10.40

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher, eventuell auch zu Hause via Livestream! Meine Damen und Herren! Ich will nicht verhehlen, dass sich meine Begeisterung für dieses Gesetz in Grenzen hält. Warum? – Erstens einmal habe ich eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Ausnahmeregelungen. Das ist ein bisschen so wie mit einem Leck in einem Damm: Am Anfang sickert halt ein bisschen Wasser, ein paar Liter in der Stunde, durch. Das ist nicht weiter tragisch. Wenn man aber nicht darangeht, dieses Leck zu sanieren und zu schließen, wird das immer mehr werden, bis der Damm schlussendlich kollabiert.

Der zweite wesentliche Grund für meine Skepsis ist finanzieller Natur. Es ist dies der von der Asfinag prognostizierte Mautentgang in Höhe von jährlich 28 Millionen Euro. Damit man sich darunter, was diese 28 Millionen Euro bedeuten, ein bisschen etwas vorstellen kann, vielleicht zwei Beispiele: Der Sicherheitsausbau und die General­sanie­rung des Plabutschtunnels mit zusätzlichen Querschlägen und mit einer technischen Aufrüstung kostet, auf drei Jahre verteilt, etwas mehr als 60 Millionen Euro. Das heißt also, mit diesem Geld ist das locker drinnen. Der Lärmschutz in Ansfelden, der sehr zum Schutz der Anrainer beiträgt, kostet auf 6 Kilometern Länge in ungefähr eineinhalb Jahren 21 Millionen Euro. Das wäre also in diesen 28 Millionen Euro locker drinnen.

Welche Möglichkeiten gibt es jetzt eigentlich, um diesen Einnahmenentfall zu kompen­sieren? Man könnte natürlich hergehen und sagen: Der Bund soll diesen Entfall aus­gleichen und das an die Asfinag bezahlen! – Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Die zweite Möglichkeit wäre, dass die betroffenen Länder, die ja die Nutznießer dieser Regelung sind, das Geld an die Asfinag zahlen. Das halte ich für noch unwahr­scheinlicher. Eine dritte Möglichkeit wäre die Einsparung beim Projektumfang, sei es jetzt, dass irgendetwas gar nicht gebaut wird, sei es, dass es später gebaut wird. Da kann ich nur sagen: Das wird hoffentlich nicht die Lösung sein, denn diese ginge zu­lasten der Sicherheit und zulasten der betroffenen Anrainer. Eine vierte Lösung wurde bereits angesprochen: die Erhöhung der Vignettenpreise zur Kompensation dieses Einnahmenverlustes. Das wird wahrscheinlich politisch nicht sehr opportun und auch schwer umsetzbar sein.

Was bleibt also noch übrig? – Es wird zu einer Verschlechterung des Ergebnisses der Asfinag kommen, die sich ja aus den Mauteinnahmen finanziert. Heuer ist mit Einnah­men von ungefähr 2,1 Milliarden Euro, davon 600 Millionen Euro aus der Vig­nette, zu rechnen. Die Asfinag wird für das Jahr 2019 an den Bund eine Dividende von ungefähr 165 Millionen Euro ausschütten.

Wie man es also dreht oder wendet: In irgendeiner Form wird der Steuerzahler dann zur Kasse gebeten werden, und das, um vorwiegend – das ist ja bereits angeklungen – ausländische Verkehrsteilnehmer zulasten des österreichischen Steuerzahlers zu entlasten. Herr Kollege Gfrerer hat es ja sehr deutlich in seinen Beispielen gesagt, es ist eigentlich eine Art Tourismussubvention – zumindest für Salzburg: Christkindlmarkt, Festung und so weiter und so fort. Das haben wir alles gehört.

Das Ende der Fahnenstange ist aber damit noch nicht erreicht. Es liegen ja bereits – in den letzten Jahren aufgelaufen – Wünsche aus den Ländern auf dem Tisch – und mir würden da viele einfallen, ich werde sie jetzt nicht aufzählen –, die 15 Prozent des bemauteten Asfinag-Netzes, ungefähr 320 Kilometer, betreffen. Das würde dann schon zu einem Entfall in Höhe von 75 Millionen Euro führen.

Das führt mich jetzt wieder zu dem Beispiel mit der Leckage im Damm. Es besteht also die langfristige Gefahr einer Erosion, einer Aushöhlung unseres Vignettensystems, und das wird natürlich Wasser auf die Mühlen der Befürworter von Roadpricing, also der kilometerabhängigen Bemautung, sein, und das wollen wir nicht. Ich weiß nicht, vielleicht ist es auch eine Vorleistung der ÖVP für die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, dass sie das jetzt so forciert. Wir steuern in Wirklichkeit genau darauf zu.

Nun, trotz dieser Bedenken, die ich habe, werden wir im Interesse der betroffenen Bevölkerung – das steht außer Zweifel, dass sie sehr unter dem Ausweichverkehr leidet – dieser Soforthilfe, wenn ich es einmal so bezeichnen darf, zustimmen. Es ist der Wunsch vieler Länder, und wir sind ja hier in der Länderkammer. Ich hoffe aller­dings, dass die vorgesehene Evaluierung dieser Maßnahme nicht schon irgendwo in der Schublade liegt, sondern wirklich gewissenhaft und kritisch durchgeführt wird und dass wir dann sehen werden, ob diese Regelung Bestand haben soll. Da muss ich ein bisschen widersprechen: Auch wenn das ein Gesetz ist, ist es dadurch nicht in Stein gemeißelt, sondern das Parlament kann Gesetze auch wieder ändern, aufheben, was immer.

Gleichzeitig sollten aber Alternativen geprüft werden. Eine dieser Alternativen ist ja heute von der SPÖ in ihrem Entschließungsantrag vorgebracht worden: dass man die Ausweichstrecken bemautet. Das halte ich für keine gute Idee, weil das schlussendlich auch wieder in Richtung Roadpricing geht. Es ist kompliziert umsetzbar, vor allem wenn das zeitlich befristet ist; dann kennt sich überhaupt kein Verkehrsteilnehmer, und schon gar kein ausländischer, mehr aus.

Eine andere Möglichkeit wären natürlich auch bauliche Maßnahmen. Man soll sich überlegen, was man mit dem Geld, mit der Maut, die da entfällt, eigentlich auf diesen Ausweichrouten alles machen könnte. Ich denke beispielsweise daran, niveaugleiche Kreuzungen durch Unterflurtrassen zu entschärfen, an Lärmschutzmaßnahmen et cetera. Sie haben ja meinen Beispielen bereits entnommen, dass man mit dem Geld ganz schön viel machen kann.

Dass diese jetzt zu beschließende Maßnahme eine für – das muss man sagen – Maut­flüchtlinge – wobei ich mit dem Begriff Flüchtling ein bisschen ein Problem habe: die Mautflüchtlinge sind ja weder kriminell noch unterliegen sie der Genfer Flüchtlingskon­vention – ist, zeigt ja das Beispiel Vorarlberg. Dort besteht die große Gefahr einer Verlagerung des Problems von der Grenze nach Lustenau und nach Hohenems. Ich kann nur sagen: des einen Freud, des anderen Leid! Daher darf ich in meinem Namen und im Namen meiner Kollegen folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Ver­lagerung des Verkehrsproblems ‚Maut-Flucht‘ nach Lustenau und Hohenems“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, einen Vorschlag für die Verkehrsproblematik ‚Maut-Flucht‘ in Vorarlberg vorzulegen, der dieses Problem löst und nicht in andere Regionen verlagert.“

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In formeller Hinsicht haben wir darüber eine namentliche Abstimmung verlangt. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.49

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Gerd Krusche, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Verlagerung des Verkehrsproblems ‚Maut-Flucht‘ nach Lustenau und Hohenems“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist der neue Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.