14.49

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich der letzte aktive Bundesrat hier im Haus bin, der damals bei den beiden Anträgen Mitantragsteller war, und ich kann nur sagen, ich vermisse in dieser Debatte zweierlei Dinge: Respekt vor der Geschichte und Verantwortung für die Zukunft.

Das hat uns nämlich über viele Jahre hier getragen, um genau diese Initiative zu starten. Monika Mühlwerth hat Ludwig Bieringer erwähnt. Ludwig Bieringer saß hier und hat sich jeglicher einzelner Veränderung der Geschäftsordnung widersetzt, aber nicht in diesem Punkt. In diesem Punkt haben wir erkannt: Es geht um eine wichtige Verfassungsfrage und um die Beendigung der Entwertung des Bundesrates. Wir könn­ten hier nämlich drei Sitzungen pro Jahr abhalten, alle Gesetze zusammenfassen, die im Laufe des Jahres im Nationalrat beschlossen wurden, und die Sache enderledigen.

Diese Unkenntnis in der Debatte, insbesondere jene des Kollegen von den Grünen, Herrn Gross, verstehe ich aber überhaupt nicht. Sie haben im Ausschuss gesagt: Ihr wollt nur das Chaos. – Nein, wir wollen eine verfassungsmäßige Richtigkeit, und wir wollen für den Bundesrat, für jeden einzelnen Bundesrat, für jede einzelne Bundesrätin eine demokratische Möglichkeit.

Da gab es einmal ein Gesetz, angesichts dessen Jürgen Weiss und wir alle uns unmit­telbar zusammengesetzt haben. Mit diesem Gesetz hat es 98 Gesetzesänderungen gegeben, mit einer einzigen Abstimmung! Da war ein Haus für Vertriebene dabei, eine Donaubrücke, eine Straßenbrücke, da waren auch die von Korinna Schumann erwähnten Eurofighter dabei, da waren weiters die Schlösser dabei und vieles mehr. Es hat alles keinen sachlichen Zusammenhang gehabt, aber wir mussten über all diese Dinge in einem abstimmen.

Und dann kam die 120er-Gruppe, das war überhaupt nur mehr Kraut und Rüben. Da haben wir gesagt: Das geht nicht! Das ist gegen jegliche Legistik.

Lieber Kollege aus Vorarlberg, hätten Sie doch einmal den Tom Sperlich oder den Robert Luschnik angerufen. Die hätten Ihnen von diesem langen Kampf erzählt und erklärt, worum es hier eigentlich geht: Es geht hier um Legistik und um die Bekämp­fung der Entwürdigung von Mandataren, die darin liegt, dass sie über 120 Gesetzes­änderungen unter einem abstimmen müssen und damit nicht ihre Meinung zu den einzelnen Gesetzen zum Ausdruck bringen können.

Und zu diesem Demokratie und Verfassung betreffenden Thema sagen hier ein grüner Mandatar, aber auch Herr Bader lediglich lapidar: Die wollen nur Chaos!? (Bundesrätin Mühlwerth: Was eine ungeheuerliche Unterstellung ist!) Ich meine, das ist ja nicht nur eine Unterstellung, sondern blanke Ahnungslosigkeit in Sachen Verfassung, Demo­kra­tie und Mitsprache! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die Oberanarchisten dieser Republik, die Korinna Schumann schon erwähnt hat, sind offensichtlich die Landeshauptleute, denn die haben sehr wohl diesen Prozess nach­vollzogen und haben gesagt: Was wichtig ist, ist das Teileinspruchsrecht.

Jetzt kommt jemand aus Vorarlberg heraus, der nicht einmal weiß, wie der Artikel 40 der eigenen Landesverfassung lautet. Da ist nämlich genau vorgesehen, dass man hier zu einzelnen Gesetzen Amendments, also Anträge stellen kann und dass das nicht mit einer einzigen Abstimmung zu tun hat. So schaut es in Vorarlberg aus. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Jetzt sage ich nur nebenbei: Und das von einem Grünen, der uns hier vorwirft, nur Chaos verursachen zu wollen!

Noch einmal: Wir haben uns das nicht leicht gemacht.

Präsident Robert Seeber: Herr Kollege Schennach, Entschuldigung! Das Wort „Ober­anarchisten“ für die Landeshauptleute, das passt nicht ganz. Ich ersuche Sie, das zu­rückzunehmen.

Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Dann sagen wir halt Oberchaoisten. (Die Bundesräte Bader und Buchmann: Hey! Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Die Chaostheorie ist von anderen. Dass das hier eine ironische Spitze war, Herr Präsident, ist Ihnen klar, ist allen anderen klar und ist auch den - - (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber wenn man hier sagt, wir wollen Chaos, dann muss ich sagen: Die Landeshaupt­leute wollen sicher kein Chaos, sondern sie wollen eine verfassungskonforme Rechts­durchsetzung der Möglichkeiten im Bundesrat.

Ich darf noch einen einzigen Punkt in Richtung Türkise und Grüne erwähnen: Sie wissen aber schon, wann dieser Antrag eingebracht wurde? – Nicht, als Sie Ihre Re­gierung gebildet haben, sondern vorher, in der Zeit der Expertenregierung. Das hat mit Ihnen unmittelbar gar nichts zu tun. Trotzdem ist es interessant, dass Sie dazu diese Position bezogen haben.

Es ist schade für die Zukunft des Bundesrates, aber Sie haben ja im Nationalrat die volle Mehrheit, um das zu verhindern. Ich hoffe, dass wir heute hier eine Mehrheit zustande bringen, damit eine Initiative aus den Jahren 2003, 2009 und auch – von­seiten der Landeshauptleute – 2017 zum Durchbruch gelangt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.55

Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bader, ja, bitte sehr.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile es ihm.