notfallplan und fußt auf keiner bilateralen Verhandlung mit Großbritannien. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es hat übrigens die Beamtin in der Ausschusssitzung auch sehr eindrucksvoll und schlüssig erklärt, dass dieses Begleitgesetz mit seinen sechs Paragrafen einer Logik folgt (Bundesrätin Hahn: Eine Behauptung ...!), die unabdingbar ist, um einen gewis­sen Schutz für die angestellten Lehrer, die Native Speaker an den Schulen und so wei­ter zu gewährleisten. Es geht da nicht darum, dass wir die Anerkennung von Titeln oder was weiß ich regeln, denn das kann man dann machen, wenn Großbritannien endgültig ausgetreten ist, unter welchen Bedingungen auch immer.

Lassen Sie also bitte die Kirche im Dorf! Lesen Sie nicht Dinge, die gar nicht drinnen stehen! Versuchen Sie, einfach zu verstehen – das ist nicht sehr schwer (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) –, dass das ein Notfallplan ist, von dem wir hoffen, dass er nicht zur Umsetzung kommt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich möchte daher an dieser Stelle der gesamten Regierung für ihre bisherige Arbeit in Bezug auf den Ausstiegsvertrag mit Großbritannien und diesem Brexit-Begleitgesetz auf das Allerherzlichste danken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.47

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Bundesrat Martin Weber zu Wort gemeldet. Ich erteile es. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt geht es wieder los!)