13.35

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer! Ich komme aus Niederösterreich, und zwar aus einer Gemeinde mit einem extrem hohen Migranten­anteil.

Ich habe jetzt die Zahlen ausheben lassen, die wir ja bundesweit nicht zur Verfügung gestellt bekommen, und hinterfragt: Wir haben in unserer Gemeinde an die 600 Volks­schüler und einen Migrationsanteil von 45 Prozent. Ungefähr die Hälfte davon sind Mädchen. Was glauben Sie, wie viele Prozent davon ein Kopftuch tragen? (Bundesrat Schennach: Null!) – Null Prozent. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist jetzt aber nicht repräsentativ! – Bundesrat Samt: Gott sei Dank!)

Also ich denke, in einer Gemeinde mit einem der höchsten Anteile an Migranten und vor allem muslimischen Migranten ist das sehr wohl repräsentativ. Alle Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen, die ich gefragt habe, haben mir das bestätigt. Es sind ganz seltene Einzelfälle, einen konnte ich in Graz ausfindig machen, wo es einmal ein Thema war, dass ein Mädchen in der Volksschule ein Kopftuch hätte tragen sollen.

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass niemand von uns will, dass ein Kind in der Volksschule, ein Mädchen in der Volksschule, dazu gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen. (Bundesrat Steiner: Na dann stimmt zu!) Ich hoffe aber auch, dass wir uns darüber einig sind, dass ein Kopftuchverbot in der Volksschule keine Maßnahme ist, die irgendeine Wirkung in die Breite hat. (Ruf bei der FPÖ: Da sind wir uns nicht einig!) Ich nehme eher an, es steckt eine ordentliche Portion Unsicherheit dahinter, dass es nicht für jene Altersgruppe in Angriff genommen wird, bei der es tatsächlich ein Thema ist. Darüber spricht keiner. Denn wenn die Fachleute, die Expertinnen, die von Kollegin Eder-Gitschthaler genannt wurden, von Mädchen und von jungen Frauen sprechen, dann sprechen sie nicht von unter Zehnjährigen, sondern von jungen Mädchen, die älter als zehn Jahre alt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich bin auch überzeugt davon, dass keiner von uns will, dass diesen Kindern ein Selbstbild, ein Frauenbild vermittelt wird, das bei uns in der Gesellschaft keinen Platz hat. Das wollen wir alle nicht; aber wenn wir das nicht wollen, dann dürfen wir keine Pseudoaktionen auf den Weg schicken, sondern müssen wirkliche Maßnahmen setzen, die sich an die Gruppe richten, die es betrifft, und das sind nun einmal nicht die unter Zehnjährigen. Ich habe das wirklich in vielen Gesprächen abgeklärt. Da ist nicht das Problemfeld.

Wenn wir wollen, dass junge Mädchen und Kinder die Chance haben, das Kopftuch wirklich länger als vier Unterrichtsstunden ablegen zu dürfen, dann müssen wir über das reden, was wir schon lange fordern, nämlich eine verschränkte Ganztagsschule. Dann haben diese Mädchen nämlich die Möglichkeit, ihren Tag ohne Kopftuch zu verbringen, dann haben sie die Möglichkeit, im geschützten Rahmen der Schule, begleitet von Pädagoginnen und Pädagogen, von Freizeitpädagoginnen und ‑pädagogen auch Sport zu treiben.

Das ist nämlich auch ein Recht, das jedes Kind haben sollte. Dann – das kann ich Ihnen bestätigen – geht es nicht mehr um das Kopftuch allein, wenn Mädchen nicht ins Freibad gehen dürfen, wenn Mädchen am Nachmittag am Sport nicht teilhaben dürfen. Das ist keine Frage des Kopftuchs.

Das, was hier gemacht wird, ist ein Gesetz, dem wir ruhigen Gewissens zustimmen könnten (Ruf: Ach geh! – Bundesrätin Zwazl: Dann stimmt doch zu!), weil wir ohnehin nicht wollen, dass Kinder in der Volksschule ein Kopftuch tragen, nur würden wir dann einem Gesetz zustimmen, das keine beziehungsweise eine äußerst marginale Wirkung hätte und sich an gar keine Zielgruppe richten würde. Außerdem wissen wir doch, dass die jungen Mädchen, wenn sie heimkommen, das Kopftuch wieder aufsetzen müssen. Dort sollten wir ansetzen, das ist der Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Dieses Gesetz hat keinen realistischen Bezug zur Verbesserung der Situation der Mädchen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Aber wir müssen doch anfangen!) Dass ihr das nicht erkennt, und da richte ich mich gerade an die FPÖ, ist mir schon klar. Ihr wollt damit nur polarisieren. Es ist ein einfacher Weg, zu polarisieren, weil kein Gegen­wind kommt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist doch so abgedroschen! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich verstehe auch, dass ihr nicht weiter darüber nachdenkt, denn Begriffe wie Feminismus sind euch fremd! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden also diesem Gesetz nicht zustimmen – in der Hoffnung, dass die Botschaft angekommen ist: Es braucht ein Gesamtpaket. Wir wollen, dass junge Mädchen die Möglichkeit haben, das Kopftuch abzulegen, und das erreichen wir nicht mit diesem Gesetz.

Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Minister, die Frage beantworten können, wie viele Kinder unter zehn Jahren in Österreich davon betroffen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich habe eines gefunden, und dieses Kind hatte auch ohne ein Gesetz die Möglichkeit, dieses Kopftuch abzulegen in Zusammenarbeit mit der Schulleitung, mit der Lehrerin, mit den Elternvertretern und mit Schulpsychologen und Integrations­pädagoginnen.

Wenn man aber 80 Millionen Euro für IntegrationspädagogInnen, für DeutschlehrerIn­nen, für SozialarbeiterInnen, für Psychologinnen und Psychologen streicht, dann ist diese Möglichkeit natürlich auch nur mehr begrenzt gegeben. Wir stimmen nicht zu, weil das Gesetz nichts bringt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.42

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.