10.36

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Herr Bun­desminister, vielen Dank für die Vorlage der Vorschau auf Basis des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der EU-Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Ra­tes der EU für 2019.

Kollege Krusche hat jetzt sehr speziell ein paar Punkte herausgenommen – vielen Dank dafür. Ich habe mir die Programme ein bisschen globaler angeschaut und muss wirklich sagen, erst bei der Durchsicht erkennt man die vielfältigen Aufgaben der EU-Institutionen, aber auch die Weitsicht bei der Planung und die durchaus wichtigen Pro­blemlösungsansätze, die die Institutionen der EU hier aufzeigen. Es gibt klare Vorstel­lungen und Ziele, getragen von gemeinsamen Werten wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte so­wie auch der Minderheitenrechte. Es gibt ein klares Bemühen in den Programmen, das Vertrauen der EU-Bürger, aber auch der Unternehmen in das europäische Projekt zu stärken. Es soll ganz klar eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, des Wirtschafts­wachstums und der Investitionen erreicht werden.

Im Mittelpunkt allen Bemühens steht aber auch – denn da gibt es ja durchaus Proble­me in der letzten Zeit –, dass sich die EU möglichst bürgernah geben möchte. Sie will transparent und verantwortungsvoll führen und vor allem das Wissen über die EU und über die Aufgaben der EU und vor allem deren Institutionen vertiefen. Ich denke, im Vorfeld der am 26. Mai stattfindenden EU-Wahlen ist das auch absolut notwendig.

Es gilt einmal, die Rückbesinnung auf die ursprünglichen Aufgaben der EU zu schaf­fen. Was waren die Gründungsmotive? – Das war einmal die Schaffung und Erhaltung von Frieden in Europa, aber auch der große Beitrag, dass dies auch global passiert. Ein weiteres Ziel bei der Gründung der EU war die Sicherung der Ernährung. Ich glau­be, diese beiden Ziele wurden, zumindest was Europa anbelangt, absolut erreicht. Na­türlich sind der EU im Laufe der Zeit viele komplexe Aufgaben zugetragen worden, und diese müssen auch erledigt werden.

Wenn man aber die Einstellung zur EU betrachtet – die sich in den letzten Monaten vielleicht sogar ein bisschen gebessert hat, auch zusammenhängend mit dem vieldis­kutierten Brexit –, sieht man, dass die Bevölkerung durchaus sehr skeptisch gegenüber der EU ist. Ich führe das auf versäumte Öffentlichkeitsarbeit zurück, denn sonst müsste eigentlich die Akzeptanz und die Wertschätzung gegenüber der EU größer sein. In Er­innerung bleiben uns leider viele Nebensächlichkeiten, ausführliche Diskussionen, wie jene – das ist schon ein bisschen länger her – über die Krümmung der Gurken. Noch nicht so lange her ist das Thema Bräunungsgrad der Pommes sowie die wenig sagen­de Allergenkennzeichnung in unseren Speisekarten. Was war die Folge dieser negati­ven Diskussionen? Ich als Tiroler rühme mich nicht mit einer Wahlbeteiligung von 34 Prozent bei der letzten EU-Wahl.

Dabei stehen, wie den Programmen zu entnehmen ist, extrem wichtige Entscheidun­gen für den Rat, für die Kommission, aber auch für das Parlament unmittelbar vor der Tür: Es muss über den Mehrjährigen Finanzrahmen entschieden werden. Für die Land­wirtschaft ist die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2020 ganz wichtig. Es geht um wesent­liche Vorkehrungen für den Klimaschutz, die uns alle betreffen, um die Migrationspro­blematik, aber auch um Verkehrsfragen und Infrastrukturprojekte.

In diesem Zusammenhang darf ich als Tiroler Bundesrat dem Bundesminister, aber auch der Bundesregierung grundsätzlich sehr danken, dass sie uns in Tirol immer wie­der im Kampf gegen die Probleme betreffend den Verkehr unterstützen. Wie wir näm­lich alle wissen, sind die Grenzen der Belastbarkeit in Tirol längst erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten. Denken wir etwa nur an die im Jahr 2018 nicht weniger als 2,3 Millionen Lkw-Transitfahrten über den Brenner!

Es muss unser gemeinsames Ziel sein – und da vertraue ich darauf, dass der Bun­desminister selber die Zügel in die Hand nimmt, dass er aber auch seinen Einfluss in der EU geltend macht –, dass es uns gelingt, die Verlagerung des Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen. Der Brennerbasistunnel ist sicherlich das Re­zept dazu.

Kollege Krusche hat es ausgeführt: Wir sind sehr stolz, dass all das gelungen und in Bau ist. Das ist ja die größte Infrastrukturbaustelle in ganz Europa, massiv finanziert mit EU-Mitteln. Da bin ich ganz bei dir, wenn du sagst: Wir brauchen Unterstützung! Wir brauchen die Bayern, wir brauchen aber auch Italien, die gleichfalls mit den Zulauf­strecken noch nicht so weit sind. Vor allem aber muss das der EU ein Anliegen sein, sie steckt extrem viel Geld, zig Millionen beziehungsweise Milliarden hinein. Das Pro­jekt kostet ja, glaube ich, in der Zwischenzeit 10 Milliarden Euro. Im Hinblick darauf muss auch die EU den Druck auf diese benachbarten Länder erhöhen, weil das – wie Kollege Krusche schon gesagt hat – kein isoliertes österreichisches oder Südtiroler Projekt darstellt.

Es dauert ja noch durchaus einige Zeit: Es dauert, glaube ich, noch circa acht Jahre, bis der Brennerbasistunnel fertiggestellt wird. Darauf freuen wir uns alle schon sehr, weil ich hoffe, dass dann die Verlagerung gelingt. Bis dahin aber sind die Tirolerinnen und Tiroler jedes Jahr nicht mehr zumutbaren Transitbelastungen mit allen damit zu­sammenhängenden Beeinträchtigungen ausgesetzt.

Herr Bundesminister, wir brauchen unbedingt – das fordert auch unser Landeshaupt­mann massiv – eine Anpassung der Brennermaut, um die Route unattraktiver zu ma­chen, um den ganzen Umwegverkehr zu vermeiden, der nur stattfindet, weil es halt um ein paar Euro billiger ist, über den Brenner zu fahren, als sonstige Transitstrecken zu benützen.

Wir müssen aber vor allem – was man, glaube ich, am schnellsten machen könnte – der sogenannten Rollenden Landstraße quasi auf die Füße helfen. Unzumutbare Ver­zögerungen, Bürokratie, Unpünktlichkeit, aber auch Unverlässlichkeit dürfen den Frächtern, die dann wieder den Ausweg über die Autobahn wählen, wirklich keine Aus­rede für die Benützung der überfüllten Autobahnen liefern!

Wenn ich die Berichte Revue passieren lasse, darf ich zusammenfassend feststellen: Will die EU die Akzeptanz bei der Bevölkerung steigern, so muss sie das sogenannte Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen. Wir brauchen mehr EU in den Bereichen, in denen es um große Fragen geht, und wir brauchen weniger EU bei kleinen Fragen. Diese sol­len dort gelöst werden, wo sie entstehen und wo auch die Kompetenz liegt, nämlich bei den Nationalstaaten, bei den Ländern und bei den Gemeinden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.43

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.