9.44

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch euch einen schönen guten Morgen! Ich freue mich, dass Sie, sehr ge­ehrte Frau Bundeskanzlerin, und Sie, Herr Vizekanzler, heute eine Erklärung in der Länderkammer abgegeben haben und sich den Mitgliedern des Bundesrates, der zwei­ten Kammer unseres Parlaments, vorgestellt haben. Ich selbst darf mich als Fraktions­vorsitzenden der Bundesratsfraktion der Volkspartei vorstellen.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben Ihre Erklärung im Nationalrat und auch die heutige mit einem Zitat von Cicero begonnen: „Nichts hält das Gemeinwesen besser zusam­men als die Verlässlichkeit.“ Gerade die zweite Kammer unseres Parlaments steht in besonderer Weise für Verlässlichkeit, für Beständigkeit. Wir halten als permanent ta­gendes Gremium unseres Parlaments ja heute schon die 894. Bundesratssitzung ab. Damit sind wir quasi eine von der Verfassung festgeschriebene – unter Anführungszei­chen könnte man sagen – „Versicherungspolizze“ unserer Republik.

Ich möchte auch mit einem Zitat von Cicero beginnen, der einst meinte: „Keine Schuld ist dringender als die, Dank zu sagen“. – Ich möchte das ganz bewusst auch tun und an den Beginn stellen. Ich danke allen Mitgliedern der Bundesregierung dafür, dass sie in einer außergewöhnlichen Situation bereit waren, Verantwortung für unsere Republik zu übernehmen. (Allgemeiner Beifall.)

Sie gemeinsam bilden eine Übergangsregierung mit dem Schwerpunkt darauf, dass Sie dafür Sorge tragen werden, die Staatsgeschäfte so zu führen, dass der laufende Betrieb gewährleistet ist. So sehen Sie Ihre Aufgabe ja in erster Linie auch darin, einen breiten Dialog zu führen. Ich kann das auch anbieten, auch wir hier im Bundesrat sind zu diesem Dialog sehr gerne bereit. Sie verstehen sich als Stabilität und Sicherheit für die Menschen gewährleistend und den Bestand der Dienstleistungen garantierend.

Ich danke Ihnen an dieser Stelle auch sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie ein klares und deutliches Bekenntnis zum Föderalismus abgegeben haben. Das war sicherlich gerade in dieser Kammer des Parlaments eine sehr, sehr wesentliche Aussage.

Wir von der Volkspartei werden diese Regierung auch im Bundesrat – so wie das un­ser Klubobmann im Nationalrat schon angesprochen hat – „im Sinne der Staatsverant­wortung und [...] der Stabilität unterstützen [...], bis eine neue, vom Volk legitimierte Re­gierung angelobt wird.“

Das Beruhigende in dieser außergewöhnlichen Zeit ist sicherlich, dass unsere Bun­desverfassung sehr gute und wichtige Bestimmungen enthält, die uns diese Über­gangszeit sicher bewältigen lassen.

Ich bitte auch um Verständnis dafür, dass ich hier klar anspreche, warum es zu dieser einmaligen, außergewöhnlichen Situation gekommen ist. Im Wesentlichen sind es zwei Gründe: Zum Ersten haben das schreckliche Ibizavideo und die Akteure der Freiheitli­chen Partei Herrn Bundeskanzler Kurz keine andere Wahl gelassen, als Neuwahlen zu fordern, denn der ehemalige Vizekanzler wollte laut diesem Video unser Wasser ver­kaufen, hat die Pressefreiheit mit Füßen getreten sowie dubiose Parteienfinanzierungs­kanäle offeriert. Jede einzelne dieser Aussagen ist für uns ein No-Go, und insgesamt betrachtet sind sie das in besonderer Weise.

Nach diesen ungeheuerlichen Aussagen in diesem Video gab es auch keine Möglich­keit, zur Tagesordnung überzugehen. Oberste Priorität in dieser Situation war die volle Aufklärung und Transparenz, vor allem durch einen unabhängigen Innenminister. Die­se Einsicht war allerdings bei manchen in der Freiheitlichen Partei leider nicht gege­ben – daher auch die Konsequenz im Interesse des Staates. Meiner Meinung nach hat Bundeskanzler Kurz in dieser Situation absolut verantwortungsvoll gehandelt, und das im engen Austausch und im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespräsidenten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten machte der Misstrauensantrag die Bildung dieser Übergangsregierung erst erforderlich. Bundeskanzler Kurz hat es in der Debatte im Nationalrat klar gesagt: Er verstehe die Rachegelüste – ich zitiere – mancher, er verstehe auch den Wunsch, sich für die Wahl in eine bessere Position zu bringen und ihm als Bundeskanzler das Misstrauen auszusprechen. Was aber nicht zu verstehen sei: dass der ursprüngliche Misstrauensantrag gegen ihn als Reaktion auf das Europawahlergebnis auf die ge­samte Regierung ausgeweitet worden sei. Genau nach dem Vorliegen des EU-Wahl­ergebnisses, das ja als eine erste politische Antwort der Bevölkerung – ich betone aber: nicht die einzige Antwort – auf diesen Ibizavideoskandal gewertet werden muss, war das eine beachtliche Lehre, die Frau Rendi-Wagner aus diesem Wahlergebnis ge­zogen hat; eine sehr wohl sehr bemerkenswerte Lehre, die man aus diesem Wahler­gebnis gezogen hat.

Das zeigt meiner Meinung nach auch klar, dass es bei diesem Misstrauensantrag nicht um Misstrauen ging, sondern es ging nur um eines: Kurz muss weg! Ein erfolgreicher Bundeskanzler Kurz, dem man inhaltlich scheinbar nichts entgegenzusetzen hat, muss weg. Ein erfolgreicher Bundeskanzler, der mit seiner Volkspartei und einem verantwor­tungsbewussten und erfolgreichen Weg der Mitte am Tag davor einen fulminanten Wahlerfolg erzielt hatte, muss weg. Ein erfolgreicher Bundeskanzler Kurz, der für Ver­änderung steht, und das mit großer Rückendeckung aus der Bevölkerung, muss weg. Ein solcher Bundeskanzler muss einfach weg. – Das war Ihre einzige inhaltliche Be­gründung, meine Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und FPÖ!

Ich stelle schon die Frage: Wie viel Angst hat man vor diesem Sebastian Kurz? (Bun­desrätin Schumann: Keine!) Welche Rache- und Hassgefühle leiten Sie, um diesen Schritt zu setzen? Keine Frage – um das hier auch klar auszusprechen –, es ist demo­kratiepolitisch absolut legitim, was Sie getan haben, es ist aber aus unserer Sicht ein ungeheuerlicher Schritt, und das sieht ein Großteil der Bevölkerung ebenso. (Beifall bei der ÖVP.) Jetzt auch noch heuchlerisch zu jammern, dass Sebastian Kurz, den man weghaben wollte, das Mandat nicht angenommen hat, das ist schon sehr zynisch und durchsichtig. Sebastian Kurz ist mit den Menschen im Gespräch, und das ist gut so. Er macht genau das, was unsere Aufgabe als Politiker ist, nämlich sich die Meinung der Menschen anzuhören. (Bundesrat Spanring: Der heilige Basti!) Das zu tun würde ich auch anderen sehr empfehlen.

Die neue Allianz von SPÖ und FPÖ hat nicht nur der Regierung von Kurz das Miss­trauen ausgesprochen, sie hat immer wieder betont, diese Übergangsregierung zu un­terstützen. Zwischen dem, was Sie in Reden ankündigen, und dem, was Sie dann in die Tat umsetzen, gibt es halt doch einen großen Unterschied. Sie haben eine Allianz zur Festlegung des Wahltermins gebildet und haben dabei gegen den Willen und den Wunsch des Herrn Bundespräsidenten, möglichst früh zu wählen, entschieden. Das ist zwar legitim, aber eigenartig. Sie haben sich gegen den Willen und den Wunsch der Frau Bundeskanzlerin, möglichst früh zu wählen, entschieden. Das ist zwar legitim, aber eigenartig. Sie haben das getan, weil Sie sich dabei von parteipolitischen Interes­sen haben leiten lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Was bei der ÖVP nie der Fall ist!)

Wir stehen für Stabilität in diesem Land. Während andere – und das möchte ich hier auch betonen – mit Schaum vorm Mund auch hier im Plenum im wahrsten Sinne des Wortes wahlkämpfen, während andere, begleitet von Rachegelüsten und Hass, mit Aufklebern, auf denen „Ganz Wien hasst die ÖVP!“ steht, im wahrsten Sinne des Wortes wahlkämpfen, treten wir weiterhin für notwendige Veränderungen in diesem Land und für einen neuen Stil ein. (Bundesrat Weber: Aber geh!) Wir hassen nieman­den, aber wir zeigen auf, was nicht in Ordnung ist.

Wir werden nach dem Sommer intensiv für unsere Ideen, für unser Programm, für un­seren Weg der Veränderung für Österreich werben, und am Wahltag werden die Wäh­lerinnen und Wähler entscheiden. (Bundesrat Spanring: Ihr habt keine Ideen! Das sind alles unsere Ideen!) Darauf freue ich mich. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir freuen uns auch!) Bis dahin weiß ich aber unser Land bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanz­lerin und sehr geehrte Mitglieder dieser Übergangsregierung, in sehr, sehr guten Hän­den, und ich kann Ihnen versichern: Wir haben großes Vertrauen in Sie. Alles Gute und viel Erfolg. (Beifall bei der ÖVP.)

9.55

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. Ich er­teile dieses.