12.09

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Faßmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher – ich sehe, es sind Schüler und Schülerinnen auf der Besuchergalerie – und Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist ein Thema, das die Schülerinnen und Schüler betrifft. Ich möchte auf den heikelsten Punkt, die Deutschförderklassen, zu sprechen kommen. Wir haben schon gehört: Wie erlernt man eine Sprache?

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn Ihre Muttersprache? Wie viele Sprachen spricht jeder und jede von Ihnen? Erinnern wir uns alle einmal an die Situation, als wir in ein Land gekommen sind, in dem wir die Sprache nicht verstehen, die Menschen nicht verstehen. Auch wenn wir uns in vielem uneinig sind, was die Deutschförderklas­sen betrifft, ist – und darüber sind wir uns, glaube ich, einig – die Sprache immer der Schlüssel zur Welt. Sie ist der Schlüssel zu den Menschen, zu deren Geschichten, zu den Kulturen und letztlich auch zur Bildung.

Der Zugang zu diesem Schlüssel muss meiner Ansicht nach jeder und jedem gewährt werden. In erster Linie ist da jeder und jede selbst gefragt, sich die Sprache oder diese Sprachkenntnisse anzueignen, aber, was im konkreten Fall die Deutschförderklassen betrifft, da ist auch der Staat gefordert, wenn dahin gehend Hilfe notwendig ist. Zu Be­ginn möchte ich erwähnen: Ich bin sehr stolz, dass wir in Österreich in einem Land le­ben, in dem viel in Bildung investiert wird, sehr viel gemacht wird und letztlich auch im Konkreten ganz viel in Sprache investiert wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Klugerweise hat unser Bildungsministerium auf die Frage nach der Verbesserung von Deutschförderklassen im Unterricht sehr rasch reagiert. Im Herbst wurden die Deutsch­förderklassen eingeführt, und wir diskutieren heute die Novellierung dessen.

Ich möchte dies noch ein bisschen tief gehender ausführen, als es bis jetzt getan wor­den ist. Was war eigentlich die Ausgangssituation? – Zwei Zahlen zu Beginn, die man wirklich immer vor Augen haben muss: Wenn man sich den Integrationsbericht 2018 ansieht, dann wird dort klar ersichtlich, dass rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler in Österreich eine andere Umgangssprache als Deutsch sprechen. Zusätzlich haben wir 30 Prozent aller Schülerinnen und Schüler – diese Zahl ging durch die Me­dien und ist erschreckend –, die nach neun Pflichtschuljahren nicht sinnerfassend le­sen können. Wir haben jetzt Frühling, viele glauben, dass diese Zahlen vielleicht so aus dem Boden heraussprießen. Die entscheidenden Fakten sind aber, dass sich das nicht in kurzer Zeit ergeben hat, sondern jahrelang schlicht nicht hingeschaut wurde, es da Versäumnisse gab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Unsere jetzige Bundesregierung hat diese Zahlen ernst genommen, hat auf diese Pro­blematik reagiert und hat letztlich hin- und eben nicht weggeschaut. Wenn ich jetzt hö­re, dass es da angeblich um Kinder geht, die Schwierigkeiten machen, und man sie deshalb separiert, dann kann ich das wirklich nicht nachvollziehen. Die Kinder verste­hen schlicht nicht, was gesagt wird. Sie werden ja dahin gehend unterstützt, ihre Sprach­kompetenz in der Unterrichtssprache zu verbessern. Es gibt wirklich keinen Zweifel daran, dass es dort dringenden Handlungsbedarf gibt.

Etwas geben wir zu, da müssen wir ehrlich sein, das haben auch die Gespräche mit den Lehrpersonen gezeigt. Das weiß ich auch als ehemalige Lehrerin, auch ich bin jah­relang Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache gewesen: Ja – und jetzt schaue ich wirk­lich Richtung SPÖ –, es war ein Crashkurs, ein Crashkurs für die Lehrkräfte, für die Kinder und die Eltern. Es ist bis heute eine große Herausforderung, das wollen wir gar nicht verschweigen.

Die konkrete Frage in dieser Debatte für mich ist aber: Was wäre die Alternative ge­wesen? Was hätten wir tun können? Ein Jahr warten, ein ganzes Schuljahr warten, um alle Kinder auf diesem Weg zu verlieren? – Das wollte und möchte ich nicht!

Es muss auch zugegeben werden, dass es ein komplexes Thema ist. Wir haben es auch schon teilweise gehört, wir haben auf der einen Seite regionale Unterschiede, wir haben Unterschiede, was die Herkunftsländer der Kinder betrifft. Wir haben auch große Unterschiede, was die administrative Umsetzung betrifft. So funktioniert das in Wien mancherorts bereits sehr gut, aber in anderen Bundesländern vielleicht eher holprig. Da kann man sagen, ja, das liegt halt daran, weil das alles so schnell eingeführt wurde, aber für mich ist jeder Prozess, der angegangen wird, jede neue Struktur auch etwas, was Zeit braucht. Wenn wir uns diese sechs Monate anschauen, dann ist das etwas, wodurch endlich ein Ball ins Rollen gekommen ist – und das ist auch gut so.

Wenn ich mir Vorarlberg anschaue, dann erkenne ich, dass wir dort zwei positive Dinge haben, die ich berichten kann, die für Ihre Beurteilung wichtig sind. Wir haben in Vorarlberg neben Quereinsteigern die größte Zahl an Kindern, die aus der dritten Ge­neration von Zuwanderern stammen, die die Sprache nicht mehr beherrschen, deren Eltern die Sprache Deutsch aber sehr gut sprechen. Ich habe in den Gesprächen mit den Pädagoginnen und Pädagogen gemerkt, dass wir die Lehrer mit im Boot haben. Das ist eine gute Sache, die wollen die Kinder unterstützen. Es gab bei uns bereits im Oktober nach der Einführung Sitzungen der DirektorInnen und LehrerInnen, sie haben sich mit ExpertInnen zusammengesetzt, Material ausgearbeitet. Dabei war eine große Eigeninitiative spürbar. Ein großer Dank dafür! Für mich sind die Lehrpersonen auch die besten Native Speaker, die wir haben können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist vielleicht auch interessant, dass es bei den Eltern der Kinder der dritten Gene­ration so ist, dass die Eltern erkannt haben – und das ist ein entscheidender Schritt –, dass sie diese kulturelle Verantwortung, eine Sprache zu erlernen, nicht nur der Schule zuschieben können. Sie haben mitgearbeitet, sie sind in die Schule gekommen, haben in den Mittelschulen gesagt: Wir wollen unser Kind nicht zwei Jahre dort haben. Was können wir tun? Heute helfen sie aktiv mit. Das ist für mich ein weiterer Erfolg, ein Zei­chen, dass die Deutschförderklassen ihre absolute Berechtigung haben.

Ich darf noch einmal auf die Metapher der Sprache als Schlüssel zur Bildung, zur Welt zurückkommen. Sie darf für uns keine hohle Phrase bleiben. Wenn wir auf sechs Mo­nate zurückschauen, dann muss ich schon sagen, dass das meines Erachtens nicht mehr und nicht weniger als ein Zwischenbericht ist. Wir haben jetzt eine ganz kurze Zeitspanne, die wir uns anschauen können. Auch ich habe mir natürlich gewünscht, dass mehr als 16 Prozent der Kinder in die Regelklasse wechseln hätten können. Es zeigt uns aber, wie wichtig es ist, dass wir noch lange nicht angekommen sind und dass es entscheidend ist, die Unterrichtssprache frühzeitig zu lernen. Es wird die Wir­kung der Deutschförderklassen meines Erachtens verstärken und ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass es jetzt einheitliche Testungen und Lehrplananpassungen gibt.

Wenn Sie sich noch einmal zurückerinnern, wie es Ihnen so gegangen ist, als Sie in einem Land waren, wo Sie die Sprache nicht verstanden haben, oder eine Sprache er­lernt haben, dann merken Sie, das ist auch immer ein Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen und braucht Unterstützung auf allen Ebenen. Für mich ist das klare Ja zu den Deutschförderklassen, zur jetzigen Evaluierung, zur Einführung der Testins­trumente ein Schritt in die richtige Richtung für die Kinder, für deren Zukunft, für deren berufliche Laufbahn und letztlich – und das dürfen wir nicht vergessen – auch für unser Land, für unsere Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Dankeschön zum Schluss von mir an Sie, Herr Bundesminister: Es freut mich, dass Sie als Bildungsminister konsequent dranbleiben, obwohl es ein schwieriges Thema ist, dass Sie Interesse an einer gemeinschaftlichen und vor allem auch nachhaltigen Lösung für alle zeigen, die daran beteiligt sind. Abschließend geht mein Dank an die Lehrpersonen, mit denen ich gesprochen habe, und auch an alle anderen, denn sie tra­gen diesen Integrationsprozess meines Erachtens nicht nur wesentlich, sondern feder­führend voran. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.18

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. – Bitte.