16.26

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Ihrer Antwort, Herr Bundes­kanzler, ist zu entnehmen, dass wir Sie und die gesamte Bundesregierung heute wohl zu Recht auffordern, ein klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in all seinen Formen abzugeben (Bundesrätin Mühlwerth: Und den Linksextremismus nicht?); in all seinen Formen, denn Rechtsextremismus erschöpft sich nicht in Symbo­len oder formellen Mitgliedschaften, sondern ist eine Geisteshaltung (Bundesrätin Mühl­werth: Haben wir jetzt schon Gesinnungsjustiz, oder was?), die nach wissenschaftli­cher Definition folgende Kennzeichen aufweist: Man orientiert sich an einer ethnischen Zugehörigkeit (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist da falsch daran?), diese wird überbe­wertet, und die Gleichheit, die Gleichwertigkeit aller Menschen wird infrage gestellt (Bun­desrat Bader: Wien zuerst!); deshalb werden ja auch die Menschenrechte immer wie­der infrage gestellt. Es wird ein antipluralistisches und autoritäres Gesellschaftsver­ständnis vertreten, an die Stelle rationaler Analysen treten Verschwörungstheorien zur Erklärung der negativen Folgen des sozialen Wandels und aller anderen Probleme der Gegenwart.

Viele Universitäten und auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider­stands machen das ganz klar an bestimmten Kennzeichen fest: Das Volk, eine Volks­gemeinschaft wird als Bezugsgröße definiert, Fremde werden ausgegrenzt – entspre­chend den Slogans: Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken! et cetera –, das Zusammenleben verschiedener Ethnien wird als Bedrohung der eigenen Gruppe erlebt. – Das sind die wissenschaftlich definierten Kennzeichen.

Ein wichtiges Merkmal ist auch der Geschichtsrevisionismus. Geschichtsschreibung wird umgedeutet, so dass sie zur Ideologie passt, dazu gehört beispielsweise die Leug­nung des Holocausts, eine Verschwörung des Weltjudentums et cetera. Feindbilder wer­den definiert und konstruiert, eben Juden, Ausländer und Asylanten; neuerdings hört man immer öfter auch den Begriff Linkslinke. Gewaltsame, aggressive Angriffe auf die­se zu Feinden gestempelten Menschen in Wort und Tat werden als Verteidigungshand­lung gewertet, akzeptiert oder legitimiert. Das wohl extremste und schlimmste Beispiel in letzter Zeit war das grausame Attentat in Christchurch, Neuseeland. Die Identitären und andere – die Identitären werden momentan namentlich genannt, es gibt aber auch andere, die diesen Kriterien ebenso entsprechen – sind genau deswegen so gefährlich.

Sie sind nicht so einfach mit Mitgliedsausweis et cetera erkennbar. (Bundesrätin Mühl­werth: Ist das jetzt also eine Verschwörungstheorie? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Hier darf ich – Sie haben ja nach den Oberösterreichern gefragt – den oberös­terreichischen Polizeidirektor Andreas Pilsl zitieren, der gegenüber dem Landessicher­heitsrat erklärt hat: „Die Identitären sind eine Bewegung, man wird dort nicht Mitglied, sondern bekundet seine Sympathie durch Likes in sozialen Medien, Teilnahme an Ver­anstaltungen und finanzielle Unterstützung“. Das heißt, ein faktisches Tun löst eine Mit­gliedschaft in dieser gefährlichen Gruppe aus und nicht der Formalakt eines Beitritts. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Deshalb ist es besonders befremdlich, dass der Vizekanzler, Ihr Koalitionspartner, der Chef Ihrer Koalitionspartei, der Vizekanzler der Republik Österreich, Spenden an die Identitären verharmlost und rechtfertigt. (Vi­zepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler, wir wollen nicht die Mitglieder der Freiheitlichen Partei generell in irgendein Eck rücken oder kriminalisieren, es geht um einzelne Personen und ihr Ver­halten. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Wenn Spenden getätigt werden, ist das eine Bekun­dung einer Mitgliedschaft, das lässt sich nicht verharmlosen. (Bundeskanzler Kurz: Und in Linz?)

Ebenso schockierend war die verteidigende Haltung – Kollege Weber hat es schon ausgeführt – des Grazer Vizebürgermeisters. Erst die Angst um seinen Posten hat ihn dazu bewogen, sich eher halbherzig zu distanzieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und?) Es sind die Handlungen von gewichtigen Einzelpersonen, die wir hier vor Augen führen, Herr Bundeskanzler. Es geht immer um Einzelpersonen (Bundeskanzler Kurz: Stimmt!) bei dem, was wir hier darstellen, die wir als Beispiel dafür anführen, dass eine Distanzierung dringend notwendig ist. Wenn das nicht in einer glaubwürdigen Form er­folgt, wirft es ein schlechtes Licht auf die Republik Österreich, und das wollen wir nicht zulassen, Herr Bundeskanzler.

Rechtsextremismus ist ein weltweites Problem, wie eben das besagte Attentat auch vor Augen geführt hat. Wie gehen die anderen Staaten damit um? – Deutschland hat beispielsweise unverzüglich reagiert und das zur Bekämpfung des Rechtsextremismus tätige Personal um 50 Prozent aufgestockt. Was passiert aber unterdessen in Öster­reich? – Da nehme ich keine besondere Ambition wahr. Eigentlich wird, ganz im Ge­genteil, von den obersten Repräsentanten des Staates fast madonnenhaft ein Schutz­mantel über die Identitären und ähnliche Gruppierungen ausgebreitet.

Wie lässt sich zum Beispiel auch der Umstand erklären, dass ein ganzes Jahr verge­hen musste, bis nach Abhalten einer amtsbekannten Veranstaltung mit rechtsextremen Inhalten – ja, man hat bei der Veranstaltung sogar festgestellt: mit nationalsozialisti­schen Inhalten – Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden? (Zwischenruf des Bun­desrates Weber.) Jetzt war es so weit, dass aufgrund des medialen Drucks mit einer Fülle von Hausdurchsuchungen – offensichtlich von oben angeordnet – Umtriebigkeit und Tatendrang zur Schau gestellt werden mussten. Das ist insgesamt aber unglaub­würdig, Herr Bundeskanzler!

Ich muss Sie auch fragen: Wie schaut es denn mit der vom Chef der Identitären ange­kündigten Veranstaltung aus? Herr Sellner hat ja angekündigt, am 13.4. vor dem Jus­tizministerium eine Kundgebung abzuhalten. Wird die stattfinden, wird die untersagt werden? – Das wissen wir alles nicht. Vielleicht können Sie uns hier ad hoc Auskunft geben. Das ist jetzt nicht Teil der Anfrage, aber es wäre natürlich ein gutes Zeichen, hier ein klares Signal zu setzen; glaubwürdig ist das Ganze nicht.

Der Herr Vizekanzler hat vorhin in schillernden Farben geschildert, wie das Personal bei der Exekutive aufgestockt wird – das scheint aber in der Praxis nicht anzukommen. Die Exekutive in der Steiermark hat aufgeschrien, es sind 100 000 Überstunden einge­spart worden, Nachbesetzungen im operativen Polizeidienst finden nicht in ausreichen­dem Ausmaß statt, um Pensionierungen und Karenzierungen zu kompensieren. Es fin­det also immer das Gegenteil von dem statt, was Sie ankündigen. (Bundesrat Kru­sche: Das ist aber der falsche Tagesordnungspunkt!)

Zum Schluss, Herr Bundeskanzler, möchte ich noch ein Zitat unseres Bundespräsiden­ten Alexander Van der Bellen bringen; er hat anlässlich einer Sub-auspiciis-Promotion in Graz sinngemäß gesagt: Einen Hitler des 21. Jahrhunderts erkennt man nicht an ei­nem Schnauzbart oder Seitenscheitel, sondern er tritt heute modern, zeitgemäß auf. Man erkennt ihn an seiner Geisteshaltung, an seinen Worten und an seinen Taten. – Daher, Herr Bundeskanzler, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Seien wir gemeinsam wachsam! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

16.36

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.