9.15

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Hohen Haus! Als Pädagogin an einer Neuen Mittelschule in Niederösterreich, die unter anderem Mathematik und auch Robotics unterrichtet, freue ich mich ganz besonders, dass wir uns heute in der Aktuellen Stunde diesen beiden Themenbereichen widmen und uns genauer damit auseinandersetzen. Sowohl bei der Digitalisierung als auch im Bereich der Mint-Fächer ist es aus meiner Sicht ganz unerlässlich, bereits in der Elementar­pädagogik entsprechendes Augenmerk darauf zu legen, um dann ein möglichst stufen­loses Aufbauen darauf bis in den Hochschulbereich und darüber hinaus in den Arbeits­markt auch wirklich zu ermöglichen.

Wenn 13-Jährige Roboter bauen und programmieren, wenn Zehnjährige mittels Smart­phone und Augmented-Reality-Apps in das Innere des menschlichen Körpers blicken können, wenn sich Studierende für Gruppenarbeiten nicht mehr treffen müssen, son­dern, über das Internet verbunden, kollaborativ an einem Projekt arbeiten können, wenn sich PädagogInnen in Blended-Learning-Verfahren von zu Hause aus weiterbilden, dann ist das heutzutage nichts Exotisches oder Außergewöhnliches. Neue Medien haben ohne Zweifel längst Einzug in unseren Alltag und damit natürlich auch in unse­ren Bildungsalltag, in die österreichische Bildungslandschaft, in alle Klassenzimmer und auch in die Hörsäle und hier in den Bundesrat gehalten. Wir sollten nicht verges­sen – die meisten von uns waren ja dabei und werden sich noch gut daran erinnern können –, dass unser damaliger Präsident Reinhard Todt seine Präsidentschaft ganz besonders der Digitalisierung gewidmet und diesbezüglich auch zahlreiche Initiativen gesetzt hat.

Frau Ministerin, Ihr Vorgänger Minister Faßmann war es, der dazu unter anderem den Masterplan Digitalisierung hat ausarbeiten lassen. Er geht aus meiner Sicht durchaus in die richtige Richtung, aber als großen Wurf würde ich ihn nicht bezeichnen, zumal dieser Masterplan auf vielem aufbaut, das bereits unter Ministerin Hammerschmid mit dem Aktionsplan Schule 4.0 auf den Weg gebracht wurde, Stichwort digitale Grund­bildung, Stichwort Infrastruktur und Ausstattung – also alles, was mit Hardware und Software zu tun hat; WLAN, Breitbandanschlüsse und dergleichen –, Stichwort digitale Lerntools, und, ganz wichtig und nicht zu vergessen, digital kompetente Pädagoginnen und Pädagogen.

Mithilfe unterschiedlicher Tools und Initiativen, wie zum Beispiel Digi-Check, Digi-Komp, E-Education, die Virtuelle Pädagogische Hochschule, Playmit, die Eduthek und einer Sammlung von Open-Educational-Resources, mit interaktiven Schulbüchern und vielem mehr, ist eine den gesellschaftlichen Anforderungen entsprechende Basis für digitale Bildung gelegt worden. Vielen Dank auch an dieser Stelle für diese Initiativen, die Liste ließe sich hier beliebig fortsetzen.

Neue Lehr- und Lernformen, wie zum Beispiel der flipped oder inverted classroom haben sich, ohne Frage, inzwischen etabliert. Die Lehrkraft ist längst keine reine Wis­sensvermittlerin mehr, vielmehr geht es darum, den Lernenden als digitaler Lern­beglei­ter Kompetenzen zu vermitteln, und darum, Informationen zu sichten, zu interpretieren. Fakenews sind, denke ich, inzwischen uns allen ein Begriff, das wird auch eine der großen Herausforderungen für die Zukunft werden. Leider muss ich aber sagen, sind einige Pläne des Konzepts Schule 4.0 im Masterplan von Türkis-Blau hintangestellt, auf die lange Bank geschoben worden, so zum Beispiel auch die flächendeckende Ausstattung mit Breitband, WLAN, Tablets und Notebooks für alle Schülerinnen und Schüler der 5. bis 9. Schulstufe.

Das sehe ich sehr problematisch, denn – ich glaube, da sind wir uns einig – die Ent­wicklung in dem Bereich bleibt sicher nicht stehen. Auch darauf hat ja meine Vorred­nerin bereits hingewiesen. Aufgrund des digitalen Wandels sehen wir uns mit derart rasanten technischen Veränderungen konfrontiert, die inzwischen fast jeden unserer Lebensbereiche betreffen, sodass auch Schule, Hochschullehre, Erwachsenenbildung, aber auch betriebliche Weiterbildung bis hin zum Arbeitsmarkt als Ganzem darauf entsprechend reagieren müssen.

Eines muss aus meiner Sicht immer im Fokus politischer Anstrengungen bleiben, näm­lich die Chancengerechtigkeit. Das ist mir ein ganz wesentliches Anliegen. Immer noch haben nämlich nicht alle Menschen gleichermaßen Zugang zu digitalen Medien. Es muss daher diesem Digital Divide, also der sozialen Spaltung aufgrund von ungleichen Zugangsmöglichkeiten, ganz rasant und entschieden entgegengewirkt werden.

Es gibt verschiedene Bildungsexperten, die in diesem Zusammenhang auch immer wieder auf das Problem des Matthäus-Prinzips hinweisen, das sich in der Nutzung von Internet und Computer deutlich zeigt, nämlich insofern, als jene mehr mit digitalen Medien arbeiten, die ohnehin bereits eine höhere digitale Kompetenz aufweisen. Das wiederum verstärkt den Digital Divide noch zusätzlich. Da ist also aus meiner Sicht Handlungsbedarf gegeben. Ich glaube, es ist unter anderem die Kostenfrage eine ganz entscheidende.

Gerade im Pflichtschulbereich können wir die Gemeinden als Schulerhalter, aber auch ganz besonders die Eltern in diesem Zusammenhang, was die Kosten für Anschaffung und Instandhaltung von Geräten betrifft, nicht alleine lassen. Es braucht in Bezug auf die finanziellen Ressourcen eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden. Dazu gehören nicht nur Ressourcen für die Ausstattung, sondern auch zum Beispiel für IT-Betreuerinnen und -Betreuer, die sozusagen für das Trouble­shooting vor Ort, in den Schulen zuständig sind. Sehr oft – und das kenne ich auch aus meiner eigenen Praxis – gibt es niemanden, der rasch Hilfe leisten kann, wenn das interaktive Whiteboard nicht funktioniert, wenn die Technik einmal nicht so will, wie sie soll.

Dazu gehören aber auch noch mehr Ressourcen für die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen, und zwar vom Grundlagenwissen bis hin zu Fragen der didaktischen Umsetzung, einer ganz passgenauen Fortbildung, die dann auch wirklich in der Praxis angewandt und umgesetzt werden kann.

Eines, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, steht wohl außer Frage: Digitale Kompe­tenzen sind die Voraussetzung für eine aktive Teilhabe in einer digitalen Gesellschaft. Digital Skills gehören mittlerweile zu den wichtigsten Bedingungen für gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben es auch von meiner Vorrednerin soeben gehört. Daher braucht Österreich eine intensive Auseinandersetzung über einen gerechten Zugang zur digitalen Bildung.

Nun zum Mint-Bereich, der ja heute eigentlich untrennbar mit der Digitalisierung ver­bunden ist: Die naturwissenschaftlichen, mathematisch-technischen Fächer liegen bei den Jugendlichen – das kann ich aus meiner eigenen Praxis bestätigen – nicht oft auf Platz eins, was die Beliebtheit betrifft. Dabei ist ja frei nach Galileo Galilei das Buch der Natur mit mathematischen Symbolen geschrieben. Das heißt, auch da gilt es, mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern, damit jene Fachbereiche später in den hö­he­ren Schulen, aber auch an den Universitäten und Hochschulen in ausreichendem Maße gewählt werden und in Österreich entsprechend viele Expertinnen und Experten in diesen Bereichen ausgebildet werden können.

Ja, wir sehen, wir sind auf dem richtigen Weg, zumindest bestätigen uns das auch die aktuellen Pisa-Ergebnisse: in diesem Bereich zumindest positiv. Österreichs SchülerIn­nen liegen in Mathematik sogar über dem OECD-Schnitt, in den Naturwissenschaften generell zumindest im OECD-Schnitt. Erfreulich ist, dass sich die Geschlechter­unter­schiede zwischen Burschen und Mädels in diesem Bereich inzwischen mehr oder weniger aufgehoben haben. Sie liegen nun in etwa gleichauf. Aber wir dürfen uns in diesem Zusammenhang, glaube ich, nicht beruhigt zurücklehnen.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf einige wichtige Initiativen vonseiten der ehemaligen Ministerin Hammerschmid hinweisen, die schon die richtigen Wege sozusagen angeleiert hat, wie zum Beispiel das Mint-Gütesiegel, eine gemeinsame Initiative von Bildungsministerium, Industriellenvereinigung, Wissensfabrik Österreich und Pädagogischer Hochschule Wien, mit dem Schulen, aber auch bereits elemen­tarpädagogische Einrichtungen ausgezeichnet werden können, die durch verschiedene Maßnahmen und Projekte innovatives, forschendes und begeisterndes Lernen in Ma­the­matik, Technik und Informatik fördern, also den Forschergeist der Kinder wecken.

Weitere Kooperationen mit Arbeiterkammer, AMS, aber auch mit Hochschulen, For­schungszentren et cetera bieten mit Aktionen wie der Kinderuni oder dem Girls’ Day beispielsweise erste Einblicke in Forschung und Technik. Das ist auch positiv heraus­zustreichen.

Trotzdem: 60 Prozent der Studierenden heute entscheiden sich immer noch für nur 10 Prozent der möglichen Studienfächer – wenig überraschend zu einem großen Teil für Studien aus den Sozial- und Geisteswissenschaften. Was es daher aus unserer Sicht noch ganz, ganz dringend braucht, sind weitere Angebote und Initiativen im niederschwelligen Bereich, um auch schon Kinder für Mint zu begeistern, einen weiteren Ausbau der Zahl der Studienplätze im Mint-Bereich und gleichzeitig auch weitere neue Professuren, um das Betreuungsverhältnis noch weiter zu verbessern. Wir brauchen auch weitere Studienangebote an den Fachhochschulen; auch hier geht es bereits in die richtige Richtung, aber Entwicklung ist wichtig. Nicht zuletzt aufgrund des großen Themas Klimawandel ist eine Erhöhung der Forschungsfinanzierung und -förderung besonders in den Bereichen Klima, Energie und Umwelt, aber auch bei der Mobilitätsforschung beispielsweise, bei der Forschung zur künstlichen Intelligenz und vielem mehr ein Gebot der Stunde.

Zum Abschluss möchte ich noch eines betonen: Bildung bedeutet, Potenziale und Talente zu entdecken und zu entwickeln. Egal, ob Digitalisierung oder Mint-Fächer, beides müssen ganz zentrale Themen in der Weiterentwicklung einer modernen Bil­dungspolitik sein, um Österreich im internationalen Vergleich, abgesehen von Pisa na­türlich, entsprechend wettbewerbsfähig zu halten. Ich glaube, das liegt in unser aller Interesse. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.26

Präsident Karl Bader: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.