16.41

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zu­seherinnen und Zuseher! Es ist für mich heute eine ganz besondere Sitzung, weil es erstmals darum geht, Bürger- und Grundrechte einzuschränken. Ich darf vielleicht er­wähnen, dass ich es bei den Diskussionen, die wir heute und auch schon in den Tagen zuvor gesehen haben, für entbehrlich halte und zynisch finde, wenn man die Wörter Kriegsberichterstattung, Frischblut und Ähnliches verwendet, weil das das Ganze zwar untermalen soll, aber – ich sage jetzt einmal – nicht in besonnener Art und Weise. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Lage ist viel zu ernst und verlangt uns allen viel Disziplin ab. Wir kennen Katastro­phen nur von Katastrophenschutzplänen. Wir kennen das von der Feuerwehr, bei der es Einsatzpläne und Nachrückpläne gibt, bei der man weiß, wie man darauf reagiert. Wir kennen das beim Bundesheer, wenn es darum geht, das Bundesheer in den Ein­satz zu bringen, zum Katastrophenschutz, zum Wasserschutz oder bei atomarer Be­drohung.

Heute hat aber auch der Herr Finanzminister hier gesagt, es gibt so viele Fragen, auf die wir noch keine Antwort haben. Das macht uns natürlich umso besorgter, weil uns etwas an Sicherheit fehlt. Deswegen würde ich mir auch wünschen – die Regierung ist zwar immer gestellt und in großer Schar hier –, dass wir auch irgendwann einmal Ex­perten dazu hören, die uns vielleicht sagen, wie lange das Virus überlebt. Wir haben das immer nur auf Facebook oder irgendwo im Internet gelesen. Es überlebt 20 Minu­ten, 30 Minuten, letztens habe ich von einem Virologen übers Internet mitbekommen: zwei Tage. Das ist schon ein großer Unterschied, auch bei meiner Vorkehrung, auch dort, wo ich hingehe, auch dort, wo ich versuche, das keimfrei zu machen, dort, wo Leute doch noch zusammenkommen müssen. Das sind essenzielle Fragen, die ich an die Regierung hätte. Wann gedenkt sie, auch auf diese Fragen eine Antwort zu geben; obwohl es momentan tatsächlich eine große Herausforderung gibt und wir nicht alles gleichzeitig machen können?

Neben den Gesetzen braucht es natürlich auch eindeutige Anweisungen. In dieser Si­tuation gibt es kein Bitte und Danke mehr, wenn wir schon die Demokratie ein Stück weit außer Kraft gesetzt haben. Es braucht auch keinen Konjunktiv, wie er dann in den Zeitungen steht: Arbeitgeber in nicht kritischen Bereichen können bis zu drei Wochen zusätzlich Coronasonderbetreuungszeit für die Betreuung der Kinder gewähren. – Die­ses Können setzt die Mitarbeiter bereits unter Druck, denn der Arbeitgeber sagt: Zuerst einmal vielleicht die Überstunden, vielleicht einmal den Urlaub, das und das und das abbauen! – Es ist in vielen Betrieben unterschiedlich. Auf dieses Mittel wird nicht unbe­dingt zurückgegriffen, und das nicht unbedingt zum Vorteil der Arbeitnehmer.

Wir sehen, dass mit dem Beschluss, den wir heute alle treffen werden, zwar die größe­ren Betriebe eine gewisse Sicherheit haben, aber die kleineren Betriebe oder die Kleinstbetriebe und die EPUs nicht wissen, wie es morgen weitergehen wird. In mei­nem Umfeld war es wirklich so, dass gerade die Gastronomie zugesperrt und gekün­digt hat. Ein Koch, der 20 Jahre in einem Betrieb war, hat mit Tränen in den Augen zu mir gesagt: Jetzt hätte ich noch fünf Jahre! Ich weiß nicht, wie das geht.

Wir können dann natürlich sagen, über das Arbeits- und Sozialgericht kann man das alles aufrollen und, und, und. Was aber bewegt denn den Arbeitgeber dazu? – Der braucht das mit den zwei Dritteln oder sonst irgendwelche Maßnahmen nicht. Der möchte Planungssicherheit haben. Es geht um sein finanzielles Überleben. Das müs­sen wir ganz einfach einmal mit ins Kalkül nehmen, dass die Menschen nicht nur Angst vor einer Krankheit haben, sondern Angst davor, dass es finanziell nicht mehr weiter­geht. Dazu habe ich bei den kleineren Segmenten nichts gesehen. Wir werden es noch beim Arbeitsmarktservice sehen – ich hoffe in diesem Fall, dass ich nicht recht habe, aber ich befürchte es –, dass es da praktisch zum Anstieg von Arbeitslosigkeit kommen wird.

Auch Mütter haben mich angerufen und mir gesagt: Was soll ich denn machen? Bei mir gibt es die Betreuungseinrichtung, die offen haben soll oder die mich unterstützen soll, nicht! – Eine andere Mutter hat gesagt: Ja, es gibt zwar diese eine Möglichkeit, dass ich mein Kind in eine Gruppe geben kann, weil ich tatsächlich nicht weg kann, aber der Schulbus fährt nicht mehr! – Wir leben ja nicht nur in Wien, sondern es gibt auch den ländlichen Bereich, und dort ist das ein echtes Kriterium. Was sagen wir de­nen?

Es gibt noch so viele Fragen in dieser Sache, die wir beantworten könnten, wenn wir ganz einfach dieses Epidemiegesetz heranziehen würden. Warum scheuen wir uns so vor dem Begriff Epidemie – Epidemie oder Pandemie –, den der Herr Minister ja jetzt das erste Mal so richtig erwähnt hat? Wenn es schon eine Epidemie gibt, warum muss man dann wirklich eine Ausschlussgesetzgebung machen und verwendet nicht etwas, bei dem sich Altvordere überlegt haben, wie man so ein Gesetz für gravierende Zeiten formuliert?

Aber gut, wir wissen, dass wir heute im Schulterschluss zusammenstehen müssen. Ich würde mir von der ÖVP aber schon wünschen, sich auch zu überlegen, unserem An­trag zuzustimmen, so wie es meine Fraktionsvorsitzende Monika Mühlwerth gesagt hat, denn es geht darum, dass wir alle Steuern zahlen, und warum sollen nicht auch al­le die Gewissheit haben, dass ihnen geholfen wird, wenn sie es brauchen? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das klare Signal sollte jetzt sein – deswegen werden wir auch zustimmen –: Wir lassen niemanden im Stich, egal ob es um die Gesundheitsversorgung oder ob es um eine Existenz geht! – Deswegen werden wir zustimmen, und ich hoffe, dass die ÖVP sich auch dazu durchringen kann, dem anderen Spektrum in der Wirtschaft auch die Unter­stützung zuzusichern. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.49

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. Ich erteile es ihr.