13.36

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerin­nen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Zuerst ein paar grundsätzliche Dinge: Die vorherrschende Situation rund um die Coronaviruskrise hält mittlerweile die ganze Welt in Atem. Wir in Österreich sind davon besonders betroffen und demnach auch gefordert.

Jenen Menschen, die jetzt rund um die Uhr arbeiten und vieles dafür tun, dass das Leben am Laufen bleibt, diesen Menschen, die für uns da sind, sei in dieser beson­deren Zeit von Herzen gedankt!

Besondere Zeiten brauchen besondere Maßnahmen, das haben wir mehrmals gehört. Alle Verantwortungsträger und viele Systemerhalter sind derzeit im Krisenmodus. Die bis jetzt getroffenen Maßnahmen sind teils wissenschaftlich begründet und nachvoll­ziehbar, teils – aus dem Bauch heraus beurteilt – gerechtfertigt. Man wird aber erst später in Summe bewerten und die richtigen Schlüsse ziehen können.

Fest steht: Maßnahmen zur Eindämmung des Virus sind sinnvoll, kommen aber auch einer Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte gleich. Das sehen auch Verfas­sungs­experten so. Wir müssen also eine Güterabwägung vornehmen. Da wäre das Recht auf Gesundheit auf der einen Seite und zum Beispiel die Versammlungsfreiheit auf der anderen. Wir sind uns aber alle einig, dass wir in der jetzigen Situation schnell und effektiv reagieren müssen.

Es braucht auch eine Anlassgesetzgebung. Genauso wichtig ist es, darauf zu achten, dass diese Anlassgesetze, deren Zustandekommen im Prinzip ohne Begutachtung erfolgt, zeitlich beschränkt sind und immer wieder der aktuellen Lage angepasst wer­den müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wichtig ist, dass das Parlament tagt und der Staat arbeitsfähig ist und auch bleibt. Der Staat muss funktionieren, deswegen dürfen wird von keiner Staatskrise, sondern müs­sen von einer Gesundheitskrise sprechen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass alle Maßnahmen nicht unter maximaler Ausreizung der Befugnisse der Verwaltung gesetzt werden, sondern mit parlamentarischer Genehmigung. Da darf uns das Land Frank­reich kein Vorbild sein, wo in den letzten Jahren immer wieder Ausnahme- und Not­standsgesetze letztendlich in die normale Gesetzesordnung eingegliedert wurden.

Dass in dieser Ausnahmesituation nicht alles wie am Schnürchen läuft und Fehler pas­sieren, ist, glaube ich, allen völlig klar. Resistent gegen besseres Wissen zu behaup­ten, dass alles richtig gemacht worden sei, wie der Tiroler Gesundheits­lan­desrat, ist aber kontraproduktiv und verunsichert eher, als es beruhigt. Man muss also Fehler ansprechen können und man muss auch dazu stehen.

Sehr sensible Bereiche sind die gesamte Informationsmaschinerie – Stichwort ge­sicherte Fakten und Fakenews – und vor allem auch die gewählte Sprache. Ich sage Ihnen ein Beispiel dazu. Am Anfang wurde die Devise ausgegeben, sich von Älteren, die eine Risikogruppe sind, strikt fernzuhalten. Gerade das sind aber Menschen, die in vielen Fällen dringend menschliche Zuwendung brauchen. Dann kam die Diktion Abstand halten, die es meiner Meinung nach schon eher trifft, weil man Kontakt auch mit dem nötigen Sicherheitsabstand halten kann. – Solche Fragen beschäftigen näm­lich die Menschen draußen. In der Handhabung ist gerade in dieser Hinsicht gesunder Menschenverstand gefragt.

Mir ist bewusst, dass die Berichterstattung eine Gratwanderung ist. Deshalb ist es auch so wichtig, Qualität und die richtige Quantität zu finden. Führende Medienwis­sen­schaftler und Psychologen warnen bereits davor, bei der Berichterstattung ins Un­gleichgewicht zu verfallen. Zu viele Bad News führen bei einigen nämlich dazu, dass sie überhaupt nicht mehr zuhören, und bei anderen dazu, dass sie in Hysterie verfallen, und beides können wir in dieser Lage nicht gebrauchen. Was wir aber brauchen, sind Bewältigungsstrategien und auch ein Kontrastprogramm, denn es gibt neben Corona auch noch anderes, auch noch Wichtiges.

Eines noch am Rande: Wenn der Bundeskanzler am zweiten Tag der Ausgangs­be­schränkungen eine Durchhalteparole ausspricht, wohl wissend, dass wir leider erst am Anfang stehen, dann mag das zwar ehrlich gemeint, aber meines Erachtens nicht zweckdienlich gewesen sein. Gar nicht geht nach meinem Dafürhalten, wenn Postings der Republik Österreich vonseiten ÖVP-Regierungsmitglieder die Corporate Identity der ÖVP übernehmen; da braucht es eine strikte Trennung. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Auer.)

Abschließend darf ich noch auf die Ebene der Gemeinden zu sprechen kommen. Wer dort Einblick hat, weiß, dass wir alles versuchen, in einer gemeinsamen Kraftanstren­gung bestmöglich mitzuwirken. Dabei sind wir aber leider oft auf gesunde Selbst­einschätzung und Hausverstand angewiesen. Manchmal haben wir draußen in den Gemeinden das Gefühl, dass die Behördenkommunikation nicht bis zu den Gemeinden reicht und irgendwo bei den Bezirkshauptmannschaften aufhört. Es sind eher die Medien und nicht die vorgesetzten Gebietskörperschaften, die uns als Informations­quellen dienen. Da gibt es jedenfalls noch Verbesserungsbedarf.

Dazu auch ein Beispiel: Ärzte und Spitäler beklagen einen eklatanten Mangel an Schutzausrüstung und müssen teilweise sogar auf private Initiativen und auf Bau­märkte zurückgreifen – das liest man in vielen sozialen Medien und Kanälen. Auf der anderen Seite werden in Gemeinden zigtausend Schutzmasken aus dem Jahr 2006 gehortet. Tage vergehen, und seitens des Landeskrisenstabes wird auf eine Eignungs­untersuchung verwiesen, während aber vielleicht viele Menschen auf ihrem Arbeits­platz ihre Arbeit ohne Schutzmaske machen müssen. Auch in diesem Fall darf ich festhalten, dass den Hausverstand zu benutzen erlaubt ist: Jede Maske ist besser als keine Maske!

Nun zum Gesetzesantrag: Die SPÖ wird dem Sammelgesetzesbeschluss 2. COVID-19-Gesetz zustimmen. Der Gesetzesantrag hat aber auch Schwachstellen, die wir kritisch hinterfragen und auch ansprechen – schade, dass die Regierung unsere An­träge dazu ablehnt! Wir fordern aber jedenfalls, dass jene Unternehmen, die berech­tigterweise staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, dafür auch eine Arbeitsplatzgarantie vorlegen müssen.

Erinnern Sie sich bitte zurück: Vor einer Woche haben wir als sozialdemokratische Bundesräte hier im Parlament davor gewarnt, dass es ab Montag eine Vielzahl von Arbeitslosen geben wird! Heute – sechs Tage danach – gibt es fast 100 000 Ar­beits­lose. Ich sage dazu: Hinter jedem und jeder Arbeitslosen steht in der Regel auch eine ganze Familie – das ist tragisch. Genau dieser Personengruppe müssen wir uns be­sonders annehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag dazu ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeits­platzgarantie in Zeiten der Corona Krise“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 1

Die unterfertigenden Bundesrätinnen und Bundesräte stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung – insbesondere der Bundesminister für Finanzen – wird aufge­fordert, unverzüglich Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen zu schaffen. Die milliardenschweren Unterstützungsleistungen zum Erhalt der wirtschaftlichen Struk­turen müssen unbedingt mit Arbeitsplatzgarantien verbunden werden.“

*****

Wir werden diesem Gesetzesantrag zustimmen. – Alles Gute! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Auer, Rösch und Schreuder.)

13.46

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend „Arbeitsplatzgarantie in Zeiten der Corona Krise“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.