11.30

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Familienrichtsatz muss dringend angepasst werden, und zwar rückwirkend. Diese Reparatur ist ein Muss, das ist für uns SozialdemokratInnen völlig klar! Es geht da um eine dringend not­wendige Unterstützungsleistung für die Betroffenen: Würde man den Richtsatz nicht anpassen, hätten 28 000 Paare monatlich 50 Euro weniger zur Verfügung – es wurde bereits gesagt –, und das geht gar nicht, denn 50 Euro weniger sind gerade für diese Menschen, die am Existenzminimum leben, ganz, ganz wichtig.

SPÖ und FPÖ haben im Nationalrat ihren Antrag zur Verfügung gestellt, damit wurde die Reparatur dieses Fehlers, der wirklich schwerwiegende Folgen für die Betroffenen gehabt hätte, überhaupt erst möglich. Wäre das nicht passiert, hätten die Menschen noch länger auf ihr Geld warten müssen, und, wie gesagt, das ist viel Geld für die Bezieherinnen und Bezieher dieser Ausgleichszahlung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Rösch und Lackner.)

Armut in der Pension, im Alter ist ein schweres Los, und wir müssen alles nur Mögliche tun, um diese zu verhindern. Der Frauentag ist ja erst wenige Tage her, und wir wissen, dass in Österreich der Unterschied zwischen Frauen und Männern betreffend die Höhe der Pension 42,3 Prozent beträgt. Damit hat Österreich die viertgrößte Pen­sionslücke in der gesamten Europäischen Union.

Positiv zu sehen ist, dass die Zahl der Frauen, die eine eigenständige Pension erhalten, in den letzten fünf Jahren ganz deutlich gestiegen ist. Die zu erwartende Pen­sionsleistung ist aber so gering, dass man damit im Alter sicher kein eigenständiges Leben führen kann, das ist für viele Frauen Realität.

Wichtig ist, auf die Ursache zu schauen: Wo liegt der Hund begraben? – Das Problem liegt am Arbeitsmarkt. Die Einkommen in den Branchen, in denen hauptsächlich Frau­en beschäftigt sind, sind viel geringer als jene in Männerbranchen. Der Einsatz der Gewerkschaften für einen kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1 500 Euro war in fast allen Branchen, also zu 99 Prozent erfolgreich – nun gilt es, die 1 700 Euro umzu­setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Positivste, das im Sinne einer Verbesserung der Situation für die Frauen in der letzten Zeit passiert ist, war die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten. Das war ein großer Erfolg, der im Interesse der Frauen durchgesetzt wurde, im freien Spiel der Kräfte war das möglich, und das war ein Erfolg der SPÖ. Das Schließen der Ein­kommensschere von 20 Prozent zwischen Frauen und Männern muss der Auftrag für die aktuelle Regierung sein.

Der hohe Anteil von Frauen mit Teilzeitarbeit ist ein weiterer Faktor, der seine Aus­wirkungen auf die Pensionsleistungen hat: fast 50 Prozent Teilzeitquote bei Frauen in Beschäftigung, und sogar 73 Prozent bei Frauen mit Kindern im betreuungspflichtigen Alter. Teilzeitarbeit ist oft nicht freiwillig gewählt: Es fehlt die nötige Kinderbetreuung, vor allem im ländlichen Bereich. Wien ist da mit seinem ausgezeichneten Kinderbetreu­ungsangebot Vorbild, und nun folgt in Wien auch noch der Ausbau der Ganztags­schule; das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt für die Eltern und für die Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein flächendeckendes Kinderbetreuungsangebot für jedes Kind, auf das die Eltern einen Rechtsanspruch haben, das gratis ist und das Vollzeitarbeit ermöglicht, muss das Ziel sein. Frauen müssen eine echte Wahlfreiheit haben, wie viele Stunden sie arbeiten wollen – und nicht permanente Sorgen haben, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Dazu braucht es natürlich auch entsprechende Mittel, auch für die Gemeinden, das ist ganz klar. In die Kinderbildung zu investieren, das heißt, in die Zukunft zu investieren: Beste Bildung und Förderung für alle Kinder, weniger Sorgen für die Eltern, die Schaffung qualitätsvoller Arbeitsplätze und die Stärkung des länd­lichen Raums müssen unsere Ziele sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht dringend eine bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten für Frauen, denn Frauen haben auch im Alter ein Recht auf ein gutes Leben. Diese Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil armutsgefährdeter Personen innerhalb dieser Legis­laturperiode zu halbieren. Das ist ein hohes, aber wichtiges Ziel, und an diesem wer­den wir sie sicher messen.

In Österreich waren im Jahr 2018 1,2 Millionen Menschen armutsgefährdet – das sind 14 Prozent der Bevölkerung –, und AlleinerzieherInnen haben ein Armutsrisiko von 37 Prozent. Wir sind also aufgefordert, alle familienpolitischen Maßnahmen auch aus dem Blickwinkel der Armutsbekämpfung zu sehen.

Vor allem der Familienbonus, so positiv er sich für einzelne Teile der Bevölkerung aus­wirkt, sollte in diesem Zusammenhang auf seine Wirksamkeit bei der Bekämpfung der Armutsgefährdung überprüft werden. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten gilt grundsätzlich: Jedes Kind ist gleich viel wert, und Kinderarmut darf es in Österreich nicht geben! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

Prekäre Beschäftigungsformen, Arbeitsplätze, die nur mehr als Teilzeitstellen ange­boten werden, junge Menschen, die keine Chance auf stabile Arbeitsverhältnisse haben, Menschen mit Behinderung ohne Arbeitsmarktperspektive, ältere Arbeitneh­merInnen, die verzweifelt einen Job suchen: Das sind die Herausforderungen, und da geht es immer auch um die Frage, wie die Pensionsleistung aussieht, die die ArbeitnehmerInnen erwarten können.

Die Entwicklung der Digitalisierung und alle ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu ignorieren, wie es derzeit leider seitens der ÖVP-MinisterInnen getan wird, ist der falsche Weg – die Digitalisierung muss im Interesse der Menschen gestaltet werden. Auch da ist wieder Wien positiv zu erwähnen, da setzt Wien die richtigen Schritte: Wien stellt die Forderung in den Mittelpunkt, dass die Digitalisierungsentwicklung nicht zu einer Gesellschaft der zwei Geschwindigkeiten führen darf.

Der digitale Fortschritt soll nicht nur einem Teil der Bevölkerung nutzen, die Entwick­lungen der Digitalisierung dürfen nicht zu einer Vertiefung der sozialen Gegensätze führen. Das Digitalisierungspaket, das Wien mit den Sozialpartnern umgesetzt hat, ist da ein wichtiges Zeichen, und es ist auch ein Zeichen dafür, dass Wien die Sozial­partnerschaft immer gelebt hat und auch jetzt auf Augenhöhe lebt. (Beifall bei der SPÖ.)

Chancen für alle, das Recht auf Aus- und Weiterbildung, um den Veränderungen begegnen zu können, und genügend Mittel für das AMS sind wichtig. Dabei sei besonders erwähnt, dass es jetzt in dieser schweren Krise ausreichend Mittel für die Kurzarbeit braucht. Diese 20 Millionen Euro, die für die Kurzarbeit budgetiert wurden, reichen nicht aus, auf keinen Fall! Es braucht neues Geld, und es darf auch nicht gefor­dert werden, dass Mittel innerhalb des AMS umgeschichtet werden. Kurzarbeit ist ein wichtiges Modell, das die Sozialpartner entwickelt haben, um Arbeitsplätze zu erhalten, und dafür braucht es auf jeden Fall Geld. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Coronavirus und dessen Bekämpfung sei noch gesagt: Es ist für die Eltern be­sonders jetzt bei der Schließung von Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen ganz wesentlich, dass sie Anrecht auf eine Entgeltfortzahlung über den gesetzlichen Rahmen hinaus haben. Wir können da die Eltern nicht im Stich lassen, denn es ist ganz, ganz wichtig, dass sie sich darauf verlassen können, dass sie ihr Entgelt weiter bezahlt bekommen.

Einer Alleinerzieherin soll jetzt nicht gesagt werden, na ja, du bekommst jetzt halt eine Woche frei, dann nimmst du dir ein bisschen Pflegefreistellung und dann nimm bitte deinen eigenen Urlaub! – Das darf so nicht sein, es muss eine wirklich gesicherte Entgeltfortzahlung geben. Am Nachmittag finden die Verhandlungen der Sozialpartner mit der Regierung statt, und ich hoffe, dass es da zu einem positiven Ergebnis kommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen niemanden zurücklassen, dazu darf ich noch einmal aus dem Regierungsprogramm zitieren: „Diese Bundesregierung verfolgt das Ziel, Armut im Alter deutlich zu reduzieren und nach Möglichkeit zu überwinden.“ – Wir hoffen wirklich, dass dies nicht nur leere Phrasen sind, und wir werden diese Regierung an diesen Zielen messen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.38

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr.