16.02

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nach dem Allerweltsmischmasch, der hier von meiner Vorrednerin zum Besten gegeben wurde, wieder zum Thema zurückkommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ist so!)

„Nah bei den Menschen. Bereit für die Zukunft“ ist nicht nur das Motto dieser Prä­si­dentschaft gewesen, sondern ist auch ein gelebter Teil dieser Präsidentschaft. (Bun­desrätin Hahn: Das große ...! – Ruf bei der SPÖ: Natürlich Klosterneuburg!) Daher möchte ich mich vorweg für das gemeinsame Einbringen bedanken, und auch dafür, dass diese Gesetzesinitiative, die die Prüfpflicht für die Einrichtung neuer Bundes­dienststellen betrifft, auf die heutige Tagesordnung gesetzt wurde.

Ich möchte aber auch klar und deutlich sagen, dass es schon ein bisschen vermessen ist, wenn man sich hierherstellt und Dinge fordert, die eigentlich über Jahre von der SPÖ blockiert worden sind und soeben möglicherweise aus politischen Gründen ange­sprochen wurden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: … von der ÖVP!) Das, was da vorgelegt wurde, ist aus unserer Sicht nicht ausgegoren.

Das Zweite, was ich auch gleich vorweg anmerken möchte: Es ist auch so, dass wir die Berechtigung der Formulierung, dass das verfassungswidrig sei, nicht sehen (Bundesrat Beer: Deine Gesetze, die aufgehoben wurden! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – aber das gibt es halt immer wieder, dass wir als Politiker Beschlüsse fassen, über die wir hier im Saal unterschiedliche Meinungen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, ich kann aber eines nicht akzeptieren, nämlich dass Sie sich hierherstellen und immer glauben, Sie haben die Weisheit mit dem Löffel gegessen. (Bundesrat Beer: Das ist ein starkes Stück! Einen Ordnungsruf an den Prä­sidenten! – Bundesrätin Grimling: Schon ein starkes Stück! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es wird Entscheidungen geben, es wird dann entsprechende Gesetzesbeschlüsse geben. Diese Gesetzesbeschlüsse, die wir hier fassen und die eine Mehrheit finden, sind natürlich alle einer Prüfung zu unterziehen – das ist ja überhaupt keine Frage. Das Ziel ist aber, einen ersten Schritt zu setzen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute mit diesem Antrag zur Änderung des Bundesministeriumsgesetzes (Ruf bei der SPÖ: Bundesministeriengesetz!) diesen ersten Schritt setzen, um dem Bestreben einer Dezentralisierung und der Verpflichtung zur Prüfung bei der Einrichtung neuer Bundes­dienststellen näherzukommen.

Die Alternativen sind für mich als Vertreter eines ländlichen Raumes nicht zufrieden­stellend; diesen unbefriedigenden Zustand weiterzuführen halte ich auch nicht für in Ordnung. Ich möchte an dieser Stelle, wie ich es auch in meiner Schlussansprache zu Beginn dieser heutigen Sitzung gesagt habe, betonen: Es geht hier um kein Bashing. (Bundesrätin Grimling: Nein, überhaupt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht hier um kein aggressives Abgrenzen zu Wien, ich habe das auch extra mit­ge­schrieben, es geht um ein Miteinander. (Ruf bei der SPÖ: Das macht es nicht bes­ser!)

Ich bin auch der Meinung – und da gebe ich Ihnen recht –, dass die Bundeshauptstadt Wien als Ballungsraum auch ihre Herausforderungen hat. Da geht es nicht nur um Wien, zu den Ballungsräumen zählt auch der Gürtel um Wien herum, das ist die Grazer Gegend und so weiter. (Bundesrat Beer: Das gehört nicht mehr zum Wiener Gürtel, Graz!) Das ist kein Keiltreiben. Es gibt unterschiedliche Herausforderungen, die anzu­nehmen und die auch in Ballungsräumen zu lösen sind – und solche, die ganz einfach draußen im ländlichen Raum zu lösen sind.

Wir machen heute diese Gesetzesinitiative, weil wir eben strukturschwache Regionen stärken wollen (Bundesrätin Grimling: Klosterneuburg!), weil wir das Bestreben zur Schaffung dezentraler Standorte unterstützen wollen, weil wir Bürgerinnen- und Bür­gernähe stärken wollen und weil wir zur Vermeidung unnötig langer Anfahrtswege auch die Pendlerströme verringern wollen. – Das sind die Themen, um die es uns geht. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Das Zweite ist natürlich auch das, was derzeit stattfindet, nämlich ein Braindrain Rich­tung Ballungsräume, und da geht es wieder nicht nur um Wien. Wien ist schon wichtig, Wien ist unsere Bundeshauptstadt (Bundesrat Beer: Ihr vergesst das immer!), aber Wien ist nicht der einzige Ballungsraum in dieser Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es muss entsprechend gegengesteuert werden. Ohne diese Gegensteuerung wird diese demografische Entwicklung weiter verschlechtert werden, davon bin ich über­zeugt.

Dazu, was wir in Österreich heute diskutieren, gibt es ja – und dazu hat auch unsere Enquete stattgefunden – genügend Beispiele dahin gehend, dass es in anderen Län­dern ganz einfach andere Strukturen gibt. Wir brauchen nur in die Schweiz zu schau­en, wir brauchen nur nach Deutschland zu schauen. Wir haben uns damit auseinan­dergesetzt, ich habe auch mit der bayerischen Landtagspräsidentin Gespräche geführt. Die Bayern haben diese Heimatstrategie sehr erfolgreich aufgesetzt, um Dienststellen in die Regionen hinaus zu verlagern.

Bei der Landtagspräsidentinnen- und -präsidentenkonferenz in Ehrwald in Tirol war ein Vertreter des Finanzministeriums aus München anwesend, der allen Kolleginnen und Kollegen die ganze Strategie erläutert hat. Eines, was er auch gleich zu Beginn gesagt hat, war Folgendes: Es wird bei euch die Diskussion geben, dass die Wiener glauben, es ist eine Aktion gegen Wien (Bundesrätin Grimling: Ist es ja auch!), das hatten wir in München auch! (Bundesrätin Grimling: Hätten wir verhandelt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, München hat davon keinen Schaden genommen. München wächst weiter und wird bis 2030 wachsen, auch wenn nebenbei die ländlichen Regionen gestärkt werden. Auch in Österreich wird die Situation so sein, dass Wien weiter wachsen wird, dass die Herausforderungen stärker werden, dass aber der ländliche Raum parallel dazu gestärkt werden kann. Warum kann es dieses Sowohl-als-auch nicht geben? – Ich bin davon überzeugt, dass es das geben kann und wird. (Bundesrat Beer: Weil wir es in Sankt Pölten im Regierungs­viertel sehen, wie toll das ist!)

Die Hessische Finanzverwaltung hat 500 Dienststellen in den ländlichen Raum hinaus verlagert. (Bundesrätin Grimling: ... auch sehr glücklich damit!) Auch in Schweden gibt es diese Projekte, die Initiative einer teilweisen und gänzlichen Verlagerung von zentralen Einrichtungen (Bundesrätin Hahn: Wie war das mit den Finanzen?), elf sind es an der Zahl, die in zwei Wellen durchgeführt werden. Die Finnen leben es vor. Die Dänen leben es vor. Es gibt europäische Agenturen, die über die gesamte Europäische Union verteilt angesiedelt sind. Warum sollen diese Beispiele nicht auch in Österreich möglich sein, wo wir die weiten Distanzen ja gar nicht haben? (Bundesrätin Schumann: Absolut! Hätten wir verhandelt! Wunderbar! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben auch ein Beispiel aus Niederösterreich in diese Präsidentschaft und in diese Diskussion eingebracht: Bis 2022 werden 500 Dienstposten aus der Landeshauptstadt Sankt Pölten in die Bezirke hinaus verlagert, vornehmlich in Landeseinrichtungen und Bezirkshauptmannschaften. (Bundesrat Beer: Wenn du nicht hinkommst ...!) Das ist ein Beispiel dafür, wie man diesen ländlichen Raum stärken kann. Meine Bezirkshaupt­stadt Lilienfeld mit dem Sitz der BH hat jetzt schon einige MitarbeiterInnen, die nun nicht mehr nach Sankt Pölten pendeln müssen, sondern ihre Dienststelle im Bezirk haben und vielleicht einmal in der Woche oder alle 14 Tage zu einer Dienstbe­sprechung nach Sankt Pölten fahren müssen.

Das ist auch ein Teil des Klimapakets, das wir umsetzen wollen, nämlich die Menschen draußen zu halten. Das, was wir heute beschließen wollen, ist ein erster Schritt. In einem weiteren Schritt muss es doch auch möglich sein, wenn in Sankt Pölten mit dieser Initiative jetzt beispielsweise Raumressourcen frei werden, dass der eine oder andere nicht mehr nach Wien pendeln muss, sondern in Sankt Pölten seinen Dienst versehen kann.

In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Initiativen. Salzburg ist auf dem Weg, 200 Dienstposten zu verlagern. In Tirol gibt es im Regierungsübereinkommen auch eine Festlegung, dass hierzu Initiativen gestartet werden. Das heißt, wir können mit solchen Maßnahmen eine entsprechende Stärkung im ländlichen Raum erreichen. Das wollen wir, ohne Wien damit schwächen zu wollen.

Zum Schluss stelle ich hier noch einmal fest: Das ist nicht das Thema, liebe Frau Kollegin Schumann! Man stellt sich ins Winkerl und sagt: Alle gehen auf mich los! Das stimmt ganz einfach nicht! (Bundesrätin Schuhmann: Was ist es dann?) Es geht um die Stärkung des ländlichen Raumes, ohne dass die Stadt etwas verlieren wird. (Bundesrat Beer: Die Stadt verliert etwas! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Die Aufgeregtheit wundert mich ein wenig. Ich nehme an, dass sie der Vorweih­nachts­freude geschuldet ist. (Bundesrätin Grimling: Na geh!) Ich bitte um Unterstützung für die Gesetzesinitiative. – Vielen, vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.11

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste ist Frau Klubvorsitzende Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.