13.50

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich darf eines vorwegschi­cken: Wir werden den vorliegenden Vorhabensbericht selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Im Großen und Ganzen beinhaltet der Bericht aus meiner Sicht diverseste Bereiche und Themen, die man durchaus nachvollziehen kann, auch im Lichte diverser Unsicherheiten wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Brexit, wir haben es ja heute schon gehört, der uns ja noch immer beschäftigt und noch länger beschäftigen wird.

Die Interpretationen beziehungsweise Einschätzungen der Frau Ministerin sind aller­dings aus meiner Sicht da und dort ein bisschen wenig konkret und lassen auch so manche Frage offen. Ich möchte an dieser Stelle nur einzelne Punkte aus dem Bericht herausgreifen.

Das Ministerium sieht die Zukunftsausrichtung der EU-Industriepolitik als eine der her­vorzuhebenden Initiativen. Die Frau Ministerin spricht hier vom Ziel optimaler Rahmen­bedingungen für die Export-, Import- und Investitionstätigkeit der Unternehmen, von fai­ren und transparent verhandelten Handelspartnerschaften und vielem Weiteren.

So weit, so gut, allerdings fehlt es da, glaube ich, an ganz konkreten Initiativen und Be­kenntnissen, um auch europaweit auf entsprechende Arbeitsstandards zu achten und Lohndumping wirklich konsequent zu bekämpfen, und auch konkrete Maßnahmen zur europaweiten nachhaltigen Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit fehlen mir da schon ein Stück weit.

Spannend finde ich im Zusammenhang mit dem Bericht auch Aussagen von Bundes­kanzler Kurz, der in einem Gastbeitrag in der „Welt“ mehr Ehrgeiz und Mut zu Innova­tionen in Europa gefordert hat. Nach seiner Meinung wirkt die EU, ich zitiere hier, „satt, selbstzufrieden und träge“.

Sie, Frau Ministerin, sehen das zum Glück anscheinend anders. Sie formulieren es we­sentlich positiver und optimistischer. Zumindest wirkt der Vorhabensbericht nicht unbe­dingt so, als würden Sie die Einstellung des Kanzlers teilen.

Allerdings, wenn der Kanzler im selben „Welt“-Beitrag dezidiert vor einer europäischen Sozialunion warnt, dann ist das aus meiner Sicht mehr als fragwürdig, passt aber dann wieder ganz gut ins Bild, das uns die Bundesregierung in diesem Zusammenhang wie­derholt liefert.

Es wird im Bericht unter anderem auch auf die Maßnahmen während der EU-Rats­präsidentschaft hingewiesen. Wenn man diese unter der beschriebenen Prämisse der zukunftsfähigen Industriepolitik genau beleuchtet, muss man, wenn man ehrlich ist, erkennen: Da geht es oft über eine Willensbekundung der Regierung nicht hinaus, bei­spielsweise im angeführten Handlungsfeld 3, dem Ausbau der Führungsrolle Europas in einer CO2-armen Kreislaufwirtschaft. – Gut, in Österreich haben wir jetzt 140 km/h auf der Autobahn, und was den Klimaindex betrifft, liegt Österreich immer noch sehr, sehr weit zurück – aus meiner Sicht irgendwie skurril, wenn es nicht so traurig wäre. Auch da hätte in der Ratspräsidentschaft wesentlich mehr passieren können und mehr passieren müssen.

Kurz eingehen möchte ich auch auf den Small Business Act und die Förderung der KMUs. Die KMUs sollen „Vorfahrt“ haben, wie es im Bericht heißt. Das ist aus meiner Sicht nur zu unterschreiben und zu unterstreichen, denn sie sind die wichtigsten, wenn wir es so formulieren wollen, Arbeitsplatzbeschaffer, natürlich auch in Österreich. In der Ratspräsidentschaft hat man es eindeutig versäumt, da auch für eine entsprechende Steuergerechtigkeit zu sorgen und gegen die verschiedenen Steuervermeidungsprak­tiken diverser Großkonzerne vorzugehen. Die größten Unternehmen liefern hier die im Vergleich geringsten Steuerbeträge ab. Auch die erst kürzlich angekündigte Digital­steuer wird meines Erachtens nicht das geeignete Instrument dafür sein, dem entge­genzuwirken, sie ist aus meiner Sicht nicht treffsicher genug.

Es heißt im Bericht auch, der EU-Haushalt solle effizienter gestaltet werden. Das be­ginnt für mich unter anderem auch beim Förderwesen. Fast die Hälfte der Förderungen gehen ja, wie wir wissen, in die Landwirtschaft, ganz besonders an Großlandwirte. So­mit ist in der Ratspräsidentschaft aus meiner Sicht in beiden Bereichen viel versäumt worden, sind viele Chancen ungenutzt geblieben.

Etwas besonders Positives muss ich aber an dieser Stelle sehr wohl hervorheben: Der Bericht hebt ja die positiven Werte bezüglich der Wertschöpfung von KMUs hervor und betont auch eine Steigerung ebendieser, nämlich von 2013 bis 2017 um sage und schreibe 13,2 Prozent. Das ist wirklich erfreulich, und zwar auch deshalb, weil offen­sichtlich die Leistungen, die unter den SPÖ-geführten Vorgängerregierungen geschaf­fen wurden, nun auch von Türkis-Blau entsprechend erkannt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Bader.) Auch späte Einsicht ist eine gute Einsicht, vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass damals noch die Politik im Zeichen der Welt­wirtschaftskrise stand und wir heute Hochkonjunktur haben.

Ich möchte auch kurz auf das Digital Europe Programme eingehen. Die geplanten För­derungen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Hochleistungsrech­ner, Blockchain-Strategie und so weiter und so fort sehe ich im Ansatz durchaus posi­tiv, allerdings sollten wir genau darauf achten, dass die Förderungen ganz besonders den Forschungseinrichtungen zugutekommen und nicht zu reinen Förderungen für Großkonzerne ausarten.

Prinzipiell sind die Vorhaben aber, wie ich finde, besonders im Bereich des Mobile-Go­vernment zu unterstützen. Wir haben es gerade gehört: Inzwischen nutzen in Öster­reich ja rund 1,1 Millionen Menschen die digitale Handy-Signatur beziehungsweise das Digitale Amt, wie es schon mein Vorredner angesprochen hat, das im digitalen Zeitalter sicherlich Sinn macht. Dabei muss man aber besonderes Augenmerk auf den Da­tenschutz legen und vor allen Dingen – und das wird uns in Zukunft noch sehr intensiv beschäftigen, wie ich befürchte – auf die Bekämpfung der Cyberkriminalität, sprich da­rauf, wer welche Daten missbräuchlich verwendet.

Wir werden jedenfalls weiterhin ein kritisches Auge auf die Umsetzung der im Bericht festgehaltenen Punkte werfen. Nochmals zusammengefasst: Wir werden natürlich den EU-Vorhabensbericht in dieser Form zur Kenntnis nehmen. Trotzdem fordern wir mehr EU dort, wo es notwendig ist, und vor allen Dingen nicht weniger. Das Ziel muss aus unserer Sicht eine gemeinsame Sozialunion sein. Da sind wir auf einem anderen Weg als der Bundeskanzler. Das Zentrum unseres Bestrebens müssen, und das dürfen wir, glaube ich, alle miteinander nicht vergessen, die Menschen sein und nicht die Konzer­ne. Darauf muss man ganz besonders achten. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort. Ich erteile es ihm.