12.20

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglie­der der Bundesregierung! Werte Kollegen! Vor allem liebe Österreicherinnen und Ös­terreicher, die Sie diese Sitzung zu Hause vor den Bildschirmen verfolgen! Wir sind durch die Coronapandemie zweifelsohne in einer unvergleichbaren Krise in der Ge­schichte der Zweiten Republik, die nicht nur unsere Gesundheit bedroht, sondern vor allem auch Folgen und Auswirkungen auf vielerlei Bereiche hat: die Wirtschaft, den Ar­beitsmarkt, aber auch andere Bereiche. Wir sind gezwungen, unseren gewohnten Le­bensablauf entsprechend anzupassen. Das bedeutet für die Bevölkerung vor allem Einschränkungen und weitgehende Umstellungen, die von den Menschen in unserem Land zu einem großen Teil verantwortungsbewusst mitgetragen werden.

Nicht zuletzt und genau aus diesem Grund hat die Politik selbstverständlich auch den Auftrag, die Sorgen der Menschen in unserem Land ernst zu nehmen. Die Gesundheit hat natürlich höchste Priorität, aber auch existenzielle, wirtschaftliche, finanzielle und soziale Sorgen müssen dabei Berücksichtigung finden.

Daher war es für uns Freiheitliche natürlich auch das Gebot der Stunde, die ersten Maßnahmen gemeinsam mit auf den Weg zu bringen und den politischen Schulter­schluss entsprechend mitzutragen. Wir haben aber in diesem Zusammenhang auch klar artikuliert, dass ein Schulterschluss für uns das Bündeln aller Ideen bedeutet, um damit eines sicherzustellen: die rasche und vor allem auch unbürokratische Hilfe für alle Österreicherinnen und Österreicher – wer rasch und unbürokratisch hilft, hilft dop­pelt!

Diesbezüglich haben wir Anträge formuliert und auch klar gesagt, dass es künftig zu keinen Sammelgesetzen kommen sollte, sondern dass über die Änderungen in einzel­nen Gesetzen separat abgestimmt werden sollte, denn wir wollen uns nicht gezwungen sehen, Pakete zu beschließen, deren Inhalt wir nicht uneingeschränkt teilen. Und: Ja, auch bei der Einbindung aller wäre es zu Situationen gekommen, in denen man bei einzelnen Gesetzen hätte nachschauen müssen, um die optimale Wirkung zu erzielen. Das ist in einer solchen Situation realpolitisch notwendig und das ist auch nicht Teil un­serer Kritik.

Was wir aber kritisieren, ist Ihre Vorgangsweise, geschätzte Regierungsparteien, denn Sie fassen diesen Schulterschluss falsch auf: Sie sehen ihn nicht als ein Aufeinander-Zugehen, sondern als alternativlose Befehlsausgabe Ihrerseits. Unsere Vorschläge werden einfach negiert, und den Anträgen wird die Zustimmung verweigert, Ihre Ent­würfe aber sehen Sie als gottgegeben, und die Befugnisse Ihrer Minister werden stetig erweitert. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Realität bedeutet das aber nicht nur, dass Sie hier ständig Ihre Machtposition ausbauen und die Ideen und Vorschläge unserer Fraktion nicht ernst nehmen, sondern vor allem, dass Sie die Sorgen der Menschen in unserem Land nicht ernst nehmen!

Wenn wir uns die getroffenen Maßnahmen und die Themenfelder anschauen und be­leuchten, dann sehen wir, was passiert, wenn gesetzte Maßnahmen eigentlich mehr Sorgen bringen als sie nehmen.

Viele Unternehmen sind seit nunmehr drei Wochen mit Existenzängsten konfrontiert, Unternehmer wissen nicht, wie es weitergehen soll, und Mitarbeiter wissen nicht, ob sie gekündigt werden oder ob die Situation für sie doch noch gut ausgeht. Und warum? – Weil man mit der Schaffung des Covid-19 Gesetzes das geltende Epidemiegesetz ausgehebelt hat, das vor allem Sicherheit für unsere Unternehmen bedeutet hätte.

Man hat einen Härtefallfonds geschaffen, der bei der Wirtschaftskammer angesiedelt ist. Dann gibt es auch noch die AMA, die hier mitspielt, und es wird eine eigene Gesell­schaft drübergestülpt. Kein Mensch in diesem Land versteht, warum nicht das Finanz­amt die alleinige Zuständigkeit hat, denn gerade das Finanzamt würde auf Knopfdruck über die Daten verfügen und könnte da unbürokratisch und automatisiert die notwendi­gen Unterstützungen ausschütten und hernach auch die entsprechenden Kontrollen vornehmen.

So aber macht man sich beispielsweise Unternehmer zu Bittstellern – zu Bittstellern der Wirtschaftskammer und, wenn man das Ganze weiterspielen möchte, zu Bittstel­lern der ÖVP. Das ist schon einmal so, und ich weiß, da gibt es immer die Kritik: Die Wirtschaftskammer hat ja nichts mit der ÖVP zu tun. – Nein, natürlich nicht; sie hat ge­nauso wenig damit zu tun wie die Sozialistische Jugend mit der SPÖ, das ist mir schon klar. Jetzt aber stehen wir vor der Situation, dass wir entsprechend komplizierte An­träge auszufüllen haben, dass Steuerakten beigebracht werden müssen und damit für die Unternehmer zusätzliche Belastungen in Kauf zu nehmen sind, die sie in dieser Si­tuation eigentlich nicht brauchen können, stattdessen wäre da eine entsprechende Ent­lastung vonnöten.

Dasselbe gilt für die kleinen und mittleren Unternehmen, die auf diesen Topf oft gar nicht zugreifen können und die auch mit ihren Sorgen über drei Wochen alleingelassen wurden; genauso alleingelassen wie die Tausenden Beschäftigten, die neben der Sor­ge um die Gesundheit der Familie, wegen der notwendig gewordenen schulischen Be­treuung der Kinder zu Hause, der Pflege der bedürftigen Angehörigen und der Um­stellung der Lebensabläufe zusätzlich jetzt auch noch mit existenziellen Sorgen kon­frontiert sind. Der Negativrekord von 560 000 Schicksalen, Personen, die von Arbeits­losigkeit betroffen sind, bestätigt hier leider meine Aussagen.

Daher wäre es richtig gewesen, die richtigen Schwerpunkte zu setzen: rasche und un­bürokratische Unterstützung für die Mitarbeiter und für die Betriebe zu gewährleisten, die übrigens bis heute noch keinen einzigen Cent gesehen haben, anstatt die partei­ideologische Rasenpflege einer möglichen Spielwiese für die eigene Wirtschaftskam­mer. (Beifall bei der FPÖ.)

Dasselbe, meine Damen und Herren, spiegelt sich aber auch im Krisenmanagement im Gesundheitsbereich wider. Der Schutz der Bevölkerung hat höchste Priorität zu haben, darin sind wir uns alle einig, wenn ich aber die Handlungen der Regierungsparteien se­he, so muss ich sagen, diese zeugen von wenig Glaubwürdigkeit und zahlreichen Wi­dersprüchen.

Da bekommen wir jetzt eine Maskenpflicht in den Geschäften, das Ganze auch noch mit Masken ohne Zertifizierung, zu denen der Bundeskanzler noch vor Kurzem gemeint hat, dass es ja ohnehin nichts bringe, wenn man mit Masken herumlaufe, die nicht schützen.

Ich teile diese ursprüngliche Meinung des Bundeskanzlers, und es ist zwar toll, wenn Sie hier herinnen mit Masken sitzen, aber wenn Sie ständig darauf herumgreifen, sie herunternehmen und wieder aufsetzen, dann haben sie, wie Experten das auch bestä­tigen, die Wirkung verloren und der Schutz ist nicht gegeben. Was ist es aber? – Es ist natürlich ein Zeichen von hohlem Aktionismus Ihrerseits.

Es ist aber auch ein Zeichen von Ignoranz. Es ist ein Zeichen von Ignoranz gegenüber jenen Tausenden Menschen, die für uns täglich im Gesundheitsbereich, in der Pflege, im Bereich der Versorgung, vor allem aber auch bei den Einsatzkräften ihren Dienst verrichten, dabei Personenkontakte haben, aufgrund Ihres Krisenmanagements aber heute noch der Gefährdung ihrer Gesundheit ausgesetzt sind, weil noch immer keine entsprechenden Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehen, weil sie keine Schutzmas­ken haben, weil sie keine Schutzbekleidung haben. Dafür tragen Sie die Verantwor­tung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Schumann.)

Fragen Sie einmal nach, welchen Bedingungen allein die Pflegekräfte ausgesetzt sind! Die Pflegekräfte haben teilweise keine Schutzmasken und haben teilweise selbstge­machte Schutzbekleidung, und in den Supermärkten werden für die dortigen Beschäf­tigten Schutzmasken ausgegeben und es wird ihnen angeraten, diese über eine Wo­che zu benutzen.

Der Schutz unserer Mitbürger und der Risikogruppen mit zertifizierten Masken und ent­sprechender Schutzbekleidung muss selbstverständlich an erster Stelle stehen, und wenn es notwendig ist, um die Eindämmung der Verbreitung dieses Coronavirus zu gewährleisten, dann machen wir im gesamten Raum selbstverständlich eine generelle Maskenpflicht.

Ähnlich verhält es sich ja auch mit den Testungen. Auch da haben Sie hoffentlich ein­mal den Aufschrei der Pflegeeinrichtungen gehört, die in Bedarfsfällen Testungen an­fordern, aber keine bekommen. Einmal ist von 58 000 Tests die Rede, dann sind es wieder fast doppelt so viele, dann hört man, dass nicht alle Labore mit der Schnittstelle verbunden sind. Da könnte dann noch ein zusätzliches Problem auftreten, denn jetzt ist man draufgekommen, dass man natürlich noch den Nachschub von Reagenzien be­nötigt.

Die Liste der Widersprüche ließe sich jetzt weiter fortsetzen, das geht hin bis zu den Ausgangsbeschränkungen, den Grenzschließungen, dem Flughafendesaster in Wien und vielem mehr; von den Vorgängen in Tirol möchte ich noch gar nicht sprechen.

Meine geschätzten Damen und Herren, im Gesundheitsbereich ist es bereits zwölf. Schauen Sie und achten Sie darauf, dass es nicht fünf nach zwölf wird!

Ein letzter Punkt, den ich auch ansprechen möchte, sind die Kommunikation und die Information. Dabei wäre es wichtiger, auf Qualität und Strategie anstatt auf Quantität und Eigen-PR gepaart mit Chaos durch fehlende Koordination zu setzen, denn mittler­weile haben die Menschen in unserem Land schon den Eindruck gewonnen, sie wären Kursteilnehmer beim täglichen TV-Workshop: Regieren durch Inszenieren. (Beifall bei der FPÖ.) Eine Pressekonferenz jagt die andere, ein Minister jagt den anderen über den Bildschirm, man vermisst jedoch klare Szenarien und Strategien, aber genau das wäre es, was die Menschen jetzt in dieser schwierigen Situation brauchen: Sie brau­chen Sicherheit, sie brauchen Gewissheit, sie brauchen Transparenz und sie brauchen Offenheit. – Das ist es, was jetzt gefragt ist.

Geschätzte Damen und Herren, was passiert aber? – Scheibchenweise werden Neue­rungen und Maßnahmen bekannt gegeben. Diese gelten, wie erlebt, zuerst eine Wo­che, dann bis Ostern, dann gibt es eine mögliche Verlängerung. Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, haben Sie doch den Mut zur Wahrheit! Haben Sie den Mut zur Wahrheit und schaffen Sie Sicherheit, denn es ist in Österreich jedem ver­ständlich, dass diese Krise nur gemeinsam gemeistert werden kann und – wenn not­wendig – über eine längere Zeitdauer durchgestanden werden muss! Die Menschen müssen sich aber darauf einstellen können; falls es dann kürzer dauert, ja, dann wird Ihnen das niemand übel nehmen.

Geschätzte Damen und Herren, Sie möchten ja eine Vielzahl von Maßnahmen setzen. Eine dieser Maßnahmen stößt uns aber besonders auf, denn dabei geht es um die Wahrung der Grundrechte. Geschätzte Damen und Herren, daher möchten wir ge­meinsam mit den Kollegen der SPÖ einen entsprechenden Entschließungsantrag ein­bringen. Ich darf diesen nun zur Verlesung bringen, denn es geht auch um die Gewähr­leistung, dass nach Ende der Krise freiheitsbeschränkende Maßnahmen wieder rück­gestellt werden.

Ich stelle daher folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Wahrung der Grundrechte“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend, längstens jedoch bis zum 15. April 2020, einen Berichtsmechanismus der Mitglieder der Bundesregierung an den Natio­nalrat jeweils zu Monatsbeginn zur Wahrung der Grundrechte zu etablieren, welcher folgendes vorsieht:

- Bericht über alle in Folge der COVID-19-Pandemie geplanten und umgesetzten Ver­ordnungen, Erlässe sowie sonstiger damit im Zusammenhang stehender Verwaltungs­handlungen, wobei Tätigkeiten der zur Bewältigung von COVID-19 eingerichteten Stel­len gesondert auszuweisen sind.

- Bericht über Maßnahmen zur Bekämpfung sogenannter ‚Fake News‘.

- Bericht über sämtliche Verwaltungsstrafen, die im Zusammenhang mit COVID-19 ver­hängt werden, sind unter Angabe der Rechtsgrundlage und der verhängten Strafe im Einzelnen nachvollziehbar aufzuschlüsseln.

- Bericht über die Verwendung von Daten, welche für Datamining oder Big Data-Maß­nahmen geeignet sind, unter Offenlegung der Datenquellen sowie deren Verarbeitung.“

*****

Meine geschätzten Damen und Herren der Regierungsparteien, nehmen Sie unsere Vorschläge an! Setzen Sie gemeinsam mit uns die notwendigen Schritte, um die Ge­sundheit der Menschen zu schützen, aber auch um die Wirtschaft – wenn man in der Wortwahl im Gesundheitsbereich bleiben möchte – wiederzubeleben beziehungsweise zu reanimieren! Vor allem aber nehmen Sie die berechtigten Sorgen der Menschen ernst, denn sie haben es sich in dieser schwierigen Situation verdient, dass wir ihnen diesen Respekt entgegenbringen! (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bekennen Sie sich zu einem gemeinsa­men Schulterschluss! Wir sind dazu bereit, doch diesmal liegt der Ball bei Ihnen.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich wünsche Ihnen viel Gesundheit, ein schö­nes Osterfest, wenn auch diesmal in unkonventionellem Rahmen! Bleiben Sie zu Hau­se, schützen Sie sich damit selbst und vor allem auch Ihre Mitmenschen! – Alles Gute in diesen Tagen und ein herzliches Glück auf! (Beifall bei der FPÖ.)

12.35

Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Josef Ofner und Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wah­rung der Grundrechte“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile dieses.