19.42

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Ich glaube, ich muss mit meiner Fraktion reden, denn die hat mich in so ein Disharmonieseminar geschickt; ich habe hier immer die Ablehnungen zu prä­sentieren. Wir werden das aber jetzt als letzten Tagesordnungspunkt noch bespre­chen.

Zur Erinnerung – speziell für Monika Mühlwerth, weil ich weiß, dass sie gleich versu­chen wird, mich zu unterbrechen; das ist eine lange Geschichte, nicht? –: Wir haben heute vier EU-Vorhabensberichten unsere Zustimmung gegeben: betreffend Verkehr, Bildung, öffentlichen Dienst und Sport und Wirtschaft, und man muss dazusagen, dass alle Ministerien ihre EU-Vorhabensberichte beispielhaft präsentiert haben. Bei diesem aber verweigern wir die Zustimmung beziehungsweise die Kenntnisnahme, denn ver­suchen Sie einmal, aus dem EU-Vorhabensbericht, der hier vorliegt, herauszulesen, was bei den anderen EU-Vorhabensberichten klar war: Was ist die österreichische Priori­tät? Was ist die österreichische Position? Wo sind die Prioritätensetzungen?

Die österreichischen Positionen müssen Sie suchen, wir müssen uns eine Lupe kau­fen, um sie vielleicht zu finden. Darüber hinaus fehlen ein paar Dinge, was uns wirklich maßgeblich stört, nämlich die Fragen in Bezug auf Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steuersümpfe, aber auch das, was dem Vizekanzler heute so gut gefallen hat, wie mir vorgekommen ist: der Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten. Das brau­chen wir so nicht.

In Zukunft brauchen wir in der Europäischen Union klare Spielregeln, damit diese un­fassbare Steuerhinterziehung aufhört. Es werden da Unmengen an Geldern verbracht und der Steuer entzogen, große Megakonzerne zahlen keine Steuern, aber jedes klei­ne Unternehmen muss Steuern zahlen. Das ist auch im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes in dieser Form überhaupt nicht vorgekommen. Der Steuerwettbewerb ist ja nur schädlich: Er ist sozial schädlich, er ist umweltpolitisch schädlich. (Bundesrat Pisec: Nein, der ist sehr gut!) – Ja, wenn man nur an Gewinnmaximierung denkt, ist er gut, wenn man aber eine Gesamtentwicklung in Europa haben will, in der Soziales, Umwelt, Arbeitsrecht und so weiter gleichwertig sind, und nicht will, dass einige Staa­ten mit 9 Prozent oder 15 Prozent alles runterdrücken und dann zum Beispiel im Ge­sundheitsbereich oder im Bildungsbereich nichts mehr finanzieren können, dann ist er schädlich.

Was überhaupt nicht drinnen ist, sind Zahlen zu diesen unfassbaren Exporten von Waffen aus Europa – Sipri, das Abrüstungsinstitut in Schweden, hat gerade den neu­esten Report veröffentlicht –, und wir wundern uns dann, warum Flüchtlinge aus diesen Regionen kommen. In dieser Hinsicht muss man vor allem unseren großen Nachbar Deutschland nennen, der, glaube ich, jetzt schon völlig durch die Decke geht, was Waf­fenexporte betrifft, die genau in jene Regionen gehen, in denen derzeit Kriege geführt werden beziehungsweise in denen dann Fluchtursachen angelegt sind.

Der mehrjährige Finanzrahmen ist ein Teil dieses Berichtes. Ich bin immer für die Wahrheit, ich bin dafür, dass man ehrlich ist. Wenn ich jetzt in Richtung Vertreter der Landwirtschaft schaue, dann denke ich mir, ihr seid die Ersten, die die Förderung aus dem EU-Budget, aus dem Agrartopf, wieder haben wollen. Dann schaue ich zu an­deren, die sagen: Wir wollen alles aus dem Kohäsionsbereich! – Dann schaue ich zu den Dritten, die wollen alles aus diesen und jenen Bereichen. – Das wird es nicht spielen, wenn es nicht à la longue auch eine Form der Erhöhung gibt. Wenn man in diesen Bericht wieder reinschreibt, man wolle nichts erhöhen, wird man sich am Ende nicht daran halten können, weil es eine ganze Reihe von Dingen gibt, bei denen Ko­finanzierungen und andere Instrumente vorgesehen sind. Es gibt die neue Säule der sozialen Sicherheit, man will Frontex ausbauen: Das alles passiert nicht einfach nur so – und gleichzeitig steckt man die Einnahmenverluste aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs einfach so weg!

Manche Dinge im Bericht sind gut. Ich finde es gut, dass der Beziehung zu Russland ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ich halte ein Nachdenken darüber, ob die Wirt­schaftssanktionen, wie es sie derzeit gibt, wirklich dem Minsker Abkommen zur Durch­setzung verhelfen, für richtig. Ich bezweifle das. Ich war erst vor Kurzem in einer Mis­sion direkt an der Demarkationslinie zur Ostukraine und habe gesehen, dass es so nicht geht. Das heißt, wir müssen in einen Gesprächsrahmen mit Russland zurückfin­den, um ein Stück weiterzukommen, denn Frieden und Entwicklung in Europa wird es ohne ein gutes Einvernehmen mit Russland nicht geben.

Was mir komplett fehlt: Die Bundesregierung bemüht sich nicht in ausreichendem Maß, dass die Europäische Arbeitsagentur nach Wien kommt. Das ist etwas Essenzielles. Die Medizinagentur ist nicht nach Wien gekommen, die Bankenaufsichtsbehörde ist nicht nach Wien gekommen. Wir sollten jetzt alles tun, um die Arbeitsagentur nach Wien zu holen.

Was noch fehlt: Man hat die österreichische Idee der Transaktionssteuer gekübelt; sie kommt nicht einmal mehr namentlich vor. Das halte ich für schlecht. Außerdem muss ein Nachfolgemechanismus für das Dublinsystem geschaffen werden, daran muss ge­arbeitet werden.

Es gibt auch gute Dinge, das möchte ich unterstreichen, zum Beispiel die intelligente Visapolitik – wie hat man uns damals im EU-Ausschuss ausgelacht, als wir sie präsen­tiert haben – oder ein europäisches Kompetenzzentrum gegen Cyberkriminalität. All das sind sehr moderne Dinge.

Was die Agenda 2030 betrifft: Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sind sehr gespannt, was da von Ihrer Seite noch kommt, denn wenn man einen Regie­rungspartner hat, dessen Nummer eins den Klimawandel leugnet und sagt, das sei nur eine Fantasie, es seien nur irgendwelche leicht beschwipsten Professoren, die das er­klären (Ruf bei der FPÖ: Wer sagt das?), dann möchte ich mir anschauen, wie wir die Agenda 2030 in diesem Land wirklich durchsetzen.

In diesem Sinne ist das heute der einzige EU-Vorhabensbericht, den wir in dieser Form nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile dieses.