14.52

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Vizeprä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Regierungsprogramm 2020–2024, eine schwarz-grüne Koalition. Als der Kanzler heute um 12.20 Uhr zu reden begann, hat er gesagt, es beginnt „ein neues Kapitel in der Regierungsarbeit für Öster­reich“. Der Vizekanzler hat gesagt, es sei eine ungewöhnliche Konstellation, eine „un­ge­wöhnliche Koalition“.

Wenn man diese Worte hört, möchte man meinen, in Österreich wird mit dem Regie­rungsprogramm das Rad neu erfunden. Doch beginnt man ein bisschen am Lack zu kratzen, beginnt man, sich die über 300 Seiten dieses Regierungsprogramms durchzu­lesen, kommt man relativ schnell drauf, dass das, was da zusammengeschrieben wur­de, doch nicht so ganz der große Wurf ist. Ich darf euch, Ihnen anhand von drei The­men ganz kurz erklären, was ich damit meine. Ich habe mir die Senioren, die Frauen und den Tierschutz herausgesucht. Zum Tierschutz: Wir haben heute 15 Redner ge­habt und nicht einer hat über den Tierschutz gesprochen – ich bin die letzte Rednerin.

Zum ersten Thema, den Senioren: Wir haben im Herbst die sogenannte Hackler­regelung beschlossen. Die Hacklerregelung sollte eine Respektsbezeugung gegenüber der älteren Generation sein, die 45 Jahre lang hart gearbeitet hat, die 45 Jahre lang Steuern gezahlt hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) – Lassen Sie mich weiterreden, Frau Kollegin! Es ist also eine Missachtung der älteren Generation, wenn man nach der Regierungsbildung, nach der Koalitionsbildung letzte Woche hört, dass das plötzlich platzen soll, dass die Menschen nicht nach 45 Jahren Arbeit ab­schlagsfrei in Pension gehen dürfen. Ich sage Ihnen noch einmal: 45 Jahre harte Arbeit in diesem Land sind genug! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Sie schreiben darüber ja ganz kurz in Ihrem Regierungsprogramm, deshalb spreche ich die Senioren an, Frau Kollegin Eder-Gitschthaler. (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.) Ich spreche die Senioren an, weil das eine Missachtung von ihnen ist! Ich kann nicht irgendein Larifari in ein Regierungsprogramm hineinschreiben und dann solche Aktionen setzen. Schade, dass der Sozialminister gerade nicht hier im Raum ist, dem hätte ich das auch gerne gesagt.

Zum zweiten Thema, zu den Frauen: Warum finden sich Frauenagenden im Inte­grationsministerium wieder? – Sie kommen mir ein bisschen abgeschoben vor, wie ein Appendix werden die Frauenthemen schnell irgendwo angehängt. Frauen gehören doch wohl in die Mitte der Gesellschaft. Mehr als die Hälfte der Österreicher sind eben weiblich. (Bundesrätin Zeidler-Beck: Schauts euch eure Fraktion an! – Bundesrat Steiner: Bei uns zählt die Qualität! – Bundesrat Köck – in Richtung Bundesrat Steiner –: Der war jetzt gut!) Gehören wir Frauen einer speziellen Spezies an? Sind wir Frauen eine Randgruppe? Welche Integrationsmaßnahmen brauchen wir österreichi­schen Frauen? (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Noch einmal: Welche Integrationsmaßnahmen brauchen wir österreichischen Frauen?

Für mich stellt diese Zuteilung zum Integrationsministerium eine Diskriminierung dar, und zwar deshalb, weil nicht wir Frauen integriert gehören, sondern doch wohl so mancher Zuwanderermann und seine Söhne, die anscheinend oft nicht kapiert haben, dass wir im 21. Jahrhundert sind und mit den westlichen Werten und dem modernen westlichen Frauenbild oft nicht umgehen können. Da frage ich mich schon, wer da inte­griert werden sollte. Frauenthemen haben im Integrationsministerium nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Frauen haben genügend Probleme – gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Chancen­gleichheit und so weiter –, die aber mit dem Regierungsprogramm, in dem eine 40-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten gefordert wird, nicht besser werden. Für mich sind diese Quoten übrigens die gleiche Beleidigung und Diskriminierung. Ich möchte nach meiner Arbeit, nach meiner Leistung, nach meinem Einsatz bewertet und beurteilt werden. Ich möchte nicht auf mein Geschlecht, auf mein X-Chromosom reduziert werden! (Beifall bei der FPÖ.) Ich möchte nicht auf mein Geschlecht reduziert werden und ich möchte nicht als Quotenfrau gelten! (Bundesrätin Schulz: Liebe Frau Kolle­gin ...!) Ich möchte mir meine Leistungen, meinen Erfolg erarbeitet wissen und nicht geschenkt bekommen! Es ist beleidigend für jede Frau, wenn ihre Leistung nicht offen und ehrlich honoriert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum dritten Thema, dem Tierschutz: Wenn man im Regierungsprogramm nach den Worten Tier oder Tiere sucht, kommen die Worte adaptieren, orientieren, investieren, existieren und so weiter. Gibt man das Suchwort Tierschutz ein, erhält man immerhin neun Ergebnisse. Diese neun Ergebnisse findet man dann im Inhaltsverzeichnis wieder, auf den ersten paar Seiten, in zwei Überschriften, und den Rest irgendwo im Fließtext. Unter dem Punkt „Die hohen Tierschutz- und Lebensmittelstandards schüt­zen“ findet man ein paar No-na-net-Punkte und bereits altbekannte freiheitliche Forde­rungen zum Tierschutz. – Das war es dann aber auch schon.

Für mich war es eigentlich schon sehr überraschend, als ich mir das Programm angeschaut habe und wenn ich in Richtung Grüne schaue, dass sie sich eigentlich herzlich wenig für den Tierschutz eingesetzt haben, um nicht zu sagen: Haben sich die Grünen von einem ihrer Kernthemen verabschiedet? (Bundesrat Spanring: Das war nie ein Kernthema!) Habt ihr das über Bord geworfen? Wo sind denn jetzt die ganzen Demonstranten, die auch gegen unseren Bundesparteitag demonstriert haben und da den ganzen Tag Sprüche geschrien haben? Das wundert mich sehr. Mich wundert nicht, dass sich die ÖVP da mit einem Klientelschutz statt Tierschutz durchgesetzt hat. Ich darf hier den „Standard“ zitieren. „Der Standard“ hat sich den Tierschutz in diesem Programm angeschaut (einen Ausdruck in die Höhe haltend) und schreibt: „Tiere sind im“ schwarz-grünen „Regierungsprogramm vor allem eins: Essen.“ Und ich darf weiter den „Standard“ zitieren: „Tierschutz im Regierungsprogramm: Tiere sind zum Essen da“. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP und bei Mitgliedern der Bundesre­gie­rung. – Heiterkeit bei und Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.)

Ich muss dem „Standard“ da jetzt eigentlich recht geben (Bundesrat Köck: ... Tier­schutz ... Strache!), denn abgehandelt wird das Thema Tierschutz auf lapidaren einein­halb Seiten mit der Überschrift: „Die hohen Tierschutz- und Lebensmittelstandards schützen“. – Wieder wiederhole ich mich: no na net! Diese Standards gehören nicht nur geschützt, sie gehören auch weiter ausgebaut. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Leider Gottes sind aber die wenigsten Punkte in diesem Regierungsprogramm konkret ausgeführt, sie sind oftmals auch ungenügend präzisiert. Viele Punkte wurden gar nicht erwähnt: Ich darf hier an Pelze, an Tiermessen, an Tierversuche oder an das Schäch­ten erinnern. Das Schächten liegt mir besonders im Magen, weil es immer noch ange­wandt wird. Ich weiß schon, dass es legal ist – illegal wird es auch angewandt –, aber dass in einem Tierschutzgesetz drinnen steht, dass man einem Tier zuerst die Kehle aufschneiden darf und es erst danach betäubt, tut mir schon weh. Das tut mir wirklich weh. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich das anschaut (ein Bild eines Schlachtvorgangs in die Höhe haltend): Diese Tiere haben höllische Ängste beim Fixieren. (Bundesrat Pisec: Schrecklich! Schrecklich!) Es ist ein ewig andauernder Schmerz, sie haben nach dem Schnitt Erstickungsängste und erst nach dem Schnitt, nach dem Eröffnen der Blutgefäße werden die Tiere betäubt – und das dauert. Sie spüren die Qualen und die Schmerzen. Ich glaube, es ist im 21. Jahrhundert nicht notwendig, ein Lebewesen leiden zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist nicht in Ordnung, daher appelliere ich an die Regierung, ich appelliere an jeden hier im Raum, sich dafür einzusetzen, dass auch dieser Paragraf im Tierschutzgesetz dringend geändert oder aufgehoben wird. Es hat sich ja auch das Schächten seit dem Mittelalter bis heute weiterentwickelt, wurde milder – aber warum müssen wir im 21. Jahrhundert immer noch solche Foltermethoden (das gleiche Bild erneut in die Höhe haltend) gegenüber Tieren anwenden? (Beifall bei der FPÖ.)

Abgeordnete zum Nationalrat, zum Bundesrat, Mitglieder der Bundesregierung! Wir haben ja gestern eine E-Mail mit der Information bekommen, dass wir alle in der nächsten Zeit den Tierschutzkalender erhalten werden. Es würde mich sehr freuen, wenn alle verantwortlichen Regierungsmitglieder, alle verantwortlichen Abgeordneten diesen Kalender aufstellen und sich in der Arbeit täglich für den Tierschutz einsetzen würden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.03

Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Herzlichen Dank an die Bundesregierung! Herr Bundeskanzler, danke für die Regie­rungserklärung und alles Gute!