13.30

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Kollege Pisec, ich finde das bemerkenswert und wir waren wirklich erstaunt, denn wir haben noch nie einen freiheitlichen Redebeitrag mit einem Kantzitat gehört. Das finde ich beeindruckend und toll. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Ich finde Ihren Redebeitrag auch toll, weil ich sehr lange in der Wiener Tourismus­kom­mission saß und all die Umfragen kenne, die bei Touristinnen und Touristen, die Wien besuchen, gemacht werden. Diese werden immer gefragt: Was hat Sie in Wien am meisten überrascht? – Und was, glauben Sie, war die häufigste Antwort der Touristin­nen und Touristen in Wien? Was hat die TouristInnen am meisten überrascht? (Bun­desrat Steiner: Die Radwege wahrscheinlich!) – Nein, am meisten hat sie die Moder­nität der Stadt (Bundesrat Steiner: Der Radfahrbeauftragte der Stadt Wien!) und das gute, zeitgenössische Design überrascht, dass man eine moderne Stadt besucht, die vielfältig ist und tolles Design hervorbringt. – Das war wirklich so, das ist objektiv. (Beifall der BundesrätInnen Novak, Schumann und Wanner.)

Herr Pisec, was glauben Sie, was die TouristInnen auf die Frage, was sie in Wien am meisten stört, geantwortet haben? (Bundesrat Steiner: Die Radwege!) – Das war in der Zeit, als man in der Gastronomie noch rauchen durfte, und das hat die TouristInnen am meisten gestört. Dafür wart ihr und die TouristInnen nicht. So gesehen kann ich Ihnen also Ihren Einsatz für die TouristInnen in Wien nicht ganz abnehmen, es tut mir leid.

Tourismus: Reden wir über den nicht mehr ganz so aktuellen – die neueren Zahlen sind ja schon da –, aber aktuell vorliegenden Tourismusbericht, denn tatsächlich sind in den sehr intelligenten und etwas gescheiteren Beiträgen der VorrednerInnen super Sachen gesagt worden. Darüber sollten wir tatsächlich sprechen, denn ja, der Fach­kräftemangel, Frau Kollegin Zwazl, ist tatsächlich eine der großen Herausforderungen.

Ich kenne das, ich habe das gerade zufällig im Pinzgau bei einem Projekt kennen­gelernt. Da werden tatsächlich zwischen den Hotels, bei denen gerade Peaks sind, die MitarbeiterInnen ausgetauscht, weil einfach nicht genug da sind. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das schauen wir uns aber genau an in Salzburg!) Das ist in vielen Touris­musbetrieben tatsächlich ein Problem. Ich habe es selbst erlebt. Ich bin Tourismus­schulabsolvent (Bundesrat Steiner: Gratuliere!), und diese Schule, in die einmal 1 200 Schülerinnen und Schüler gegangen sind, weil das in den Achtzigerjahren ein erstrebenswerter Beruf war, besuchen jetzt weniger als 500 Leute. Das bedeutet natür­lich auch, dass die Attraktivität dieses Berufs – da sind wir alle gefragt – erhöht werden muss.

Sprechen wir aber von Tourismus, sollten wir wahrscheinlich nicht nur ausschließlich von der Wirtschaft sprechen. Was ist Tourismus, wenn man ihn sich genauer an­schaut? – Es gibt gerade eine große Änderung. Bis jetzt haben wir in den Touris­musdiskussionen und bei den Zahlen immer auf die Anzahl der Nächtigungen und darauf, wie viel ausgegeben worden ist, geschaut und gesagt, dass es gut ist, wenn die Zahlen steigen, steigen, steigen. Jetzt ist etwas passiert: Das ist gekippt, und das in vielen Regionen.

Das ist nicht nur in Österreich so, das gibt es auch woanders. Ich kenne diese Diskus­sionen, die gibt es auch in Amsterdam, die gibt es auch in Venedig, die gibt es auch in Dubrovnik. Die Frage ist, wie wir die Bevölkerung mitnehmen. Was bedeutet es, wenn eine Touristenregion, ein Ort, eine Stadt oder auch ein Teil einer Stadt immer mehr zu einem Museum wird, das nur noch besucht wird und wo keiner mehr leben will? – Das ist tatsächlich eine der größten Fragen, die wir uns stellen müssen.

Es wird notwendig sein, und das wäre auch meine Bitte an das zuständige Ministerium, dass wir gemeinsam eine noch stärkere Strategieentwicklung dahin gehend machen, in welche Richtung der Tourismus sich entwickelt. Wir sollten vielleicht auch weniger von einer Tourismuswirtschaft als von einer Tourismuskultur sprechen. Welche Identität wir haben, wie wir selbst unser Land, unsere Region definieren und wie wir dort leben wollen, das ist auch ein Grund, weswegen uns Menschen besuchen, denn die Men­schen wollen nicht nur ein Museum besuchen, sie wollen ja auch ein Land besuchen und die Leute und deren Alltagskultur kennenlernen.

Das heißt, wenn wir von einer Tourismuskultur sprechen, sprechen wir nicht nur von Wirtschaft. Wir sprechen von Kulturpolitik, wir reden von ökologischer Politik und Natur­politik, wir reden von Sportpolitik, wir reden von Verkehrspolitik, wir sprechen vor allem über die Frage der öffentlichen Erreichbarkeit – das haben auch Sie, Frau Kollegin Zwazl, genannt; eine ganz wichtige Frage –, und wir reden natürlich auch von Aspek­ten wie Städtebau oder Stadtplanung.

Natürlich bedeutet es etwas für Wien, wenn alle Kreuzfahrtschiffe an einer Stelle stehen und Hunderte Menschen gleichzeitig in die Stadt gehen, hier nichts ausgeben und dann wieder auf den Schiffen essen und schlafen. Für die Stadt hat es eigentlich kaum einen Mehrwert, und für die Menschen, die in diesen Regionen arbeiten, wird es wirklich unangenehm.

Das heißt, die Identitätsfrage, wie wir selber leben wollen, läuft parallel zur Frage, wie Tourismus funktioniert. Es gibt dann natürlich viele Teilaspekte wie den Winter­touris­mus. Gerade Niederösterreich ist da besonders betroffen, vor allem natürlich die Regionen, die von den Höhenmetern her gesehen etwas niedriger liegen. Die Schnee­sicherheit wird in Zukunft auch nicht mehr gegeben sein. Ich habe zufällig vor Kurzem einen Tiroler Gastronomen kennengelernt, der auch einen Hotelbetrieb hat, der etwas niedriger liegt. Dieser Gastronom hat tatsächlich selbst eine Informationsoffensive ge­startet und seinen Gästen den Wintertourismus damit schmackhaft gemacht, dass es mehr als das Skifahren gibt, dass man in einer Region nicht nur Ski fahren kann, dass das Wandern auch im Winter etwas Schönes ist, dass das Schneeschuhwandern etwas Schönes ist. Auch da wird es also notwendig sein, abseits des Schnees attrak­tive Angebote zu liefern. (Bundesrat Steiner: Das gibt’s ja schon seit 20 Jahren!) – Ich weiß, ja, aber das gehört intensiviert.

Da hier die niederländischen Skilehrerinnen und Skilehrer angesprochen wurden – ich kenne ja persönlich auch einige, ich weiß, dass diese auch wegen des Skifahrens gerne nach Österreich kommen –: Natürlich ist das Skifahren noch immer im Kopf, also wenn man in den Niederlanden das Wort Skifahren sagt, sagt jeder sofort: Österreich. Das ist die Assoziationskette – das ist so. (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber positiv!) – Das ist auch positiv, absolut, ich gehe selber gern Skifahren.

Nur, wie eben gesagt, wird es die Schneesicherheit in dieser Form nicht mehr geben, und seien wir ehrlich: Diese weißen Linien in grünen Landschaften sind ja auch nicht unbedingt das, was uns selbst gefällt, was den Menschen, die dort wohnen, gefällt und was den Touristinnen oder Touristen gefallen würde. Die Klimakrise beziehungsweise die Klimawandelfrage reicht direkt in unsere Tourismusfragen hinein. Die Marke Urlaub in Österreich: Da ist es eine Frage, wie wir sie definieren.

Eine andere Geschichte, die natürlich auch für den Tourismus besonders interessant ist – da kommen wir wieder zu den Fragen nach der Identität: wer wir sind, wer uns besucht und welches Land die Menschen besuchen wollen –, ist die Frage danach, was die Touristen hier konsumieren. Ich selbst bin mittlerweile manchmal etwas über­rascht, denn egal, in welches Land man fährt, die Hotels schauen alle gleich aus und funktionieren alle gleich. Fragt man sich manchmal, was es eigentlich an regionalen Spezialitäten oder an Besonderheiten gibt, dann muss man immer mehr auf die Suche gehen, um sie überhaupt zu finden. Ich glaube, dass die Qualitätsgastronomie ein star­kes Thema sein wird, nämlich die Produkte, die wir selbst in unserer Landwirtschaft erzeugen, die Produkte, die wir gerne essen und die wir dann gerne unseren Gästen präsentieren.

Das Gasthaussterben im ländlichen Raum – ich glaube, viele hier kommen ja auch aus Regionen, in denen das ein Thema ist – ist nicht nur eine Frage des Tourismus, son­dern auch eine soziale Frage in den Dörfern, in den Regionen, in den Tälern. Auch da gilt es ganz bestimmt, mehr zu tun.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz ein Kapitel anschneiden, das gerade auch in Städten ein großes Thema ist – wir haben das auch im Ausschuss diskutiert, wir haben es auch im Tourismusbericht gesehen –: Die exorbitant hohe Zunahme an Ferienwoh­nungen und vor allem natürlich auch an Ferienwohnungen, die über diese berühmten Plattformen vermittelt werden – ich möchte nicht diese eine nennen, es gibt nämlich tatsächlich mehrere –, bedeutet natürlich, dass die Frühstückspensionen von früher, in denen man sich die Dusche noch mit anderen geteilt hat, nicht mehr attraktiv sind. Ich verstehe bis zu einem gewissen Grad auch, dass diese Wohnsituation, dass man eine eigene Wohnung hat, populär ist. Wir sollten allerdings tatsächlich darauf schauen – da gibt es im Regierungsprogramm und auch in den Ländern tolle Ideen –, dass wir mit der Meldepflicht noch stärker voranschreiten, denn schlussendlich sind das gerade im urbanen Raum natürlich auch Wohnungen, die den Menschen, die dort vor Ort leben, nicht mehr zur Verfügung stehen.

Damit kommen wir wieder zu diesem Punkt: Die Touristinnen und Touristen kommen wegen der schönen Natur nach Österreich, deswegen bringt es nichts, wenn wir diese Natur kaputt machen – auch nichts, wenn wir Gipfel wegsprengen, nebenbei bemerkt. (Bundesrat Steiner: Wo in Österreich werden Gipfel gesprengt? – Bundesrat Rösch: Am Großglockner!) Was auch nicht funktioniert, ist, dass wir den Menschen vor Ort Wohnraum entziehen (Bundesrat Steiner: Wo?) und ihn nur noch TouristInnen zur Verfügung stellen, weil auch das einfach keinen Sinn macht.

In diesem Sinne: vielen Dank. Ich freue mich auf den zukünftigen Tourismusbericht; die neuen Zahlen sind ja da. Ich glaube, dass wir vieles schaffen können, wenn wir alle gut zusammenarbeiten, vor allem im Klimaschutz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.40

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.